Neuformulierung im Pressekodex

Verwirrung, wann die Herkunft eines Straftäters genannt werden darf

Mitarbeiter des "RND Redaktionsnetzwerk Deutschland GmbH" arbeiten im Madsack-Newsroom "RND Redaktionsnetzwerk Deutschland GmbH" in Hannover (Niedersachsen). Die neue Redaktion produziert überregionale Inhalte vor allem für die Tageszeitungen der Madsack-Gruppe.
Der Newsroom in einer Redaktion: Eine alltägliche Frage im journalistischen Geschäft dreht sich darum, ob man die Herkunft nennt oder nicht © dpa / picture alliance / Ole Spata
Manfred Protze im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 23.03.2017
Sollte die Herkunft eines Straftäters genannt werden? Um den entsprechenden Passus, an dem Journalisten sich in ihrem Arbeitsalltag orientieren können, ist ein Streit entbrannt.
Der Deutsche Presserat ist eine Art Kontrollinstanz für die Pressefreiheit, aber auch für die Einhaltung journalistisch-ethischer Grundregeln, denen sich alle Journalisten unterwerfen. Formuliert sind diese Regeln im Pressekodex des Presserates, und der wird – ähnlich wie das Grundgesetz - nur selten verändert. Jetzt aber sah der Presserat offenbar Bedarf bei der Frage: Wann und ob sollten wir die Herkunft, Ethnie und die Religion von Straftätern erwähnen?
Bislang sah der Pressekodex vor: Die Zugehörigkeit zu einer religiösen oder ethnischen Minderheit von Tätern wird nur dann erwähnt, wenn es wichtig ist für das Verständnis des Vorgangs, wenn also ein begründbarer Sachbezug besteht. Die neue Formulierung ist viel komplizierter, da heißt es: Die Erwähnung der Zugehörigkeit zu ethnischen, religiösen oder sonstigen Minderheiten dürfe nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führen.

Maßgeblich ist, ob es für das Verständnis eine Rolle spielt

Eine "windelweiche Formulierung", wie der WDR-Journalist Udo Stiehl beklagt. Er verteidigt die alte Formulierung in einem Blogpost mit einem Beispiel: Wenn wir von kriminellen arabischen Familienclans in Berlin sprechen, ist das okay, wenn wir bei einem Verkehrsunfall sagen, da ist ein Türke mit einem Japaner zusammengestoßen, ist das nicht okay, weil es für das Verständnis des Unfalls keine Rolle spielt.
Man habe aus vielen Redaktionen die Rückmeldung bekommen, dass die Formulierung "begründbarer Sachbezug" zu sperrig und wenig hilfreich sei, sagt Manfred Protze, der Sprecher des Presserates. "An der Konstruktion, am Ziel hat sich überhaupt nichts geändert", betonte Protze im Gespräch mit Stephan Karkowsky.
"Wir sehen das Risiko, dass das Fehlverhalten des Einzelnen sämtlichen Mitgliedern seiner Herkunftsgruppe zur Last gelegt wird - das wollen wir vermeiden."
Weder die individuelle Neugier der Medienkonsumenten noch das Interesse von Gruppen, die in organisierter Weise Politik machen, sei öffentliches Interesse.
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