neunzehn fünfundvierzig - Flucht und Vertreibung (10)
Vor 60 Jahren wurden die letzten Schlachten des Zweiten Weltkrieges geschlagen. Im Frühjahr 1945 ist die Eroberung Deutschlands durch die Armeen der Alliierten in vollem Gange. Millionen Deutsche sind auf der Flucht.
"Wir ahnten noch nicht, dass dieser Wahnsinnsmontag, dieser 7. Mai 45, der Tag "X" für die Tschechen war, an dem sie mit ihrer Rache begannen. Sie verdrehten als erstes alle Wegweiser und standen höhnisch grinsend an den Straßen, wenn wir im Kreise fuhren. "
Lieselotte Klopp, Rothwasser im Sudetenland. In der Endphase des Krieges und nach der Besetzung durch die sowjetische Armee haben die Tschechen die Kontrolle übernommen. Es beginnt die Phase der so genannten "Wilden Vertreibungen"; sie dauert knapp drei Monate. Die Bäckereiverkäuferin Sonja Hohmann aus Wernsdorf bei Brüx notiert am 14. Juni in ihrem Tagebuch:
"Das halbe Dorf wurde leer gemacht. Alte Leutchen, die niemandem etwas zuleide getan hatten, Frauen mit Kindern, deren Mann noch nicht aus dem Krieg zurückgekommen war, alles Leute, die irgendwie im Wege waren, unnötige, die nicht mehr arbeiten konnten, oder auf deren Wohnung es gerade jemand abgesehen hatte.
Die Kinder sind von jeglichem Schulbesuch ausgeschlossen. Lokalbesuche sind nicht gestattet, jedes gesellschaftliche Leben erstirbt für uns. "
Erinnert sich Ingeborg Rossberger aus Frankenstadt bei Mährisch-Schönberg.
"Am 3. August hatten wir zum letzten Mal heimlich Radio (Beromünster) gehört.
Betroffen nahmen wir die Vereinbarungen der Alliierten im Potsdamer Abkommen zur Kenntnis: Die Sudetendeutschen werden "in humaner Weise mit ihrer beweglichen Habe" umgesiedelt. "
Der Beschluss der Potsdamer Konferenz,... die zweite Phase…
"Ich war dazu erkoren, die Rolle des Unglücksboten zu spielen. "
Rudolf Pöhlig, damals 13 Jahre alt.
"Fred und Klaus, zwei meiner Schulfreunde, waren gemeinsam mit mir zum tschechischen Kommissar beordert worden. Zunächst hieß es ruhig sein und warten. Als sich die Tür zum Büro endlich öffnete, stand der tschechische Kommissar an der Schwelle. Der Mann kam unerwartet leutselig auf uns Kinder zu, hielt jedem einen Packen Zettel entgegen und sagte nur kurz: "Fier Ober-, Mittel- und Unterdorf. Abgeben bei Leute persönlich. Ist ganz dringend! Kapiert?" Wir nickten. "
Rudolf Pöhlig verteilt, ohne es zunächst zu wissen, die Ausweisungsbefehle
Karl Maly aus Troppau, damals 15 Jahre alt, wird im Sommer 1945 zum Arbeitseinsatz bei einem Bauern geschickt. Eines Tages macht er eine Beobachtung, die ihm vor Augen führt, dass er seine Heimat verlassen muss.
"Da sahen wir plötzlich, wie ein Zug mit offenen Viehwaggons vorbeifährt, in den stehend Menschen hereingepfercht waren, die langsam an uns vorbeirollten. Eine apathische Masse, die da im Zug war. Und da ging mir zum ersten Mal auf, was uns vielleicht blüht, dass die uns alle auf die Art und Weise irgendwohin entsorgen wollen. "
"Im August 1946 kam die Benachrichtigung, dass wir ausgesiedelt werden. Ich empfand das als große Erleichterung. Obwohl wir noch nicht aus dem Lande waren, hatte man wieder ein Gefühl von Sicherheit. "
Erinnert sich Georg Ruprecht. In einem Güterwagen verlässt er am 26 August Mährisch-Schönberg.
