neunzehn fünfundvierzig - Flucht und Vertreibung (6)
Vor 60 Jahren wurden die letzten Schlachten des Zweiten Weltkrieges geschlagen. Im Frühjahr 1945 ist die Eroberung Deutschlands durch die Armeen der Alliierten in vollem Gange. Im Osten stehen sowjetische Truppen vor Danzig und Königsberg. Millionen Deutsche sind auf der Flucht nach Westen.
"Zwischen sechs und sieben Uhr abends sahen wir die ersten Russen auf der Straße, und im Nu wimmelte es von ihnen und ihren Gespannen, zwischen vielen toten Pferden von den letzten Kämpfen. Wir gingen in die Klinik, um zu sehen, wie es dort stand. Schon auf dem kurzen Weg wurden uns Uhren und Schmuck abgenommen. Ein Russe riss Fritz die Brille von der Nase, als er sich wehren wollte, legte der Russe sofort sein Gewehr an. "
Susanna Müller, die Frau eines Arztes in Königsberg, über ihre erste Begegnung mit Soldaten der Roten Armee.
Willy Karting erinnert sich auch heute noch - mit 75 Jahren - gut an den März 1945:
"Als die ersten Russen reinkamen - die waren sogar sehr freundlich. Die haben sogar Kindern Schokolade gegeben. Ich sehe das so: Dass da die kämpfende Truppe war, die suchten nur nach Soldaten. "Germanski soldat", hieß es nur immer. Die nächsten hatten ja Zeit, und die gingen ja auch an die Frauen ran und an die Mädchen. "
"Bei denen war so ein kleiner Leutnant mit einem weißen Schafspelz, der konnte fließend Deutsch. "
Marta Pede über ihre erste Begegnung mit Rotarmisten:
"Er saß in der Küche am Tisch und hat sich mit uns unterhalten, während die anderen räuberten. Ich fragte ihn, ob es noch schlimmer kommen könne, als es schon sei. Da zuckte er die schmalen Schultern und meinte, dies sei erst der Anfang."
"Aber diese, die danach kamen, das waren richtige Horden. Neben mir lag ein junges Mädchen, und die hat sich dann auch gewehrt und gesagt: Ich komm nicht mit, ich war schon dreimal. Hat mit dem Fuß aufgestampft und hat gesagt: Es ist Schluss. Und dann hat er sie rausgezerrt, nach draußen, und dann, am anderen Morgen, haben wir sie gefunden, mit dem Gewehrkolben erschlagen. "
So erinnert sich Elisabeth Fechter aus Königsberg, damals 13 Jahre alt. Über diese "zweite Welle" der Roten Armee wird fast nur noch Schreckliches berichtet. Erika Jonas erlebt sie in Tuchlinnen:
"Bald danach kam der nächste Trupp, in Filzstiefeln und weißen, blutverschmierten Schneehemden. Sie waren so grausam, wie sie aussahen, holten mehrere Männer aus dem Haus und erschossen sie im Hof. "
Der evangelische Pfarrer Ernst Diebel erlebt im oberschlesischen Ratibor den Einmarsch, am Karsamstag, dem 31. März 1945. Er notiert später:
"Ostermontag wird die Kirche geschändet, der Altar mit Kot verunreinigt, das Altargemälde zerschnitten, die Leuchter zerbrochen, das Altarkreuz zerschossen. Eine junge Frau sucht im Pfarrhaus Zuflucht. Ihre Verfolger wollen sie vor unseren Augen vergewaltigen. Wir stoßen ohne Unterbrechung den Hilferuf aus: Herr, erbarme dich! Herr, erbarme dich! Und immer lauter und beschwörender. Die Übeltäter lassen ab. "
Alma Jelitte aus Schönwald in Oberschlesien wird mit ihren Kindern und anderen Flüchtlingen auf dem Treck von der Roten Armee überrollt und ist auf dem Wege zurück in ihren Heimatort. Hungrig passiert die kleine Gruppe ein sowjetisches Militärlager.
"Mit unseren vier Jüngsten an der Hand ging ich auf die Wache am Lagereingang zu, und mit Zeichensprache versuchte ich, dem Wachhabenden verständlich zu machen, wie hungrig wir waren. Inzwischen war ein Offizier gekommen, der deutsch sprach. Er forschte uns aus. Ich sagte, dass wir noch weitere sieben Personen auf der Straße seien. Da ging er in die Küche, kommandierte auf russisch und siehe da, wir bekamen einen großen Topf voll Suppe mit Fleisch und Graupen drin. Er kam mit uns, er sah ja, dass wir auf der Straße lagen. Wir 7 hatten sich auf einem Treppenaufgang am Haus niedergelassen. Da nahm er uns noch einmal mit in die Küche zurück. Wir bekamen Teller und Löffel und sogar Handtücher und noch einen Topf Suppe. Er half mir noch tragen. Als wir schon beim Abfahren waren, kam noch ein Soldat und brachte uns einen Laib Brot. Wir dankten ihm und ich im Stillen auch Gott für soviel Hilfe von Menschen, die unser Volk bekämpft hatte. "
Susanna Müller, die Frau eines Arztes in Königsberg, über ihre erste Begegnung mit Soldaten der Roten Armee.
