Neuer Militärbischof muss "Herausforderungen gewachsen" sein

Walter Wakenhut im Gespräch mit Nana Brink |
Der zurzeit kommissarisch amtierende Militärbischof, Militärgeneralvikar Walter Wakenhut, hat sich optimistisch gezeigt, dass wir "in den nächsten Monaten einen neuen und guten Militärbischof bekommen, der dieses Amt auch mit großer Begeisterung angeht".
Nana Brink: Es ist ein Teilzeitjob, aber einer mit schwieriger Aufgabenstellung und mit ungewöhnlicher Auswahlkommission, dem Militärbischof der Bundeswehr muss nämlich nicht nur der Vatikan, sondern auch die Bundeskanzlerin ihren Segen erteilen. Und dass der frühere Militärbischof Walter Mixa hieß – Sie erinnern sich, der Bischof von Augsburg, der zu Erziehungszwecken schon mal prügelte, es mit Abrechnungen nicht so genau nahm und überhaupt wegen allzu eigenwilliger Ansichten im vergangenen Jahr seinen Stuhl räumen musste –, dass der letzte Militärbischof Walter Mixa war, das macht die Suche nach einem neuen vielleicht auch nicht eben leichter.

Derzeit leitet Walter Wakenhut als Militärgeneralvikar das Amt kommissarisch. Er kann uns jetzt von den Schwierigkeiten, einen Militärbischof zu finden, erzählen. Herzlich willkommen, Herr Wakenhut, hier im Studio!

Walter Wakenhut: Grüß Gott!

Brink: Herr Wakenhut, erst einmal: Macht ein Militärbischof etwas von Grund auf anderes als ein ziviler Bischof?

Wakenhut: Zunächst hat er die gleiche Aufgabe wie ein ziviler Bischof, er ist der Hirte seiner Herde. Freilich, die besondere Situation der Bundeswehr fordert auch von einem Militärbischof einen besonderen Einsatz. Dabei bin ich also bei dem Reizwort Einsatz: Soldaten sind im Einsatz, auch der Militärbischof soll und muss die Soldaten im Einsatz besuchen können, muss entsprechend fit sein. Er muss sich also auch den Gefahren auszusetzen bereit sein, mit denen sich die Soldaten eben auch tagtäglich konfrontiert sehen.

Brink: Das heißt, in Afghanistan würde er dann keine Soutane tragen, sondern eine Sicherheitsweste?

Wakenhut: In Afghanistan müsste er sich eben den Umständen entsprechend kleiden, er müsste zumindest eine schutzsichere Weste tragen.

Brink: Nun suchen Sie einen neuen, weil der frühere im vergangenen Jahr weggehen musste. Und sowohl die Bundesregierung als auch der Vatikan müssen den Militärbischof bestätigen. Warum eigentlich?

Wakenhut: Ja zunächst ist es Sache des Heiligen Stuhles, also des Vatikans, einen geeigneten Kandidaten zu finden, der ein deutscher Diözesanbischof sein muss, so sehen es die Grundlagen vor. Und der sich bereit erklärt, wird eben dann nach Rücksprache mit der Bundesregierung dann als Militärbischof ernannt werden.

Brink: Ja und wenn die Kanzlerin sagt, den möchte ich nicht haben?

Wakenhut: Ach das kann ich mir schlecht vorstellen. Die Bischöfe leisten ja alle ihren Amtseid ab auf die Verfassung des jeweiligen Bundeslandes, und da sind ja alle staatstreu. Ich kann mir nicht vorstellen, dass da irgendeiner abgelehnt würde.

Brink: Trotzdem ist es ja ein überraschendes Konstrukt, dass eine Regierung eines Staates und der Vatikan, der ja in gewisser Weise auch die Regierung eines anderen Staates ist, gemeinsam so jemanden aussuchen. Warum ist das so?

Wakenhut: Ja, der Grund liegt im Reichskonkordat von 1933, wo eben die Bundesregierung mit dem Vatikan ausgehandelt hat, dass der Armeebischof im Einvernehmen mit der Reichsregierung ernannt werden muss, was damals natürlich eine besondere Brisanz hatte, heute, in unserem demokratischen Staat aber sicher von weniger oder geringerer Bedeutung ist.

Brink: Also Sie sehen mich aber staunen, dass ein Gesetz, ein kirchlich-weltliches Gesetz ausgerechnet von 1933 offenbar noch in Funktion ist. Ist das nicht überholt?