"Bald setzte sich der Zug in Bewegung, der Abschied war gekommen. Es wurde still im Wagen, besonders als wir von den Angerwiesen den letzten Blick auf die Stadt hatten, einen ausnehmend schönen noch dazu. Für meine Eltern war das eine schwere Stunde. Ich empfand zwar auch die Schönheit unserer Heimat und hatte noch dazu das Gefühl, sie nie wiederzusehen. Doch alles wurde überlagert von dem Gedanken: Jetzt kommst du raus. "
Lieselotte Klopp, Rothwasser im Sudetenland. In der Endphase des Krieges und nach der Besetzung durch die sowjetische Armee haben die Tschechen die Kontrolle übernommen. Es beginnt die Phase der so genannten "Wilden Vertreibungen"; sie dauert knapp drei Monate. Die Bäckereiverkäuferin Sonja Hohmann aus Wernsdorf bei Brüx notiert am 14. Juni in ihrem Tagebuch:
"Das halbe Dorf wurde leer gemacht. Alte Leutchen, die niemandem etwas zuleide getan hatten, Frauen mit Kindern, deren Mann noch nicht aus dem Krieg zurückgekommen war, alles Leute, die irgendwie im Wege waren, unnötige, die nicht mehr arbeiten konnten, oder auf deren Wohnung es gerade jemand abgesehen hatte.
Die Kinder sind von jeglichem Schulbesuch ausgeschlossen. Lokalbesuche sind nicht gestattet, jedes gesellschaftliche Leben erstirbt für uns. "
Erinnert sich Ingeborg Rossberger aus Frankenstadt bei Mährisch-Schönberg.
"Am 3. August hatten wir zum letzten Mal heimlich Radio (Beromünster) gehört.
Betroffen nahmen wir die Vereinbarungen der Alliierten im Potsdamer Abkommen zur Kenntnis: Die Sudetendeutschen werden "in humaner Weise mit ihrer beweglichen Habe" umgesiedelt. "
Der Beschluss der Potsdamer Konferenz,... die zweite Phase…
"Ich war dazu erkoren, die Rolle des Unglücksboten zu spielen. "
Rudolf Pöhlig, damals 13 Jahre alt.
"Fred und Klaus, zwei meiner Schulfreunde, waren gemeinsam mit mir zum tschechischen Kommissar beordert worden. Zunächst hieß es ruhig sein und warten. Als sich die Tür zum Büro endlich öffnete, stand der tschechische Kommissar an der Schwelle. Der Mann kam unerwartet leutselig auf uns Kinder zu, hielt jedem einen Packen Zettel entgegen und sagte nur kurz: "Fier Ober-, Mittel- und Unterdorf. Abgeben bei Leute persönlich. Ist ganz dringend! Kapiert?" Wir nickten. "
Rudolf Pöhlig verteilt, ohne es zunächst zu wissen, die Ausweisungsbefehle
Karl Maly aus Troppau, damals 15 Jahre alt, wird im Sommer 1945 zum Arbeitseinsatz bei einem Bauern geschickt. Eines Tages macht er eine Beobachtung, die ihm vor Augen führt, dass er seine Heimat verlassen muss.
"Da sahen wir plötzlich, wie ein Zug mit offenen Viehwaggons vorbeifährt, in den stehend Menschen hereingepfercht waren, die langsam an uns vorbeirollten. Eine apathische Masse, die da im Zug war. Und da ging mir zum ersten Mal auf, was uns vielleicht blüht, dass die uns alle auf die Art und Weise irgendwohin entsorgen wollen. "
"Im August 1946 kam die Benachrichtigung, dass wir ausgesiedelt werden. Ich empfand das als große Erleichterung. Obwohl wir noch nicht aus dem Lande waren, hatte man wieder ein Gefühl von Sicherheit. "
Erinnert sich Georg Ruprecht. In einem Güterwagen verlässt er am 26 August Mährisch-Schönberg.
"Bald setzte sich der Zug in Bewegung, der Abschied war gekommen. Es wurde still im Wagen, besonders als wir von den Angerwiesen den letzten Blick auf die Stadt hatten, einen ausnehmend schönen noch dazu. Für meine Eltern war das eine schwere Stunde. Ich empfand zwar auch die Schönheit unserer Heimat und hatte noch dazu das Gefühl, sie nie wiederzusehen. Doch alles wurde überlagert von dem Gedanken: Jetzt kommst du raus. "