Neuer Uno-Klimabericht

"Unsere Kinder werden Landschaften ohne alte Bäume sehen"

10:18 Minuten
Abgestorbene Bäume in einem trockenen Wald.
Für Buchen, Kiefern und Fichten werde es in Teilen Deutschlands zu trocken, sagt Buchautor Toralf Staud. © imago images / epd / Heike Lyding
Toralf Staud im Gespräch mit Julius Stucke |
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Mehr Hitzewellen, schwere Dürren, Wassermangel, Artensterben - das Verfehlen des 1,5-Grad-Ziels hätte nach Einschätzung des UN-Weltklimarates "irreversible Auswirkungen". Was das konkret für Deutschland bedeutet, hat Toralf Staud recherchiert.
Der neue Bericht des UN-Weltklimarates IPCC hätte eigentlich erst im August kommenden Jahres veröffentlicht werden sollen. Doch schon vorab sind jetzt einige Zahlen durchgedrungen, die deutlich machen, wie dramatisch die Auswirkungen sein werden, sollte das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens nicht eingehalten werden.
Die Experten des Weltklimarats warnen vor diesen Folgen:
  • Bei einer Erderwärmung um zwei Grad sind 420 Millionen Menschen zusätzlich dem Risiko von Hitzewellen ausgesetzt.
  • 410 Millionen Bewohner von Ballungsräumen (auch in Europa) werden bis zum Jahr 2050 wegen schwerer Dürren unter Wassermangel leiden.
  • Zwischen acht und 80 Millionen Menschen haben zusätzlich ein Hungerrisiko.
  • Das klimabedingte Sterberisiko wird auch in Europa steigen, und es wird auch in Deutschland mehr schwere Stürme und immer mehr Mücken geben, die Krankheiten wie Malaria, Dengue oder Zika übertragen.
Für die Länder des globalen Südens sind die Auswirkungen des Klimawandels in jeder Hinsicht schlimmer: mehr Hitze, mehr Dürre, mehr Ernteausfälle, mehr Stürme und Sturmfluten - und auch mehr Klimatote.

"Unsere Städte sind für das Klima der Zukunft nicht ausgelegt"

Trotz dieser erneuten Warnung scheint die Gefahr des Klimawandels für viele immer noch abstrakt zu bleiben. Um die Veränderungen konkreter erfahrbar zu machen, hat der Journalist und Autor Toralf Staud das Buch "Deutschland 2050. Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird" geschrieben.
Für die heutigen Kinder werde das Leben in Deutschland viel heißer werden, sagt Staud: "Temperaturen von 40 Grad im Sommer werden nicht mehr die Ausnahme sein".
Es werde mehr Dürren geben – "mit verheerenden Folgen für die Felder und die Landwirtschaft", aber auch für die Städte: "Unsere Städte sind für das Klima der Zukunft nicht ausgelegt. Sie überhitzen. Es wird dort tatsächlich ungemütlich und teils lebensgefährlich."

Hirse, Soja oder Kichererbsen in Brandenburg

"Die Realität überholt die Szenarien der Wissenschaft", sagt Staud mit Blick auf Berichte wie die des Weltklimarates. Das Klima komme sehr viel schneller "ins Rutschen", als es die Forschung vorausgesagt habe.
In Deutschland werde man in Dachgeschossen in 30 Jahren nicht mehr gut leben können. In Brandenburg werde man in Zukunft Hirse, Soja oder Kichererbsen anbauen. Für Buchen, Kiefern und Fichten werde es zu trocken werden, sagt Staud: "Unsere Kinder werden ganze Landschaften ohne alte Bäume haben." Die klassischen deutschen grünen Wälder werde es in manchen Gegenden nicht mehr geben.

"Kein Klimaschutz zerstört den Wohlstand"

Über diese konkreten Folgen werde bislang zu wenig gesprochen. Das habe auch mit der Psychologie zu tun, sagt Staud: "Unangenehme Wahrheiten hört man nicht gern. Vor denen verschließe ich dann gern die Augen. Das hat auch damit zu tun, dass die Einschnitte, die man für den Klimaschutz machen müsste, manchen Wirtschaftsunternehmen unbequem sind."
Diese würden dann das Bild verbreiten, dass der Klimaschutz unseren Wohlstand zerstöre. Dabei treffe das Gegenteil zu: "Kein Klimaschutz zerstört den Wohlstand." Stabile Lebensverhältnisse seien mit einem Temperaturanstieg von über 1,5 und 2 Grad nicht mehr möglich.
Das beschlossene Klimasofortprogramm der Bundesregierung reiche dazu nicht aus: Es müsse noch mehr passieren, um auf den Pfad der 2 Grad zu kommen, "aber es ist noch möglich."
(sed)
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