Neustart bei Kitas in Sachsen

Hygieneregeln für Kleinkinder - und wie läuft das so?!

06:47 Minuten
Kinder sitzen im Rahmen der Notbetreuung in einem Kindergarten in Sachsen während des Mittagessens an einem Tisch.
Wieder zusammen: In Sachsen sind die Kindergärten geöffnet, doch es fehlt an ausreichend Personal. © picture alliance/dpa/Sebastian Kahnert
Von Bastian Brandau · 18.05.2020
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Bundesweit öffnen die Kindergärten wieder - und die Eltern atmen auf. Doch die erhoffte Normalität unterscheidet sich je nach Bundesland. Besonders weit geht Sachsen, wo alle Kinder nach einem speziellen Konzept wieder betreut werden.
Auf einem Dresdner Spielplatz am Wochenende. Dass Sachsen als erstes Bundesland wieder die Kindergärten für alle öffnet, ist Gesprächsthema Nummer eins zwischen Rutsche und Sandkasten.
"Er geht seit drei Wochen wieder in die Kita. Ist auch wichtig, dass die Kinder wieder in die Kita können."
Da sind diejenigen, deren Kinder seit Wochen in der Notbetreuung versorgt werden und für die jetzt nur die Gruppen deutlich größer werden. Aber nicht alle sehen das so:
"Tatsächlich schicken wir ihn nicht in die Kita."

Abwägung zwischen unterschiedlichen Interessen

Sie habe noch Urlaub, sagt dagegen diese Mutter und wolle erst einmal abwarten. Aber sie habe natürlich auch Angst vor einer möglichen Ansteckung.
"Gerade bei Kindern, die auch keinerlei Symptome zeigen oder wenige Symptome."
Auch wer eine besonders gefährdete Person in der Familie hat, lässt sein Kind heute lieber zu Hause. Viele aber haben berufsbedingt kaum eine Wahl. Man habe zwischen unterschiedlichen Interessen der Eltern, der Arbeitgeber und der Kinder abwägen müssen, verteidigt Kultusminister Christian Piwarz die neue Regelung:
"Wir sind von der Maßgabe geleitet, dass wir gerade kleinen Kindern, kleineren Kindern, Betreuung, Bildung in besonderer Art und Weise näher bringen müssen und dass das in den Einrichtungen passieren muss. Wir sind auch von der Maßgabe geleitet, dass wir wissen, dass es gerade kleineren Kindern schwerfällt, Abstandsregeln einzuhalten, dass es schwerfällt, ihnen deutlich zu machen: Sie können zwar vielleicht ihren Gruppen- oder Klassenkameraden sehen, sie können aber nicht mit ihm spielen, nicht mit ihnen interagieren."

Feste Gruppen, strikt voneinander getrennt

Abstand halten – das sei Kindern im Kindergartenalter schlicht nicht zu vermitteln. In allen sächsischen Kitas sollen darum feste Gruppen gebildet werden, strikt voneinander getrennt. Mitentwickelt hat das Konzept der Infektiologe Reiner Berner von der Uniklinik Dresden:
"Wir glauben, dass wir die vor uns liegenden Wochen, das heißt also zehn Wochen, die vielleicht vor den Sommerferien noch vor uns sind, rasch nutzen müssen, und zwar wirklich rasch nutzen müssen, um diese Konzepte, diese Modelle, die wir jetzt entwickelt haben, auch auszuprobieren, auf den Prüfstand zu stellen und auch die Möglichkeit haben, Fehler zu machen. Wir werden diese Fehler machen. Wir werden diese Fehler korrigieren müssen. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass wir jetzt die Zeit und jetzt die Gelegenheit haben, diese Fehler zu machen und zu korrigieren. Und ich bin auch davon überzeugt, diese Zeit werden wir im Herbst nicht mehr haben."
Denn auf Dauer sei es nicht zumutbar, dass nur ein Teil der Kinder in die Kitas gehen dürfe. Also brauche es ein Konzept für alle.
"Der Vorteil, den wir uns ein Stück weit erhoffen von diesen festen Gruppen, die untereinander nicht durchmischt sind, dass es deutlich weniger Kontaktpersonen in den anderen Bereichen gibt. Das heißt, es besteht auch die Möglichkeit, dass nur die Kinder der Gruppe in die Quarantäne gehen, aber möglicherweise die Kita insgesamt geöffnet bleibt."

