New York zeigt Bilder von Terrorverdächtigen

Kunst aus Guantanamo

Ausstellung Guantanamo-Häftlinge New York
Ohne den Kontext hätten die Amateurbilder nicht für so viel Aufregung gesorgt. © imago/ZUMA Press
Von Kai Clement · 29.11.2017
"Ode an die See" – so heißt eine Ausstellung in New York, in der 35 Bilder und Exponate von Gefangenen und früheren Häftlingen von Guantanamo gezeigt werden. Es ist eine Ausstellung, die Kritik auslöst und Fragen aufwirft.
Was so würdevoll "Presidential Gallery" heißt, ist tatsächlich nur der Flur auf dem Weg zum Büro des Dekans in dieser Fachabteilung für Kriminologie der New Yorker Stadt-Uni. 35 Bilder und Exponate säumen nun noch bis Ende Januar die Gänge. Voraussichtlich. Es sei denn, das Militär greift ein.
"Ich habe noch nichts direkt von den Behörden gehört. Aber das Pentagon hat Reportern jetzt erklärt, dass alle Kunst aus Guantanamo Regierungsbesitz ist und dass es jetzt eine neue Regel gibt: Kunst darf Guantanamo nun nicht mehr verlassen."
Kuratorin und Jura-Professorin Erin Thompson hat die Ausstellung zusammengetragen. Die ist tief in den Innereien des Gebäudes versteckt und hat dennoch von Miami über London bis München ein erstaunliches Echo ausgelöst. Schließlich sind es Bilder von Terrorverdächtigen. Bilder aus einem juristischen Niemandsland. Bilder, kontrolliert und abgestempelt von Militärzensoren.

Fast 15 Jahre interniert

"Wenn ich die Gefangenen fragte, warum wollen sie ihre Kunst zeigen, dann sagten die: damit man versteht, dass wir menschliche Wesen sind. Ich dachte, das ist doch ein geradezu winziges Ziel. Natürlich sind es menschliche Wesen."
Muhammad Ansi war fast 15 Jahre interniert. Der Jemenit, Gefangenennummer 029, wurde im Januar in den Oman überführt. Er hat den ertrunkenen Flüchtlingsjungen Alan Kurdi gemalt. Die Titanic. Hände, die Blumen halten. Ein fliegendes Herz. Strittige, politisch kontroverse Werke dürfen das Lager nicht verlassen. Andere konnten die Gefangenen - bislang zumindest - zum Beispiel ihren Anwälten mitgeben.
Häftlinge im US-Gefangenenlager Guantanamo
Guantanamo im Jahr 2007© dpa / picture alliance / epa afp Mccoy
Kein Ende für Guantanamo Bay. Vollstopfen werde man das US-Militärgefängnis auf Kuba mit den üblen Kerlen, so Donald Trump im Wahlkampf.
Noch immer hält die US-Regierung dort 41 Männer fest. Trumps Vorgänger Obama ist gescheitert, dieses im sogenannten "Kampf gegen den Terror" gefüllte Lager, dieses Gefängnis ohne Gefangenenrechte zu schließen.

Mit Stempel und beglaubigter Herkunft

Und so ist die Ausstellung natürlich keine reine Ausstellung. Ohne die per Stempel beglaubigte Herkunft Guantanamo wären die Amateurbilder keinen Besuch wert. Es ist ihre Geschichte, ihr Kontext, der sie zum Thema macht.
"Hier an diesem College studieren wir Terrorismus. Um ihn zu verstehen, braucht es Informationen. Wenn man sich die Bilder auf Hinweise angucken will, was einen Terroristen ausmacht, kann man das machen. Wenn man nach Hinweisen sucht, was mit zu Unrecht Eingesperrten passiert - kann man das auch machen."
Professorin Thompson versichert: verkauft würden ausschließlich Bilder von Gefangenen, die inzwischen entlassen sind. Nicht aber die von denen, die noch einsitzen.
David ist zusammen mit seiner Frau gekommen.
"Die sagen etwas über die Kraft des menschlichen Geistes aus. Unter solchen Bedingungen leben zu müssen. Zu Unrecht, wie ich glaube. All die Jahre. Und doch diese Kreativität zu haben, die Hoffnung und den Glauben, etwas Künstlerisches zu schaffen."

Eine Kränkung für Hinterbliebene?

Nach den Anschlägen auf das World Trade Center hat die US-Regierung in Guatanamo fast 780 Menschen eingesperrt. David will nicht ausschließen, dass die Ausstellung für Überlebende von 9/11 oder Angehörige von Opfern eine Kränkung darstellt.
Erin Thompson dagegen hat in einem Fall sogar das Gegenteil erlebt.
"Die überraschendste Unterstützung für mich war ein Anruf von 9/11-Witwen. Sie wollten sie bedanken, dass die Ausstellung die Aufmerksamkeit auf Guantanamo lenkt. Sie wollen Gerechtigkeit. Und sie wissen, dass die dort ohne Prozess einsitzenden Männer dem Kampf um Gerechtigkeit nicht nutzen."
Ode an die See, heißt die Ausstellung mit all ihren Motiven von Wasser und Wellen und Schiffsmodellen sogar.
"Diese Männer waren - manche für 15 Jahre - nur ein paar Meter vom Meer entfernt gefangen. Und hatten doch keine Chance es zu sehen. Und so ist das Meer das Symbol von Freiheit. Von Sehnsucht."
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