NGG: Billigware führt zu Absinken der Qualitätsstandards

Moderation: Jörg Degenhardt |
Franz-Josef Möllenberg hat nach dem jüngsten Gammelfleisch-Skandal einen Bewusstseinswandel der Verbraucher gefordert. Billigware führe unweigerlich zu einem Absinken der Qualitätsstandards, sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG).
Jörg Degenhardt: Ich will Ihnen jetzt auf gar keinen Fall das Frühstück vermiesen, Sie nur warnen, es wird etwas unappetitlich. Es geht nämlich um das so genannte Gammelfleisch, das von Bayern ausgehend immer mehr Bundesländer erreicht. Richtiger sollte man vielleicht sagen, wir reden hier vom aktuellen Fleischskandal, denn schon im vergangenen Jahr gab es entsprechende Funde und die Forderungen, die jetzt auch wieder erhoben werden, wie etwa, die Ausweitung von Meldepflichten, verbesserter Informationsfluss zwischen Bund und Ländern oder etwa härtere Strafen für Verstöße gegen Lebensmittelvorschriften. Was muss eigentlich noch passieren bis sich wirklich etwas ändert? Franz-Josef Möllenberg ist Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten und jetzt bei uns am Telefon. Guten Morgen, Herr Möllenberg.

Franz-Josef Möllenberg: Guten Morgen, Herr Degenhardt.

Degenhardt: Müssen wir uns etwa daran gewöhnen, dass in regelmäßigen Abständen immer wieder verdorbene Nahrungsmittel auf den Tisch kommen?

Möllenberg: Ich hoffe natürlich nicht. Und mich ärgert auch, dass eine ganze Branche in Verruf gerät, weil in dieser Branche, speziell Fleisch, mit krimineller Energie gearbeitet wird von einigen und die verdummen oder verteufeln die ganze Branche. Das ist nicht in Ordnung.

Degenhardt: Warum tut sich denn Ihrer Meinung nach die Politik so schwer dieser kriminellen Energie Einhalt zu gebieten.

Möllenberg: Wissen Sie, das, was Herr Seehofer und seine Kollegen jetzt machen, das ist auch wieder ein Stück blinder Aktionismus, wenn man also jetzt vom Pranger redet, etc. Ich habe nichts gegen einen Pranger. Aber wenn Herr Seehofer nur denjenigen an den Pranger stellen will, der die Ware in Umlauf gebracht hat, dann werden die ganzen Vertriebswege nicht aufgedeckt. Und das geht also über die Schlachthöfe, über die Großhändler bis hin in gastgewerbliche Einrichtungen, denn Dönerbuden waren ja schließlich auch betroffen und es ist in den Mägen der Verbraucherinnen und Verbraucher gelandet. Da muss dringend etwas getan werden und da muss man sehr viel früher ansetzen. Unser Vorschlag ist zum Beispiel, nicht nur das Strafmaß zu erhöhen, sondern einen Informantenschutz einzuführen. Das heißt, auch dieser neuerliche Fleischskandal in Bayern ist nicht durch Kontrollen zu Tage getreten, sondern durch anonyme Hinweise. Und wir erhoffen uns, dass wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die an Schlachthöfen, in den Handelsbetrieben einen Informantenschutz haben, wenn die also nicht um ihre Existenz fürchten müssen, dass dann also etwas auf den Weg gebracht werden kann. Wenn die Menschen also dann nicht die Angst hätten, morgen arbeitslos zu werden, die Rote Karte gezeigt zu bekommen, weil aus den Akten ihr Name hervorgeht, den Akten, die die Behörden haben, sondern dass dann für 18 Monate gezahlt werden muss. Und die, die hier eine Menge Geld verdienen, zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher, die können das also locker bezahlen. Und das wird die Hemmschwelle erheblich erhöhen.

Degenhardt: Letztendlich, Herr Möllenberg, entscheiden doch aber die Landkreise über Kontrolle oder Nichtkontrolle eben. Gibt es da eine Art Einknicken vor der ökonomischen Macht der Fleisch verarbeitenden Betriebe?