Symptomfrei - zumindest auf dem Papier

Eltern spielen in dem neuen Konzept eine wichtige Rolle. Sie müssen jeden Tag unterschreiben, dass die Kinder und die Familie frei sind von Covid-19-Symptomen.
Symptomfrei heißt aber nicht Virus-frei. Und wie soll das logistisch funktionieren? Wenn die Kinder nur in Kontakt mit einem Erzieher oder einer Erzieherin kommen sollen – wie können diese gleichzeitig am Eingang Kinder in Empfang nehmen, die Unterschriften der Eltern kontrollieren und sich mit den bereits angekommenen Kindern beschäftigen?
Geradezu überrumpelt fühlt man sich bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Astrid Axmann, stellvertretende Landesvorsitzende und Erzieherin:
"Wir haben vor der Coronapandemie schon extrem mit Personal- und Kräftemangel zu tun gehabt. Mit dem vom Sächsischen Staatsministerium für Kultus vorgestellten Konzept und der festen Zuordnung von pädagogischen Fachkräften zu betreuenden Kindern ist rein rechnerisch zu wenig Personal in den Einrichtungen."
Weil Fachkräfte fehlen und der Aufwand größer wird, bedeuten die neuen Regelungen für viele Kitas verkürzte Betreuungszeiten. In vielen Kitas wurde umgeräumt, denn auch so etwas wie gemeinsame Essensräume darf es nicht mehr geben.
Und: Die neuen Regeln sind das vorläufige Ende aller offenen Konzepte. Es stellten sich viele praktische Fragen, sagt Olaf Bogdan, Erzieher und Vorsitzender des Personalrates der Kindertageseinrichtungen der Stadt Dresden. Etwa wenn Gruppen, weil sie den anderen Gruppen nicht begegnen dürfen, gestaffelt auf Toilette gehen müssen.
"Und dann hat sich der kleine Philipp aber schon in die Hose gemacht, was dann wieder einen nächsten Arbeitsschritt für die pädagogische Fachkraft zur Folge hat, die dann natürlich die Sachen tauschen muss. Es ist schwierig nach der Vorgabe vom Kultusministerium. Es gibt eine pädagogische Fachkraft, die dauerhaft in der Gruppe ist. Wenn wir jetzt große Gruppen haben mit 18 bis 22 Kindern, wenn da drei Kinder gleichzeitig einpullern, weil sie bloß gestaffelt auf Toilette gehen können, ist es eine ziemliche Herausforderung."

Ein spezieller Modus - aber nicht von unendlicher Dauer

Das würde auch Bildungsminister Piwarz nicht abstreiten. Er ist trotz aller Kritik, die auf politischer Ebene etwa die Linkspartei übt, überzeugt von seinem Konzept:
"Es ist keine Sache, die für unendliche Dauer angelegt ist, sondern solange wir uns in diesem speziellen Modus bewegen werden. Ich bitte darum die Kitas, die jetzt in dieser offenen Arbeit beschäftigt sind und da gute Erfahrungen gemacht haben für die Zeit jetzt, darüber nachzudenken, wie sie das so einschränken können, dass unsere Vorgaben erfüllt werden, damit Kinder wieder betreut werden können."
"Ich bin gespannt, wie lange die Kitas dann geöffnet sind", fragt sich allerdings eine Dresdner Mutter. Sie hat ihr Kind heute zum ersten Mal wieder in die Kita gebracht.
"Wir können uns vorstellen, dass sobald dann irgendwie eine Krankmeldung kommt, dass das dann alles gleich wieder dicht gemacht wird. Von daher freuen wir uns, dass es wieder losgeht und sind gespannt wie lange dann."
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