Neuverfilmung

Effekte bis zum Edelkitsch

Lea Seydoux als Belle in einer Szene des Kinofilms "Die Schöne und das Biest"
Lea Seydoux als Belle in einer Szene des Kinofilms "Die Schöne und das Biest" © Concorde Filmverleih
Von Hannelore Heider · 30.04.2014
Christophe Gans erzählt diese französische Volkssage in allen Handlungssträngen, so dass man auch den Grund für die Verwandlung des Prinzen in ein Biest erfährt. Der Film ist ein Wunderwerk an Fantasie und technischem Know-how, die Wirkung entspricht nicht ganz dem Aufwand.
Diese klassische, 45 Millionen Euro teure Verfilmung einer französischen Volkssage, die Gabrielle-Susanne de Villeneuve 1740 erstmals aufschrieb, ist das totale Kontrastprogramm zu Disneys bekanntem Märchenfilm. Regisseur Christophe Gans hält sich eng an die Vorlage, die im Jahr 1810 angesiedelt ist und erzählt in der Tradition europäischer Kunstmärchen mit stilistischen Anleihen an die Neogotik oder Schwarze Romantik.
Gans bezieht sich sowohl auf "Hoffmanns Erzählungen" als auch auf das expressionistischen Kino der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit allem verfügbaren und Hollywood durchaus gleichwertigen digitalem Einsatz entstehen drastische Effekte und hochfliegende Emotionen bis hin zum Edelkitsch. So schafft er für das Schloss, in dem noch nicht das Biest haust, sondern noch ein eitler, egoistischer Prinz, eine ganz und gar - wie er sagt - "erfundene Version der Renaissance".
Als prunkvolle Behausung für das Biest aber ist daraus eine düstere, dornige Burg geworden und die Rosen, die einst Anlass für die Geschichte waren, haben ihren Duft verloren.
Christophe Gans erzählt das Märchen in all seinen Handlungssträngen, so dass man auch den Grund für die Verwandlung des Prinzen in ein Biest erfährt. In einer völlig künstlichen Welt agieren nur die Menschen lebendig, was besonders für Belle gilt, die von Léa Seydoux sinnlich und natürlich gespielt wird. Sie und nicht das Biest - wie bei Cocteau - steht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Dadurch aber wird besonders auffällig, dass Belles Gefühlswandlung von Abwehr in Liebe für den Prinzen unglaubhaft bleibt, selbst wenn Vincent Cassel dieser Kreatur den Nimbus von Abscheu und Faszination perfekt verleiht.
Die für seine Doppelrolle als Prinz und Biest nötige Verwandlung allerdings meistern die französischen Computergenies und die Babelsberger Kostüm- und Kulissenbauer glänzend. Der Film ist ein Wunderwerk an Fantasie und technischem Know-how. Hier zeigt das Kino bis hin zu monströs computer- animierten Riesen wirklich alles, was es kann.
Die Wirkung allerdings entspricht nicht ganz dem Aufwand. Das beginnt damit, dass die erste halbe Stunde mit einer ausufernden Davor-Erzählung über die verarmte Adelsfamilie vergeht, ohne dass das Biest überhaupt auftaucht. Christophe Gans wollte einen Familienfilm drehen. Für Kinder scheint die Geduld überstrapaziert, echte Filmfans dagegen bekommen einen Augenschmaus!
Frankreich/BRD 2013; Drehbuch & Regie: Christophe Gans; Kamera: Christophe Beaucarne, Darsteller: Léa Seydoux, Vincent Cassel, Yvonne Catterfeld, André Dussolier u.a.; 112 Minuten, FSK: o.A.