Willy Karting erinnert sich auch heute noch - mit 75 Jahren - gut an den März 1945:
"Als die ersten Russen reinkamen - die waren sogar sehr freundlich. Die haben sogar Kindern Schokolade gegeben. Ich sehe das so: Dass da die kämpfende Truppe war, die suchten nur nach Soldaten. "Germanski soldat", hieß es nur immer. Die nächsten hatten ja Zeit, und die gingen ja auch an die Frauen ran und an die Mädchen. "
"Bei denen war so ein kleiner Leutnant mit einem weißen Schafspelz, der konnte fließend Deutsch. "
Marta Pede über ihre erste Begegnung mit Rotarmisten:
"Er saß in der Küche am Tisch und hat sich mit uns unterhalten, während die anderen räuberten. Ich fragte ihn, ob es noch schlimmer kommen könne, als es schon sei. Da zuckte er die schmalen Schultern und meinte, dies sei erst der Anfang."
"Aber diese, die danach kamen, das waren richtige Horden. Neben mir lag ein junges Mädchen, und die hat sich dann auch gewehrt und gesagt: Ich komm nicht mit, ich war schon dreimal. Hat mit dem Fuß aufgestampft und hat gesagt: Es ist Schluss. Und dann hat er sie rausgezerrt, nach draußen, und dann, am anderen Morgen, haben wir sie gefunden, mit dem Gewehrkolben erschlagen. "
So erinnert sich Elisabeth Fechter aus Königsberg, damals 13 Jahre alt. Über diese "zweite Welle" der Roten Armee wird fast nur noch Schreckliches berichtet. Erika Jonas erlebt sie in Tuchlinnen:
"Bald danach kam der nächste Trupp, in Filzstiefeln und weißen, blutverschmierten Schneehemden. Sie waren so grausam, wie sie aussahen, holten mehrere Männer aus dem Haus und erschossen sie im Hof. "
Der evangelische Pfarrer Ernst Diebel erlebt im oberschlesischen Ratibor den Einmarsch, am Karsamstag, dem 31. März 1945. Er notiert später:
"Ostermontag wird die Kirche geschändet, der Altar mit Kot verunreinigt, das Altargemälde zerschnitten, die Leuchter zerbrochen, das Altarkreuz zerschossen. Eine junge Frau sucht im Pfarrhaus Zuflucht. Ihre Verfolger wollen sie vor unseren Augen vergewaltigen. Wir stoßen ohne Unterbrechung den Hilferuf aus: Herr, erbarme dich! Herr, erbarme dich! Und immer lauter und beschwörender. Die Übeltäter lassen ab. "
Alma Jelitte aus Schönwald in Oberschlesien wird mit ihren Kindern und anderen Flüchtlingen auf dem Treck von der Roten Armee überrollt und ist auf dem Wege zurück in ihren Heimatort. Hungrig passiert die kleine Gruppe ein sowjetisches Militärlager.
"Mit unseren vier Jüngsten an der Hand ging ich auf die Wache am Lagereingang zu, und mit Zeichensprache versuchte ich, dem Wachhabenden verständlich zu machen, wie hungrig wir waren. Inzwischen war ein Offizier gekommen, der deutsch sprach. Er forschte uns aus. Ich sagte, dass wir noch weitere sieben Personen auf der Straße seien. Da ging er in die Küche, kommandierte auf russisch und siehe da, wir bekamen einen großen Topf voll Suppe mit Fleisch und Graupen drin. Er kam mit uns, er sah ja, dass wir auf der Straße lagen. Wir 7 hatten sich auf einem Treppenaufgang am Haus niedergelassen. Da nahm er uns noch einmal mit in die Küche zurück. Wir bekamen Teller und Löffel und sogar Handtücher und noch einen Topf Suppe. Er half mir noch tragen. Als wir schon beim Abfahren waren, kam noch ein Soldat und brachte uns einen Laib Brot. Wir dankten ihm und ich im Stillen auch Gott für soviel Hilfe von Menschen, die unser Volk bekämpft hatte. "