Wakenhut: Das war ein eigener Beschluss des Bundestages, dass das Reichskonkordat weiterhin gilt. Und dieser Artikel 37 des Reichskonkordates legt eben die Grundlagen der Militärseelsorge fest, und die sind eben dann in der Bundesregierung, in die Gesetzgebung der Bundesregierung mit eingegangen.

Brink: Also man hat ganz schlicht gesagt, ist gut, wenn den beide mögen, die Regierung und der Vatikan?

Wakenhut: Ja, es ist ja eine besondere Stellung, die der Militärbischof hat, eben zwischen Staat und Kirche, und ich glaube, dass sich in kaum einem anderen Gebiet diese enge Beziehung Staat-Kirche, sich das so auswirkt wie in der Militärseelsorge, wo eben der Staat wünscht und die Kirche leistet, wo der Militärpfarrer unabhängig ist von staatlicher Weisung, aber auf der anderen Seite eben auch Beamter ist.

Brink: Also er ist unabhängig von staatlicher Weisung. Aber das kann er doch eigentlich nicht sein, wenn der Staat ihn mit wählt?

Wakenhut: Ja, die beamtenrechtlichen ... praktisch die Form bestimmt der Staat, den Inhalt die Kirche, so kann man das sagen.

Brink: Also im Zweifelsfall ist dann die Seelsorge immer noch seine vorderste Aufgabe, egal, ob er sie nun ja regierungskonform oder nicht regierungskonform macht, die Betreuung der Soldaten.

Wakenhut: Ja.

Brink: Ja, wenn also beide bestimmen, Bundesregierung und Vatikan, hat dann eigentlich jemand das letzte Wort?

Wakenhut: Ich denke, der Vatikan hat das letzte Wort, weil der muss ja im Endeffekt ernennen.

Brink: Wurde da schon mal die Probe aufs Exempel gemacht irgendwann in der langen Geschichte?

Wakenhut: Das weiß ich nicht, das kann ich nicht sagen. Man sagt, im Dritten Reich, also der Reichsbischof, Wehrmachtsbischof Rarkowski sei auf Druck der Regierung zum Bischof ernannt worden, und nicht auf Vorschlag des Vatikans. Aber das sagt man.

Brink: Das heißt aber auch, der Vatikan hat ihn damals durchgehen lassen und hat sich nicht gewehrt.

Wakenhut: Ja. Der Bischof war ja persönlich integer, er konnte sich bloß gegen die damalige Reichsregierung, den gewaltigen Druck, der auf ihn ausgeübt wurde, eben nicht so durchsetzen.

Brink: Trotzdem eigentlich ein trauriges Kapitel dann in der kirchlichen Geschichte, wenn sie zugelassen hat, dass schon 1933 eine hohe Funktion, die des Militärbischofs, ja pfiff nach dem Klang der Nationalsozialisten. Das ist ja eigentlich ein peinliches Kapitel.

Wakenhut: Ja, man wusste ja 33 auch noch nicht so genau, wie sich dieses nationalsozialistische Regime auswächst, und die Figur des Rarkowski war ja eine sehr tragische. Er trat ja dann aus Krankheitsgründen zurück, weil er eben dem Druck nicht mehr gewachsen war, und starb dann 1950 relativ vereinsamt.

Brink: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton", wir fragen Walter Wakenhut, warum die Truppe derzeit ohne Hirten ist, ein neuer katholischer Militärbischof wird gesucht. Herr Wakenhut, muss ein Militärbischof eigentlich gedient haben?

Wakenhut: Der muss nicht gedient haben, er muss bloß viel Verständnis für die Soldatinnen und Soldaten und deren Familien haben, muss also ein hohes Gef ... , Bedarf an Empathie haben. Er muss sich also hineindenken in die Soldaten und einfach dabei sein.

Brink: Also auch ein Zivilist hätte Chancen?

Wakenhut: Ja sicher!

Brink: Wissen Sie, ob die früheren Militärbischöfe alle eine Verbindung zum Militär von Anfang an hatten, oder ist die erst durch das Amt gewachsen?

Wakenhut: Bei den meisten ist sie durch das Amt gewachsen. Also der Einzige, dabei ich es weiß, der sicher gedient hat, war Erzbischof Kredel, der als Obergefreiter im Zweiten Weltkrieg diente.

