Neumann: Schwarz-Grün ignoriert die Probleme in Hamburg
Der SPD-Fraktionschef in der Hamburger Bürgerschaft, Michael Neumann, hat den Koalitionsvertrag zwischen CDU und Grünen in der Hansestadt kritisiert. Der Vertrag bleibe Lösungsansätze für die wichtigen Probleme wie Finanzen und Bildung schuldig, sagte Neumann.
Hanns Ostermann: Für Ole von Beust ist das heute ein ganz besonderer Tag. Aber gewiss nicht nur für ihn. Wenn zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik eine schwarz-grüne Landesregierung vereidigt wird, unter Leitung des bisherigen Ersten Bürgermeisters, dann ist das weit über die Grenzen der Hansestadt hinaus von Bedeutung. Wie funktioniert diese ungewöhnliche Ehe? Das dürften sich vor allem die Sozialdemokraten sehr genau ansehen. Ihr Lieblingspartner, die Grünen in Hamburg, die GAL, geht fremd. Am Telefon von Deutschlandradio Kultur ist jetzt der SPD-Fraktionschef in der Bürgerschaft Michael Neumann. Guten Morgen, Herr Neumann!
Michael Neumann: Hallo! Guten Morgen!
Ostermann: Dieses bundesweit einmalige Projekt auf Länderebene, macht das die Oppositionsarbeit leichter oder schwerer?
Neumann: Na ja, Opposition an sich ist immer Mist. Von daher ist das keine Freude, in der Opposition zu sitzen an so einem Tag, wo dann die anderen die Regierung stellen werden, ist kein Jubeltag. Aber ich glaube, wenn ich mir den Koalitionsvertrag anschaue, dass die Oppositionsarbeit in den letzten Jahren schwerer war. Es gibt viele Sollbruchstellen.
Ostermann: Werden wir gleich drüber sprechen. Aber noch mal vielleicht ein kleiner Blick in Ihre Gefühlswelt. Da geht der Lieblingspartner fremd. Da ist doch nicht nur prinzipiell schlecht, in der Opposition zu sein, sondern das ist doch auch politisch durchaus noch schwierig?
Neumann: Wenn ich ehrlich bin, war ich nie ein Anhänger der rot-grünen Reformprojektes. Unsere Koalitionen sind Zweckehen, sind Zweckpartnerschaften, und in Hamburg hat sich das lange Zeit schon angedeutet, dass es da eine enge Partnerschaft geben kann zwischen CDU und GAL. Von daher ist es erstens nicht überraschend. Und das Zweite ist, es ist Normalität. Sozialdemokraten koalieren mit verschiedenen Parteien. Und warum soll das nicht auch die GAL tun? Von daher ist es auch eine Art Befreiung, dass sie jetzt nicht mehr immer auf rot-grüne Bündnisse starren müssen, auch wenn sie in Bremen sehr gut funktionieren. Wir können wieder sozialdemokratische Politik rot pur machen.
Ostermann: Sie haben von der Sollbruchstelle oder von mehreren gesprochen. Wo sehen Sie die größten Schwachpunkte im Koalitionsvertrag? Ist das der Haushalt, die Schule?
Neumann: Als Megathema ist natürlich Haushalt zu nennen, weil alles zu bezahlen ist. Und darüber steht im Koalitionsvertrag gar nichts. Und wenn man es dann runterbricht, und wir haben heute in Hamburg gerade eine erste Umfrage zum Thema Schwarz-Grün, zur Bewertung des Koalitionsvertrages, dann kommt dieser Koalitionsvertrag auf eine doch sehr mittelmäßige bis schlechte Durchschnittsnote von 3,4, bei einer normalen Schulnotenbewertung. Und der Bürgermeister wird ja nicht müde, immer darauf hinzuweisen, es sei spannend, was alles nicht im Koalitionsvertrag steht. Und das ist wirklich das Spannende, das Thema soziale Spaltung, soziale Ungerechtigkeit. Dazu steht nichts. Das große Thema Moorburg-Kohlekraftwerk, dort steht nichts im Koalitionsvertrag. Und Bildungspolitik ist natürlich immer in der Großstadt ein zentrales Thema.
Ostermann: Wenn Sie Umfragen zitieren, ich glaube immer nur die Zahlen, die ich selbst gefälscht habe. Das ist doch im Augenblick wirklich für Sie eine sehr schwierige Situation, was das Geld betrifft, wenn Sie sagen, vieles sei nicht finanziert. Andererseits kommen doch auch Einnahmen, die die Hansestadt zu verzeichnen hat?
