New Yorks Herrin der Häuser ist tot

Von Jürgen Kalwa · 08.01.2013
Die New Yorker Architekturkritikerin Ada Louise Huxtable prägte ihre Disziplin mit Witz, Schärfe und viel Engagement - und war eine der ersten Frauen, die sich in der männerdominierten Medienwelt der USA einen Namen machte. Nun ist sie im Alter von 91 Jahren gestorben.
Die Architektur-Landschaft von Manhattan hat kaum jemand so knapp und gut auf den Punkt gebracht wie der Franzose Le Corbusier: Er nannte sie einst eine "wunderbare Katastrophe". Ein Milieu wie geschaffen für Architekturkritiker. Und tatsächlich gibt es heute von denen in New York eine ganze Reihe. Sie alle verdanken jedoch ihre Position vor allem einem Menschen: Ada Louise Huxtable. Einer kleinen selbstbewussten Frau, die Anfang der 60er-Jahre als allererste das Themenfeld konsequent in Angriff nahm. Fest angestellt von der New York Times, um von dieser Plattform aus den einflussreichen Kreisen in der Stadt auf die Finger zu schauen. "In einem historischen Moment", wie sie es nannte. "Ein erstaunliches Jahrhundert voller Veränderungen", in dem sie "eine architektonische Revolution dokumentiert" habe.

Es war mehr als nur Dokumentieren. Tatsächlich hatte Ada Louise Huxtable erheblichen Einfluss. Ihr Nachfolger bei der New York Times, Paul Goldberger, fasste dies vor ein paar Jahren in einer Würdigung so zusammen: Sie sei es gewesen, die durch ihre journalistischen Zwischenrufe das Thema Architektur von der Peripherie des amerikanischen Kulturverständnisses in den Mainstream gerückt habe.

Es hatte allerdings einen Effekt, den sie selbst bedauerte: Architektur "ist viel zu sehr Teil unserer auf berühmte Namen fixierten Kultur" geworden. Architekturkritik sei etwas ganz anderes: "Du musst dich mit dem Immobilienmarkt auskennen, mit Stadtplanung, mit den örtlichen wirtschaftlichen Interessen und natürlich mit Architekturgeschichte."

Und diese Kenntnis zeigte die Tochter eines New Yorker Arztes immer wieder - unverblümt und zugespitzt. Wie einst in jener Einschätzung eines stilistischen Ungetüms am Columbus Circle in Manhattan, das der namhafte Architekt Edward Durell Stone entworfen hatte:

""Ich habe gesagt, es sei ein aus einer Gussform stammender venezianischer Palazzo auf Dauerlutschern, was nicht sehr nett war. Aber für mich war das ein oberflächliches Gebäude. Der Mann hatte eine Formel entdeckt.”"

Stone war ein Mann, der Kritik nicht gut vertragen konnte. Einer, der das Gerücht in die Welt zu setzen versuchte, irgendetwas sei wohl mit dem Sexualleben von Mrs. Huxtable nicht in Ordnung. Da hatte sie einen anderen Entwurf des Architekten in Washington sarkastisch kommentiert: den hätte auch "Albert Speer genehmigt”.

Neben der kritischen Begleitung neuer Projekte ging es ihr stets auch um die Erhaltung wertvoller alter Gebäude. Und um New Yorks einzigen wirklich orginären Beitrag zum Weltkulturerbe - die Skyline mit dem Ensemble aus diesen vielen Wolkenkratzern.

""Wir sind jetzt mit der Aufgabe konfrontiert, Gebäude aus dem 20. Jahrhundert zu erhalten. Aber was sind die Kriterien? Mit den alten Häusern war das viel einfacher. Sie waren unersetzlich. Die konnte man nicht einfach verlieren. Das System hat große Mängel. Aber es hat auch Vorteile. Wir wissen, dass ein Gebäude seinen Unterhalt verdienen muss, wenn wir es behalten wollen. Wir legen sehr viel Wert auf eine zeitgerechte Umnutzung. Das ist brillant. Denn dadurch lebt die Vergangenheit in der Gegenwart und der Zukunft weiter. Das erhält die Kontinuität.”"

Was sie sagte, aber vor allem, was sie schrieb, fand schon früh sehr viel Beachtung. Und wurde ausgezeichnet. 1970 mit dem Pulitzer-Preis. Und 1981 mit dem Genius Award der MacArthur-Stiftung. Die Essenz all dessen stellte sie 2008 in einem 500 Seiten starken Sammelband zusammen - Titel: "On Architecture". Es ist ihr Vermächtnis.

Auch danach mischte sie sich weiterhin in aktuelle Debatten ein. Etwa im Dezember, als sie im Wall Street Journal eine New Yorker Institution kritisierte. Die Public Library, deren Hauptgebäude in Midtown Manhattan renoviert werden soll. "Ein Meisterwerk bringt man nicht auf den neuesten Stand", schrieb sie. "‘Modernisierung' ist vermutlich das am gefährlichsten missbrauchte Wort der englischen Sprache."