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Leben auf dem Mars? Welche Enttäuschung!

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In der Marslandschaft steht ein futuristisch anmutendes Gefährt.
Der Mars-Rover "Curiosity" findet Methan auf dem roten Planeten - ein Zeichen von Leben? © Getty Images NASA / JPL-Caltech / MSSS
Von David Lauer · 30.06.2019
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Methan gilt als Indiz für biologische Prozesse – der Roboter "Curiosity" hat große Mengen davon auf dem Mars gefunden. Gibt es dort also Leben? Vielleicht nur Mikroben! Doch die Menschheit suche im All einen Spiegel, meint der Philosoph David Lauer.
Eins vorweg: Es ist nicht klar, ob die auf dem Mars gemessenen Methanvorkommen auf die Existenz organischen Lebens auf unserem Nachbarplaneten hindeuten. Die Ursachen könnten ebenso gut geochemischer Natur sein.
Wenn aber tatsächlich tief im Marsboden versteckt überlebende Mikroorganismen das Methan in die Mars-Atmosphäre pupsen, dann hätte die fiebrig betriebene Suche nach Leben im All zu einer zutiefst ironischen Antwort geführt: Während wir immer größere Teleskope auf immer fernere Galaxien richten, wächst das Zeug vor unserer Haustür. Es könnte so ziemlich überall sein. Ein faszinierender Gedanke.

Wir suchen nicht Mikroben, sondern einen Spiegel

Zugleich aber auch potentiell deprimierend. Denn was die Menschheit im All seit jeher sucht, das sind nicht Mikroben, sondern das ist ein Spiegel. Wesen, durch deren Augen wir einen Blick von außen auf uns selbst werfen können. Es ist auf die Dauer einfach langweilig, wenn die Selbstreflexion als Spezies in einem ewigen Monolog gefangen bleibt, weil der eigene Planet einfach keine adäquaten Gesprächspartner hervorgebracht hat und wir uns trotz aller Bemühungen immer noch keine eigenen backen können.
Deshalb hat sich die menschliche Imagination immer auf die Vorstellung gestürzt, wir möchten dereinst in Kontakt treten zu Intelligenzen, die uns weit überlegen sind. Endlich einmal ernsthaft herausgefordert werden – egal ob im Guten, wie bei Stanley Kubrick, oder im Bösen, wie bei Roland Emmerich!
David Lauer steht für ein Porträt-Bild vor einem grauen Hintergrund.
Überlegene Intelligenz, wo bist Du? - David Lauer weiß, von welcher Art Aliens Philosophen träumen.© © Fotostudio Neukölln / Gunnar Bernskötter
Auch die Philosophen haben bei diesem Spiel mitgemischt. In dem wenig gelesenen Text "Von den Bewohnern fremder Gestirne", einem Anhang zu seiner "Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie des Himmels" von 1755, spekulierte Immanuel Kant über die Jupitermenschen. Er ging davon aus, dass die Materie, aus der sich die Planeten und ihre Bewohner zusammensetzen, mit steigendem Abstand von der Sonne immer feiner und elastischer werde.
Daraus schloss er, dass die geistigen Fähigkeiten der Jupiterwesen unsere eigenen um ein Vielfaches übertreffen müssten. Selbst ein Newton müsse ihnen als Schulknabe erscheinen. Gleiches sei für ihre praktische Vernunft anzunehmen: Unbestechliche, unverführbare Giganten der Moral müssten sie sein, ein herrliches Vorbild für unsere eigene, schwache Menschennatur.
Der Effekt der Überlegung ist klar: Indem Kant unsere Spezies durch die Augen dieser Wesen betrachtet, scheucht er den Menschen aus seiner comfort zone bräsiger Überlegenheit.

Wärter im kosmischen Zoo?

Denselben Trick wendet über hundert Jahre später Nietzsche an, in seinem Aufsatz "Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne". Auch er versetzt sich in Gedanken ins All und wirft von dort den Blick auf die Erde zurück, um sich über die Kümmerlichkeit der Vernunft lustig zu machen, auf die das Menschentier sich so viel einbildet:
"In irgendeinem abgelegenen Winkel des in zahllosen Sonnensystemen flimmernd ausgegossenen Weltalls gab es einmal ein Gestirn, auf dem kluge Thiere das Erkennen erfanden. Es war die hochmüthigste und verlogenste Minute der ‚Weltgeschichte‘: aber doch nur eine Minute. Nach wenigen Athemzügen der Natur erstarrte das Gestirn, und die klugen Thiere mussten sterben."
Autsch – der saß! Bösartiger hat noch keiner uns die selbst aufgesetzte Krone der Schöpfung vom Kopf gefegt.
Aber was machen wir nur, wenn wir dummen, klugen Tiere tatsächlich die klügsten im Universum sein sollten? Von wimmelndem Leben umgeben, aber leider nur auf der Komplexitätsstufe von Mikroben oder bestenfalls irgendwelcher kleiner pelziger Wesen mit der Intelligenz treudoofer Schoßhunde? Wenn wir die Wärter und Fütterer wären in einem kosmischen Streichelzoo? Schöne Bescherung. Ihr Jupitermenschen, bitte lasst uns nicht allein!

David Lauer ist Philosoph und lehrt an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem in der Philosophie des Geistes und der Erkenntnistheorie. Er lebt mit seiner Familie in Berlin.

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