Neumann: Ja natürlich, jedes Jahr zahlen die Menschen unserer Stadt Steuern. Und wir müssen jedes Jahr neu entscheiden, wofür dieses Geld ausgeben wird. Aber Hamburg hat in den letzten zwei Jahren die Spendierhosen angehabt. Wir liegen weit über den Planungszahlen des Länderfinanzrates. Wir geben in Hamburg leider viel mehr Geld aus. Und das Ganze wird zum Teil über Kredite finanziert. Aber was noch viel schlimmer ist, durch den Verkauf von Staatseigentum, seien es Anteile an der Hafengesellschaft oder andere Dinge, die privatisiert werden, und Tafelsilber kann man genau einmal verkaufen, dann ist es futsch. Und Hamburg läuft da Gefahr, seinen Reichtum, den wir unbestritten haben und der über Jahrzehnte auch erarbeitet worden ist, wirklich zum Markte zu tragen. Und von daher ist das Thema Haushaltspolitik das entscheidende, denn irgendwo müssen die ganzen Lehrer bezahlt werden, die zusätzlich eingestellt werden sollen. Und da bin ich gespannt. Von daher ist gar nicht jetzt der Koalitionsvertrag wirklich die Gründungsurkunde. Wir müssen uns den Haushaltsplan anschauen. Und der soll erst Ende des Jahres, Anfang nächsten Jahres wirklich vorgelegt werden.
Ostermann: Sie haben einmal davon gesprochen, in Hamburg könnte es einen Schulkampf geben. Die sechsjährige Primarschule ist neu, Sie sehen das Elternwahlrecht abgeschafft. Wie viele Menschen in Hamburg wissen Sie in dieser Frage eigentlich hinter sich?
Neumann: Sie haben selbst auf die Umfrage sich gerade bezogen. Nach der Umfrage, die in Hamburg der NDR und eine große Tageszeitung gemacht haben, sind gerade die Eltern, die Kinder haben, die im Vorschulalter sind, sehr verunsichert. Und das ist genau der zentrale Punkt. Sie hatten bisher die Möglichkeit, nach der vierjährigen Grundschule, dass Eltern einen sehr starken Einfluss darauf hatten, auf welche Schule ihr Kind in Zukunft gehen wird. Das wird komplett abgeschafft und diese Lektion wird vorverlegt. Das heißt, nach dem Plan, den Schwarz-Grün sich ausgedacht hat, wird es so sein, dass bereits mit der Wahl des Kindergartens und der Vorschule festgelegt sein wird, ob das Kind auf ein Gymnasium oder auf eine Stadtteilschule kommen wird. Und das ist eine Selektion, die so weit vorverlegt wird, und da ich selbst jemand bin, der keine Gymnasialempfehlung bekommen hat, kann ich nur sagen, es ist eine viel zu frühe Selektion. Wir wollen längeres gemeinsames Lernen. Unsere Idee ist es, die Schule für alle langfristig zu erreichen. Und von daher ist dieser Weg der völlig falsche.
Ostermann: Aber parlamentarisch haben Sie doch jetzt keine Chance mehr? Oder wo sehen Sie die Möglichkeiten, hier noch etwas zu ändern?
Neumann: Wenn die Mehrheiten wirklich so stehen, parlamentarisch, dann werden unsere Kinder zu Versuchskaninchen gemacht werden. Ich bin aber sicher, dass wir eine sehr rege Schulszene haben, dass Eltern sich nicht entmündigen lassen. Und von daher mag es im Koalitionsvertrag stehen, dass man 2010 bereits mit dieser neuen Schulform beginnen will. Ob das aber wirklich umsetzbar ist, bin ich sehr skeptisch. Denn davor liegen auch noch die Bundestagswahlen. Auch dann wird sich zeigen, ob sich Schwarz-Grün darüber hinaus hält. Und es ist auch die Frage, wie lange Herr von Beust als Integrationsfigur noch Bürgermeister bleiben wird. Er hat ja einen Finanzsenator, der vor Ehrgeiz nicht mehr laufen kann. Und von daher warten wir mal ab, ob das wirklich die nächsten vier Jahre halten wird.
Ostermann: Herr Neumann, natürlich ist es die Hauptaufgabe der Opposition zu kritisieren, das haben Sie eben gerade auch bewiesen. Gleichwohl - steht im Koalitionsvertrag auch etwas Positives?
Neumann: Ja, es gibt die Aussage, dass wir in Hamburg endlich den Schritt machen wollen, eine Stadtbahn einzurichten. Das ist eine Forderung, die wir seit Jahren, fast Jahrzehnten, erhoben haben. Das wurde in der Vergangenheit seitens der CDU immer als Bimmelbahn reduziert. Jetzt wird der Einstieg gemacht. Und das ist eine richtige Entscheidung. Ob das dann zweckmäßig umgesetzt wird, ob es finanziert ist, das steht auch nicht im Koalitionsvertrag. Aber grundsätzlich ist die Entscheidung in Hamburg, in Teilen eine Stadtbahn einzuführen, um auch bisher abgeschnittene Stadtteile ans ÖPNV-Netz anzuschließen, eine richtige Entscheidung.
