Neues Album "Fool" von Joe Jackson

Genie mit Understatement

Joe Jackson steht lächelnd am Mikrofon auf der Bühne.
Der britische Musiker Joe Jackson 2016 in Berlin © picture alliance / POP-EYE
Von Martin Risel · 18.01.2019
Der Brite Joe Jackson gehört zu den Musikern, die nie ganz große Stars waren – und man weiß eigentlich gar nicht warum. So lange dabei, so viele gute Songs. Nach den Duke Ellington- und "Fast Forward"-Alben veröffentlicht er nun sein 20. Album "Fool".
"Ist die Umgebung fremd – oder bin ich es?" – auch in diesem New York-Song fängt Joe Jackson die Einsamkeit des Metropolen-Menschen wieder unnachahmlich ein – wie in seinen großen Balladen Mitte der 80er. Seit 2006 lebt der Mann aus Mittelengland meist in seiner Lieblings-Wahlheimat Berlin. Inzwischen weniger, aber…
"Ich habe noch einen Koffer in Berlin... Ich bin so oft wie möglich hier, es geht aber nicht auf Dauer. Ich hab zu viele Verbindungen zu anderen Orten, vor allem zu New York. Klar, Berlin verändert sich. Aber nicht so radikal wie New York. Und ist noch viel lebenswerter, auch als z.B. London."

Zwischen ArtRock, Latin und Soul

Daheim in Kreuzberg hat er die meisten neuen Songskizzen geschrieben, die Demos dort in den Fuzz Factory Studios aufgenommen, das Album dann in Idaho produziert und in New York gemischt. "Fool" ist ein typisches Joe Jackson-Album zwischen ArtRock, Latin und Soul.
Wie auf seinen größten Werken "Night and day" und "Body And Soul" vereint Joe Jackson wieder scheinbar widersprüchliche Welten, lässt sie wie nur wenige andere miteinander verschmelzen. In diesem Fall:
"Comedy and tragedy."
Verschmolzen etwa im Titelstück "Fool" – mit Zitaten aus den Shakespeare-Stücken "Was ihr wollt" und "König Lear":
"Ja, eine Komödie UND eine Tragödie. Aber beide haben diese Figur eines Narren. Er bringt die Leute zum Tanzen UND ist meist der Typ, der Wahrheiten aussprechen kann, vor denen sich andere fürchten. Ich mag diese Figur – und ja: Ich bin wohl selbst so eine."

Es geht in den neuen Songs um Angst und Wut, Entfremdung und Verlust und ja: Liebe. Sehr persönlich und reflektiert. Joe Jackson ist 64. Aber sein Albumkonzept entsteht erst bei der Produktion. Und so zweifelt er auch an seinen Fähigkeiten, den vor Jahren begonnenen Roman zu Ende zu schreiben.
"Ich bin nicht wirklich ein Geschichtenerzähler. Leute sagen zwar, ich hätte Geschichten in meinen Texten, aber ich sehe kaum welche, keine Erzählungen. Also kann ich wohl auch keinen Roman schaffen. Ich bin nur ein Klavierspieler."

Liebe zur Schallplatte

Ohne das Niveau seiner Meisterwerke ganz zu erreichen, knüpft Joe Jackson mit "Fool" nicht nur musikalisch daran an. Auch die Songaufteilung erinnert an die Schallplatten-Ära mit zwei unterschiedlichen Seiten von je 20 Minuten. Aber ein Analog-Fetischist ist er nicht.
"Kassetten? Hab ich immer gehasst, die waren das allerschlimmste Medium. Vinyl ist viel besser, aber ich fand auch CDs ok. Ich mag Dinge, die ich in der Hand halten kann. Das ist sicher oldschool. Auch der Gedanke, dass sich die Leute heute viel weniger aus Musik machen als vor 40 oder vor 100 Jahren. Wir könnten die letzte Generation sein, die denkt: ‚Musik ist etwas Wichtiges.‘ Für einen Musiker ein ziemlich melancholischer Gedanke."
Und so wird vielleicht die anstehende "Four Decade"-Tournee noch interessanter als das neue Album allein. 40 Jahre nach seinem Debutwerk will Joe Jackson, unterstützt unter anderem von seinem Langzeit-Bassisten Graham Maby, dabei Songs von jeweils einem Album aus einem Jahrzehnt spielen.
"Ich will nicht mein ganzes Leben lang touren, aber noch mag ich es sehr. Und jetzt ist eine gute Zeit für eine Jubiläums-Tour. Wenn andere ihre Abschieds-Tournee verkünden, empfinde ich das als irgendwie beleidigend für das Publikum. Nach dem Motto: ‘Ich werde das jetzt nicht mehr tun, aber ihr kommt doch noch mal und kauft Tickets dafür, oder?‘ Ich mache es, bis ich keine Lust mehr habe. Und gehe dann ohne angekündigte Abschiedstournee. Ich verschwinde einfach."
Mehr zum Thema