Neues Prostituiertenschutzgesetz

"Die medizinische Beratung wird missbraucht"

Prostituierte auf dem Weg in ein Bordell.
Protistituierte sollen durch ein ab dem 1.7.2017 geltendes, neues Gesetz besser geschützt werden. Doch es wird vielfach kritisiert, auch von der Seite der betroffenen Frauen. © picture-alliance / Roman Vondrous
Juanita Henning im Gespräch mit Katrin Heise · 01.07.2017
Das neue Prostitutionsgesetz soll Frauen vor Ausbeutung und Zwang schützen. Doch es gibt Kritik: In der jetzt vorgesehenen Zwangsberatung würden Frauen ausgeforscht werden, sagt der Selbsthilfeverein "Dona Carmen". Er hat Verfassungsbeschwerde eingelegt.
Ab dem 1.7.2017 gilt in Deutschland das Prostituiertenschutzgesetz. Damit sollen Prostituierte vor Zwangsprostitution, Menschenhandel und menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen geschützt werden. Ab jetzt gelten für sie aber auch Anmeldepflicht, verpflichtendes Beratungsgespräch und Kondompflicht.
Das Gesetz ist umstritten - Behörden sind darauf offenbar schlecht vorbereitet, einige Bundesländer wollten Aufschub. Aber auch die Seite der Betroffenen ist unzufrieden. Der Selbsthilfeverein "Dona Carmen" aus Frankfurt am Main hat Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.

"Man will wissen, wie die Frauen zur Prostitution gekommen sind"

Juanita Henning, Mitgründerin des Vereins "Dona Carmen", begründete im Deutschlandfunk Kultur die Verfassungsklage. Sie kritisierte insbesondere die mit dem neuen Gesetz verbundene Registrierungspflicht und die Zwangsberatung, die ständig wiederholt werden müsse:
"In dieser Zwangsberatung werden die Frauen ausgeforscht. Man will wissen, wie diese Frauen zu der Prostitution gekommen sind. Diese Form des Gesprächs wird in der medizinischen Beratung so durchgeführt werden und bei der Anmeldung bei staatlichen Behörden. Das heißt, hier wird die medizinische Beratung missbraucht, um sozusagen Kriminalität zu bekämpfen."

"Das Täter-Opfer Verhältnis ist 1:1"

Henning verwies auf die Kriminalitätsstatistik von 2016, dem Jahr der Verabschiedung des Prostituiertengesetzes. In diesem Zeitraum habe es so wenige Opfer von Menschenhandel gegeben wie seit 25 Jahren nicht mehr. Insofern seien solche Maßnahmen, wie im neuen Gesetz vorgesehen, eigentlich durch die Zahlen nicht gerechtfertigt:

"Im Jahr 2016 gab es 487 mutmaßliche Opfer. Davon waren 30 Prozent Frauen zwischen 18 und 21. Hier muss überhaupt gar kein Zwang, keine Gewalt, keine Bedrohung, nichts dergleichen vorhanden sein, um die Frauen als Opfer definieren zu können. (…) Also das ist was völlig anderes, der Menschenhandel-Begriff, als er allgemein so in der Vorstellung (vorhanden) ist."
Bei Gerichtsverhandlungen würden durchschnittlich 70 – 80 Personen jährlich wegen Menschenhandels verurteilt werden, sagt Henning:
"Das Täter-Opfer-Verhältnis ist 1:1. Wo, bitteschön, ist da die organisierte Kriminalität? Und wenn Sie dieses Verhältnis von 80 Opfern – jede einzelne Frau ist natürlich ein Leid – aber wenn Sie das ins Verhältnis setzen zu 200.000 Frauen, dann ist das ein absolut marginaler Bereich von Kriminalität, der dort stattfindet." (ue)
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