Ostermann: Michael Neumann, der Fraktionsvorsitzende der SPD in der Hamburger Bürgerschaft. Ich danke Ihnen für das Gespräch im Deutschlandradio Kultur!
Neumann: Vielen Dank!
Michael Neumann: Hallo! Guten Morgen!
Ostermann: Dieses bundesweit einmalige Projekt auf Länderebene, macht das die Oppositionsarbeit leichter oder schwerer?
Neumann: Na ja, Opposition an sich ist immer Mist. Von daher ist das keine Freude, in der Opposition zu sitzen an so einem Tag, wo dann die anderen die Regierung stellen werden, ist kein Jubeltag. Aber ich glaube, wenn ich mir den Koalitionsvertrag anschaue, dass die Oppositionsarbeit in den letzten Jahren schwerer war. Es gibt viele Sollbruchstellen.
Ostermann: Werden wir gleich drüber sprechen. Aber noch mal vielleicht ein kleiner Blick in Ihre Gefühlswelt. Da geht der Lieblingspartner fremd. Da ist doch nicht nur prinzipiell schlecht, in der Opposition zu sein, sondern das ist doch auch politisch durchaus noch schwierig?
Neumann: Wenn ich ehrlich bin, war ich nie ein Anhänger der rot-grünen Reformprojektes. Unsere Koalitionen sind Zweckehen, sind Zweckpartnerschaften, und in Hamburg hat sich das lange Zeit schon angedeutet, dass es da eine enge Partnerschaft geben kann zwischen CDU und GAL. Von daher ist es erstens nicht überraschend. Und das Zweite ist, es ist Normalität. Sozialdemokraten koalieren mit verschiedenen Parteien. Und warum soll das nicht auch die GAL tun? Von daher ist es auch eine Art Befreiung, dass sie jetzt nicht mehr immer auf rot-grüne Bündnisse starren müssen, auch wenn sie in Bremen sehr gut funktionieren. Wir können wieder sozialdemokratische Politik rot pur machen.
Ostermann: Sie haben von der Sollbruchstelle oder von mehreren gesprochen. Wo sehen Sie die größten Schwachpunkte im Koalitionsvertrag? Ist das der Haushalt, die Schule?
Neumann: Als Megathema ist natürlich Haushalt zu nennen, weil alles zu bezahlen ist. Und darüber steht im Koalitionsvertrag gar nichts. Und wenn man es dann runterbricht, und wir haben heute in Hamburg gerade eine erste Umfrage zum Thema Schwarz-Grün, zur Bewertung des Koalitionsvertrages, dann kommt dieser Koalitionsvertrag auf eine doch sehr mittelmäßige bis schlechte Durchschnittsnote von 3,4, bei einer normalen Schulnotenbewertung. Und der Bürgermeister wird ja nicht müde, immer darauf hinzuweisen, es sei spannend, was alles nicht im Koalitionsvertrag steht. Und das ist wirklich das Spannende, das Thema soziale Spaltung, soziale Ungerechtigkeit. Dazu steht nichts. Das große Thema Moorburg-Kohlekraftwerk, dort steht nichts im Koalitionsvertrag. Und Bildungspolitik ist natürlich immer in der Großstadt ein zentrales Thema.
Ostermann: Wenn Sie Umfragen zitieren, ich glaube immer nur die Zahlen, die ich selbst gefälscht habe. Das ist doch im Augenblick wirklich für Sie eine sehr schwierige Situation, was das Geld betrifft, wenn Sie sagen, vieles sei nicht finanziert. Andererseits kommen doch auch Einnahmen, die die Hansestadt zu verzeichnen hat?
Neumann: Ja natürlich, jedes Jahr zahlen die Menschen unserer Stadt Steuern. Und wir müssen jedes Jahr neu entscheiden, wofür dieses Geld ausgeben wird. Aber Hamburg hat in den letzten zwei Jahren die Spendierhosen angehabt. Wir liegen weit über den Planungszahlen des Länderfinanzrates. Wir geben in Hamburg leider viel mehr Geld aus. Und das Ganze wird zum Teil über Kredite finanziert. Aber was noch viel schlimmer ist, durch den Verkauf von Staatseigentum, seien es Anteile an der Hafengesellschaft oder andere Dinge, die privatisiert werden, und Tafelsilber kann man genau einmal verkaufen, dann ist es futsch. Und Hamburg läuft da Gefahr, seinen Reichtum, den wir unbestritten haben und der über Jahrzehnte auch erarbeitet worden ist, wirklich zum Markte zu tragen. Und von daher ist das Thema Haushaltspolitik das entscheidende, denn irgendwo müssen die ganzen Lehrer bezahlt werden, die zusätzlich eingestellt werden sollen. Und da bin ich gespannt. Von daher ist gar nicht jetzt der Koalitionsvertrag wirklich die Gründungsurkunde. Wir müssen uns den Haushaltsplan anschauen. Und der soll erst Ende des Jahres, Anfang nächsten Jahres wirklich vorgelegt werden.
