Neues Gallagher-Album "Who built the moon?"

"Der Britpop-Sound war ausgereizt"

Noel Gallagher von der britischen Band High Flying Birds steht am 13.04.2016 in München (Bayern) im Zenith auf der Bühne.
Noel Gallagher startet Phase zwei seiner Musik-Karriere. © Sven Hoppe/dpa
Von Marcel Anders · 24.11.2017
Noel Gallagher, einst Mitglied der Band "Oasis", lässt den Britpop hinter sich. "Phase zwei" seiner Musikkarriere startet er mit Elektro-Beats und Anleihen bei opulenter Filmmusik. Und mit einem neuen Instrument: Der Schere.
"Als ich von der letzten Tour zurückkam, hatte ich das Gefühl, dass der Sound, den ich 1993 entwickelt hatte, komplett ausgereizt war. Zum Glück habe ich den Produzenten David Holmes getroffen, der meinte: "Vergiss den ganzen Brit-Pop-Kram. Es ist Zeit für etwas Neues. Für Phase zwei."
Die beginnt für Noel Gallagher mit "Who Built The Moon?". Ein Album, an dem er vier Jahre gebastelt hat und auf dem er mehrere neue Ansätze verfolgt: Die Songs sind spontan im Studio entstanden, weisen elektronische Beats, verspielte Klangexperimente und Anleihen bei opulenten Filmmusiken und klassischem Rock'n'Roll auf. Außerdem Streicher und eine Dame namens Charlotte Courbe, die einen Alltagsgegenstand als Instrument beisteuert.
"Sie ist Background-Sängerin in meiner Band. Und als ich zu ihr meinte: 'Kannst du auch Tamburin spielen?', war ihre Antwort: 'Ich spiele Schere – und das habe ich schon in einer Band getan.' Ich dachte, ich höre nicht richtig. Also habe ich mir das auf Youtube angesehen und war baff: Sie trägt einen Umhang und spielt Schere. Das tut sie jetzt auch bei mir – mit beiden Händen. Es ist total verrückt. Ich liebe es."

Rock'n'Roll steht dafür, Spaß zu haben

Rock'n'Roll ist für Noel Gallagher ein Gegenpol zur düsteren, morbiden Rockmusik der Gegenwart. Ein Stil, der nicht politisch ist und nicht den Zeitgeist kommentiert, sondern vor allem für Spaß steht. Und den – so Gallagher – brauche die Welt dringender denn je.
"Rock'n'Roll steht dafür, Mädchen abzuschleppen, Sex zu haben, Drogen zu nehmen und zu tanzen. Das ist die Idee. Aber heute ist er nur noch langweilig. Wenn ich an aktuelle Rockmusik denke, dann an Dave Grohl – und dass er ständig schreit. Oder an Green Day – und dieses Rumgejammer. Ich denke an all die amerikanischen Bands, die gleich gekleidet sind, Tattoos und Ohrringe tragen und sich die Haare färben. Das finde ich schlimm. Es hat nichts mit mir zu tun."

"Ihr habt mich noch lange nicht durchschaut"

Noel Gallagher geht es um neue Herausforderungen und eine Abgrenzung von den lieben Kollegen. Dazu erfindet er sich mit Anfang 50 kurzerhand neu und lässt sich mit "Who Built The Moon?" auf ein spannendes musikalisches Abenteuer ein. Etwas, das man in dieser Form kaum von dem als konservativ geltenden Briten vermutet hätte, und das auch ein gewisses kommerzielles Risiko birgt.
"Es ist möglich, dass wir uns in fünf Jahren wiedertreffen, und Sie mich fragen: 'Wie denken Sie über Ihren Karriereselbstmord mit 'Who Built The Moon?'? Dann werden wir beide lachen. Denn ich habe genug Erfolg, um mir solche Alben leisten zu können. Und weil die Leute scheinbar etwas ganz Bestimmtes von mir erwarten, ist es wichtig, auch mal zu sagen: 'Ihr habt mich noch lange nicht durchschaut.' Solltet ihr das denken, und mir übelnehmen, was ich hier tue, ist das euer Problem. Ich lasse mich von meiner Abenteuerlust treiben - und habe eine tolle Zeit."

"Oasis ist vergessen"

Noel Gallagher lässt die Vergangenheit hinter sich. Auf die 17 Jahre und sieben Alben mit Oasis ist er dennoch Stolz und spielt auf seiner kommenden Tour weiterhin Stücke aus dieser Zeit. Nur: Eine Reunion wird es nicht geben. Seit 2009 hat er kein Wort mehr mit seinem jüngeren Bruder Liam gewechselt, ist von dessen Schuldzuweisungen, er habe das Ende von Oasis zu verantworten, sichtlich genervt und findet dessen Solo-Debüt einfach nur lächerlich.
"Oasis ist vergessen und vorbei. Dass er noch darüber redet, liegt daran, dass er nichts anderes zu sagen hat. Er kann ja nicht erzählen, wie er sein neues Album geschrieben hat, weil er dazu gar nichts beigetragen hat. Insofern: Ich wünsche ihm alles Gute – so lange er nach jedem Gig die Gema-Formulare ausfüllt."
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