Möllenberg: Nicht nur das, auch die Kommunen, die Landkreise, die Länder und auch der Bund haben zu wenig Geld, haben an der falschen Stelle gespart. Die Kontrollen sind nicht kontinuierlich verbessert worden, unangemeldet, so wie wir das fordern, sondern die personellen Kapazitäten sind herunter gefahren worden. Da muss dringend etwas getan werden. Aber es muss ein ganzes Bündel von Maßnahmen geben: Kontrollen erhöhen, Strafmaß erhöhen und vor allen Dingen dieser Informantenschutz, von dem ich mir viel verspreche. Ich will auch sagen warum. Auch die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sich darüber im Klaren sein, es gibt einen Zusammenhang einerseits zwischen miesen Arbeitsbedingungen an Schlachthöfen oder in gastgewerblichen Einrichtungen mit Lohndumping und Verbraucherverhalten. Wer sich also als Verbraucher, als Gast, nicht darüber wundert, dass Ware ganz, ganz billig angeboten wird, und der nicht erkennt, dass es da zu Lasten der sozialen und auch der Qualitätsstandards geht, der muss sich darüber im Klaren sein, dass hier etwas nicht stimmen kann. Von daher entscheidet auch die Verbraucherin, der Verbraucher darüber, wie die Qualität der Ware ist. Und man sollte öfters nachfragen, bei seinem Fleischer an der Ecke, der im Übrigen nicht betroffen ist, bis hin zu denen, wo man letztendlich auch im Gastgewerbe verzehrt. Warum ist der Gastwirt eigentlich nicht verpflichtet, von sich aus aufzuschreiben, wo er seine Ware her bezieht? Damit auch die Menschen, die Gäste wissen, das Tier hat auf der und der Wiese gestanden und ist von dem und dem Schlachthof. Das würde das alles viel transparenter machen. Heute, die Anonymität führt dazu, dass letztendlich solche Machenschaften noch gefördert werden.

Degenhardt: Noch einmal zu den Kontrollen: Was halten Sie denn davon, wenn man die Kontrolle von Lebensmitteln gleich und ganz dem Bund überträgt?

Möllenberg: Ach wissen Sie, im Angesicht der Föderalismusreform, die wir ja gerade erlebt haben, wo man genau das Gegenteil macht, halte ich nicht viel davon. Klar ist, es muss klare Richtlinien geben. Und klar ist, dass hier nicht am falschen Ende gespart werden kann. Ich bleibe aber dabei, es ist nicht nur eine Frage der Kontrolltätigkeit. So viele Kontrolleure können sie gar nicht losschicken. Es ist auch ein Bewusstseinswandel notwendig. Und es ist, wie gesagt - da komme ich noch mal zu einem meiner Lieblingssteckenpferde - Informantenschutz notwendig. Denn wenn die Verbraucherin, Verbraucher sicher gehen will, dass wir qualitativ hochwertige Ware haben insbesondere im Fleischbereich, dann gehört dazu auch, dass man also qualifiziertes Personal hat, das ordentlich bezahlt wird und dass diejenigen, die das ja nicht freiwillig machen, mit solchem tiefgefrorenen Fleisch, nach vier Jahren es wieder heraus zu holen, dass die eben dann sagen können, halt, stopp, hier ist was nicht in Ordnung.

Degenhardt: Ist das Problem letztendlich nicht nur auch in den Griff zu kriegen, wenn es europäische Regelungen gibt? Denn Gammelfleisch aus Bayern ist ja auch ins benachbarte europäische Ausland gegangen.

Möllenberg: Herr Degenhardt, das ist immer schön, auf Europa zu schielen und dann zu warten, bis einheitliche Richtlinien in Europa kommen. Ich glaube, wir sind in einem Schlammassel. Die Aufdeckung der Fälle wiederholt sich. Hier muss dringend etwas getan werden. Das muss in Bayern geschehen genau so wie in Mecklenburg-Vorpommern. Da kann man nicht erst auf Europa warten. Mir wäre es lieb, wenn wir das gleich auf europäischer Ebene hinbekommen könnten und gleich den großen Schlag machen könnten, aber wir müssen endlich mal anfangen. Und da sind Seehofer und Schnappauf in der Pflicht. Es geht nicht darum, den schwarzen Peter immer hin und her zu schieben und letztendlich eigenes Versagen zu kaschieren. Wir hatten zum Jahreswechsel den großen Gammelfleisch-Skandal, jetzt haben wir schon wieder einen. Also irgendwo muss dieser Sumpf trocken gelegt werden.

Degenhardt: Haben Sie vielen Dank für das Gespräch. Am Telefon von Deutschlandradio Kultur war Franz-Josef Möllenberg. Er ist Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung, Genuss und Gaststätten.