New York der Exzentriker
Gerne nutzte Joseph Mitchell kuriose Charaktere, die er in Kneipen aufspürte, als Protagonisten seiner Reportagen. Bevor er 1938 zum Magazin "The New Yorker" kam, schrieb er für diverse Tageszeitungen der US-Metropole. Diese nostalgisch machenden Texte sind nun auf Deutsch erschienen.
Dass Joseph Mitchell Reportagen zu Bestsellern geworden wären, kann man nicht behaupten, aber "McSorley’s Wonderful Saloon" und "Zwischen den Flüssen" gehören zweifellos zu den besten Büchern der letzten Jahre. Jetzt legt der Diaphanes Verlag nach und veröffentlicht mit "New York Reporter" eine Sammlung von Artikeln, die Mitchell für verschiedene Tageszeitungen schrieb, bevor er 1938 dann zum "The New Yorker" wechselte.
Diese Tageszeitungsbeiträge sind naturgemäß viel kürzer als die Reportagen, fürs Wochenmagazin, die Themen aber sind die gleichen. Joseph Mitchells Neugier galt zeitlebens den Exzentrikern. Er liebte das Kneipenleben vor und nach der Prohibitionszeit und traf in den Lokalen und Flüsterkneipen New Yorks auf zahllose kuriose, der Beschreibung werte Charaktere, wie gleich der erste und längste Text des Bandes zeigt. Darin zeichnet Mitchell das Leben in "Dick's Bar und Grill" mit kräftigen Farben. Aber nicht nur das Leben, auch der Tod hat hier seinen Platz. Ein Mr. Friedmann etwa fällt vom Barhocker, japst, und kurz, bevor er stirbt, blickt er zu den Gästen hoch, "die sich mit ihren Gläsern in der Hand um ihn versammelt hatten, und sagte: ,Heut abend hatte ich zweiunddreißig Bier'. Das waren seine letzten Worte."
Diese Tageszeitungsbeiträge sind naturgemäß viel kürzer als die Reportagen, fürs Wochenmagazin, die Themen aber sind die gleichen. Joseph Mitchells Neugier galt zeitlebens den Exzentrikern. Er liebte das Kneipenleben vor und nach der Prohibitionszeit und traf in den Lokalen und Flüsterkneipen New Yorks auf zahllose kuriose, der Beschreibung werte Charaktere, wie gleich der erste und längste Text des Bandes zeigt. Darin zeichnet Mitchell das Leben in "Dick's Bar und Grill" mit kräftigen Farben. Aber nicht nur das Leben, auch der Tod hat hier seinen Platz. Ein Mr. Friedmann etwa fällt vom Barhocker, japst, und kurz, bevor er stirbt, blickt er zu den Gästen hoch, "die sich mit ihren Gläsern in der Hand um ihn versammelt hatten, und sagte: ,Heut abend hatte ich zweiunddreißig Bier'. Das waren seine letzten Worte."
Ungeschminkt, bildreich, vulgär
Es ist typisch für Mitchells Erzählweise, dass er seine Figuren ausführlich zu Wort kommen lässt, ja manche seiner Texte bestehen fasst nur aus Figurenrede. Mitchell war ein großer Zuhörer, stundenlang ließ er sich von Stripteasetänzerinnen, Karikaturisten oder Fächermanufakteuren ihre Lebensgeschichte schildern. Im Vorwort schreibt er, dass die größte Freude seiner Arbeit allerdings nicht die Geschichten selbst sind, die er zu hören bekommt, sondern die Art, wie sie erzählt werden. Er liebt das ungeschminkte, bildreiche, zuweilen vulgäre Englisch der Großstadt und hat keine Scheu, es niederzuschreiben.
Für deutsche Leser geht hier zweifellos einiges verloren. Die beiden Übersetzer haben sich zwar redlich bemüht, umgangssprachliche Entsprechungen zu finden, aber was im Englischen schnell und treffend ist, wirkt im Deutschen doch nicht selten behäbig und bemüht. Es hätte wohl einen echten Dichter gebraucht, um diesen Reporter-Dichter zu übersetzen. Nichtsdestotrotz ist es nach wie vor ein Vergnügen, Mitchell bei seinen Streifzügen durch New York zu begleiten. Mit ihm den Hootchy-kootchy-Tanz zu erleben oder den Austernfischern bei ihrer Arbeit zuzusehen, mit ihm an Partys in Harlem teilzunehmen und falsche Propheten zu besuchen, die ihre Anhänger auf dem Land für sich schuften lassen, während sie selbst im Rolls-Royce durch Manhattan schaukeln.
Ein bisschen nostalgisch wird man beim Lesen dieser Geschichten, denn es scheint eine andere, vergangene Welt zu sein, eine in der das Leben reicher, tiefer, voller war. Und in der man auch mal zweiunddreißig Biere trank.
Besprochen von Tobias Lehmkuhl
Für deutsche Leser geht hier zweifellos einiges verloren. Die beiden Übersetzer haben sich zwar redlich bemüht, umgangssprachliche Entsprechungen zu finden, aber was im Englischen schnell und treffend ist, wirkt im Deutschen doch nicht selten behäbig und bemüht. Es hätte wohl einen echten Dichter gebraucht, um diesen Reporter-Dichter zu übersetzen. Nichtsdestotrotz ist es nach wie vor ein Vergnügen, Mitchell bei seinen Streifzügen durch New York zu begleiten. Mit ihm den Hootchy-kootchy-Tanz zu erleben oder den Austernfischern bei ihrer Arbeit zuzusehen, mit ihm an Partys in Harlem teilzunehmen und falsche Propheten zu besuchen, die ihre Anhänger auf dem Land für sich schuften lassen, während sie selbst im Rolls-Royce durch Manhattan schaukeln.
Ein bisschen nostalgisch wird man beim Lesen dieser Geschichten, denn es scheint eine andere, vergangene Welt zu sein, eine in der das Leben reicher, tiefer, voller war. Und in der man auch mal zweiunddreißig Biere trank.
Besprochen von Tobias Lehmkuhl
Joseph Mitchell: New York Reporter. Aus der größten Stadt der Welt
Übersetzt von Sven Koch und Andrea Stumpf
Diaphanes Verlag, Zürich 2013
344 Seiten, 22,95 Euro
Übersetzt von Sven Koch und Andrea Stumpf
Diaphanes Verlag, Zürich 2013
344 Seiten, 22,95 Euro