Ostermann: Sie haben einmal davon gesprochen, in Hamburg könnte es einen Schulkampf geben. Die sechsjährige Primarschule ist neu, Sie sehen das Elternwahlrecht abgeschafft. Wie viele Menschen in Hamburg wissen Sie in dieser Frage eigentlich hinter sich?
Neumann: Sie haben selbst auf die Umfrage sich gerade bezogen. Nach der Umfrage, die in Hamburg der NDR und eine große Tageszeitung gemacht haben, sind gerade die Eltern, die Kinder haben, die im Vorschulalter sind, sehr verunsichert. Und das ist genau der zentrale Punkt. Sie hatten bisher die Möglichkeit, nach der vierjährigen Grundschule, dass Eltern einen sehr starken Einfluss darauf hatten, auf welche Schule ihr Kind in Zukunft gehen wird. Das wird komplett abgeschafft und diese Lektion wird vorverlegt. Das heißt, nach dem Plan, den Schwarz-Grün sich ausgedacht hat, wird es so sein, dass bereits mit der Wahl des Kindergartens und der Vorschule festgelegt sein wird, ob das Kind auf ein Gymnasium oder auf eine Stadtteilschule kommen wird. Und das ist eine Selektion, die so weit vorverlegt wird, und da ich selbst jemand bin, der keine Gymnasialempfehlung bekommen hat, kann ich nur sagen, es ist eine viel zu frühe Selektion. Wir wollen längeres gemeinsames Lernen. Unsere Idee ist es, die Schule für alle langfristig zu erreichen. Und von daher ist dieser Weg der völlig falsche.
Ostermann: Aber parlamentarisch haben Sie doch jetzt keine Chance mehr? Oder wo sehen Sie die Möglichkeiten, hier noch etwas zu ändern?
Neumann: Wenn die Mehrheiten wirklich so stehen, parlamentarisch, dann werden unsere Kinder zu Versuchskaninchen gemacht werden. Ich bin aber sicher, dass wir eine sehr rege Schulszene haben, dass Eltern sich nicht entmündigen lassen. Und von daher mag es im Koalitionsvertrag stehen, dass man 2010 bereits mit dieser neuen Schulform beginnen will. Ob das aber wirklich umsetzbar ist, bin ich sehr skeptisch. Denn davor liegen auch noch die Bundestagswahlen. Auch dann wird sich zeigen, ob sich Schwarz-Grün darüber hinaus hält. Und es ist auch die Frage, wie lange Herr von Beust als Integrationsfigur noch Bürgermeister bleiben wird. Er hat ja einen Finanzsenator, der vor Ehrgeiz nicht mehr laufen kann. Und von daher warten wir mal ab, ob das wirklich die nächsten vier Jahre halten wird.
Ostermann: Herr Neumann, natürlich ist es die Hauptaufgabe der Opposition zu kritisieren, das haben Sie eben gerade auch bewiesen. Gleichwohl - steht im Koalitionsvertrag auch etwas Positives?
Neumann: Ja, es gibt die Aussage, dass wir in Hamburg endlich den Schritt machen wollen, eine Stadtbahn einzurichten. Das ist eine Forderung, die wir seit Jahren, fast Jahrzehnten, erhoben haben. Das wurde in der Vergangenheit seitens der CDU immer als Bimmelbahn reduziert. Jetzt wird der Einstieg gemacht. Und das ist eine richtige Entscheidung. Ob das dann zweckmäßig umgesetzt wird, ob es finanziert ist, das steht auch nicht im Koalitionsvertrag. Aber grundsätzlich ist die Entscheidung in Hamburg, in Teilen eine Stadtbahn einzuführen, um auch bisher abgeschnittene Stadtteile ans ÖPNV-Netz anzuschließen, eine richtige Entscheidung.
Ostermann: Michael Neumann, der Fraktionsvorsitzende der SPD in der Hamburger Bürgerschaft. Ich danke Ihnen für das Gespräch im Deutschlandradio Kultur!
Neumann: Vielen Dank!