Neuer ZDF-Staatsvertrag

"Das ist TTIP hoch Drei"

Der Schatten des Intendanten des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF), Thomas Bellut (links), und der Schatten des Vorsitzenden des Fernsehrates, Ruprecht Polenz (CDU), sind auf einer ZDF-Logowand zu sehen.
Schatten auf einer ZDF-Logowand © dpa / picture alliance / Fredrik von Erichsen
Von Ludger Fittkau  · 29.05.2015
2009 hatten Politiker in einem ZDF-Aufsichtsgremium dafür gesorgt, dass der Vertrag des Chefredakteurs Nikolaus Brender nicht verlängert wurde. Das war illegal, urteilte das höchste deutsche Gericht. Auch der neue ZDF-Staatsvertrag stößt auf Kritik bei Kennern des Senders.
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe war der Meinung, dass die ZDF-Aufsichtsgremien die geforderte gesellschaftliche Vielfalt nicht spiegeln. Und dass sie nicht „staatsfern" genug sind. Deshalb war es Politikern um den ehemaligen hessischen CDU- Ministerpräsidenten Roland Koch 2009 in den Sender-Gremien möglich gewesen, die Verlängerung des Vertrages für den missliebigen ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender zu verhindern. Die „Causa Brender", wie sie damals in den Gazetten hieß, hatte schließlich zur Verfassungsklage in Karlsruhe geführt.
Größtmögliche Transparenz
Die 16 Bundesländer sind für das ZDF verantwortlich. Sie mussten deshalb nach dem Karlsruher Urteil einen neuen, verfassungskonformen Staatsvertrag formulieren. Doch während das Bundesverfassungsgericht für die Aufsichtsgremien des Senders künftig größtmögliche Transparenz forderte, lief die Vorbereitung des neuen ZDF-Vertrages völlig intransparent ab. So sieht das Ruprecht Polenz, CDU-Politiker und Vorsitzender des ZDF-Fernsehrates.
"Na ja, wir haben ja in Deutschland im Augenblick eine Diskussion über die TTIP-Verhandlungen. Hinter verschlossenen Türen. Keiner weiß so genau, was da passiert. Das, was wir aber jetzt bei der Staatsvertragsverhandlung erleben, ist aber TTIP hoch Drei. Ein verhältnismäßig kleiner Kreis von Juristen in den Staatskanzleien erarbeitet einen Vorschlag, der in eine mit üppiger Tagesordnung versehene Ministerpräsidentenkonferenz kommt, dort sicherlich ordentlich beraten wird. Dann geht er in die Landtage und dann wird jedem Landtag gesagt werden: Also, wenn ihr was ändern wollt, dann müssen wir das ganze Verfahren von vorne anfangen, weil es gilt ja Einstimmigkeit. Und daraus folgt im Ergebnis für mich, dass der Staatsvertrag schwerer änderbar sein wird als das Grundgesetz."
Auch der ehemalige ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender zeigt sich enttäuscht. Auch Brender hätte sich in den vergangenen Monaten eine breitere gesellschaftliche Debatte darüber gewünscht, wie die Kontrollgremien seines ehemaligen Senders künftig aussehen sollen:
"Das war die Arbeit von Staats-Kanzlisten, die das möglichst geräuschlos über die Bühne bringen wollten. Die hatten natürlich auch Furcht, dass sich dann plötzlich alle möglichen Interessensgruppierungen melden und das ganze Ding breit diskutiert würde. Sie hatten natürlich auch eine zeitliche Vorgabe durch das Verfassungsgericht. Und innerhalb dieser Vorgabe hätte eine breite öffentliche Diskussion sicherlich ihre Schwierigkeiten gehabt. Das mag sein. Aber man hat es gar nicht versucht."
Das Ergebnis aus der Sicht von Brender: Weitgehende Fehlanzeige bei der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Vielfalt sowie der Beteiligung kleinerer gesellschaftlicher Gruppen in den künftigen Aufsichtsgremien. Stattdessen senden allein die Staatskanzleien der Länder künftig 16 Vertreter in den auf 60 Köpfe reduzierten Fernsehrat des ZDF, der für die Programmbeobachtung zuständig ist:
"Also ich mir sicherlich noch etwas mehr Beteiligung freier, unabhängiger Gruppen in den Gremien des ZDF gewünscht. Statt der Staatskanzleien lieber noch ein paar Gruppen, die die Vielfalt des Denkens, des Diskutierens und des Fühlens dieser Republik repräsentieren. Die sind nach wie vor zu wenig drin. Die Spannweite des wissenschaftlichen, des politischen, aber auch des religiösen Denkens ist so vielfältig, die müssten im Grunde in den Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vertreten sein."
Ein ernüchterndes Ende
Dieser Anspruch lässt sich nicht umsetzen - alleine schon, weil die Plätze im Gremium begrenzt sind. Das entgegnet Kurt Beck. Der ehemalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident ist Vorsitzender des ZDF-Verwaltungsrates, des neben dem Fernsehrat zweiten, kleineren Aufsichtsgremiums:
"Und das die Länder sich da jetzt nicht völlig rausnehmen - sie sind Gewährträger. Wenn morgen etwas schief ginge beim ZDF, müssten die Länder mit ihren materiellen Möglichkeiten dafür gerade stehen."
Mag sein – aber nach der von Karlsruhe geforderten Staatsferne klingt das auch nicht gerade. Auch nicht nach „möglichst unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungshorizonten", die die Richter für die ZDF-Gremien angemahnt hatten. Die „Causa Brender" – ein großer Medienskandal scheint nun ein ernüchterndes Ende zu finden.
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