Brink: Woher bekommt man einen Militärbischof eigentlich her? Ich habe vorhin gesagt, das seien Teilzeitjobs, Sie sagen, das ist ein Nebenamt. Das heißt, das muss jemand sein, der als Bischof schon arbeitet.

Wakenhut: Es ist also vorgesehen und vorgeschrieben, dass nur ein Diözesanbischof Militärbischof werden kann, und der muss das als Zusatzamt eben ausüben. Und das ist bei unseren großen Diözesen, bei den vielfältigen Anforderungen, denen sich die Bischöfe an sich schon gestellt finden, schon relativ schwierig.

Brink: Lohnt sich das?

Wakenhut: Es lohnt sich sicher, da der Militärbischof unter den Soldaten immer ein hohes Ansehen hat. Soldaten sind immer empfänglich für die Seelsorge, und ein Bischof – jedenfalls bis jetzt – war immer ein gern gesehener Gast und auch ein willkommener Ratgeber für die Militärs.

Brink: Entschuldigung, ich meinte das jetzt gar nicht ethisch, sondern auch ganz profan finanziell?

Wakenhut: Finanziell lohnt sich das nicht, das ist ein Zusatzamt, wo außer Spesen nichts gewesen ist.

Brink: Herr Wakenhut, jetzt sucht man seit schon relativ langer Zeit, nämlich seit Bischof Mixa weggehen musste, sucht man jemanden Neues. Schreckt das potenzielle Nachfolger ab, dass der Vorgänger, Bischof Mixa, keinen guten Ruf hat und zu Recht keinen guten Ruf hat, als er aus dem Amt gekegelt wurde, muss man ja wohl sagen?

Wakenhut: Ich denke, das ist nicht so. Es ist ... Es muss sich jeder gut überlegen, ob er dieses Amt annimmt, ob er diesen Herausforderungen gewachsen ist, und es spricht auch für den Vatikan, dass er sich die Auswahl eines Militärbischofs nicht zu leicht macht, sondern dass er gut hinschaut, wer nun für dieses Amt geeignet ist. Und ich hoffe, dass wir in der nächsten Zeit, in den nächsten Monaten einen neuen und guten Militärbischof bekommen, der dieses Amt auch mit großer Begeisterung angeht.

Brink: Kann sein, dass der Vatikan ganz besonders genau hinschaut. – Kann natürlich auch sein, dass niemand es werden will?

Wakenhut: Ich glaube eher, das das Zweite die Möglichkeit ist. Dass der Vatikan gut hinschaut und eben auch darauf achtet, dass er eben all diesen Herausforderungen und Anforderungen gewachsen ist, die ein Militärbischof in der heutigen Zeit erfüllen muss.

Brink: Woraus schließen Sie das?

Wakenhut: Ach ja, es gibt so einige Hinweise, dass man sich die Auswahl nicht zu leicht macht, sondern dass man also auch viele Gespräche führt, um eben den geeigneten Kandidaten zu finden. Das ist immerhin nicht so eine Sache, die ich nebenher machen kann.

Brink: Aber Sie sind ganz optimistisch, dass Sie das Amt nicht mehr lange kommissarisch leiten müssen und wieder Zeit haben für Ihre eigenen Aufgaben?

Wakenhut: Ja, ich denke, ich bin da sehr zuversichtlich, dass ich dieses Amt nicht mehr lang ausüben muss, dass wir einen guten, neuen Militärbischof bekommen, und jeder, der kommt, ist der Beste, weil kein anderer kommt.

Brink: Nun ist die Bundeswehr in keiner leichten Lage. Bezieht sich Ihre Zuversicht hinsichtlich eines neuen Militärbischofs auf Tage, auf Wochen oder auf Monate?

Wakenhut: Ich denke, auf Wochen und Monate.

Brink: Das Amt ist seit einem knappen Jahr verwaist. Merkt man das? Fragen die Soldaten nach einem Bischof?

Wakenhut: Die Soldaten fragen nach einem Bischof, weil sie schlichtweg eben als Gemeinschaft der katholischen Soldaten wissen, zu uns gehört ein Bischof, der uns leitet und führt. Im operativen Geschäft ist es weniger entscheidend, weil der Militärbischof ja nicht die Funktion hat in Bezug auf Personal und so weiter, wie in einer Diözese. Der Dienstvorgesetzte der Pfarrer ist ja der Generalvikar.

Brink: Das wollte ich gerade fragen: Das ist jetzt das Prozedere, der Ablauf, aber wenn ein Militärbischof fehlt, dann fehlt doch für einen Soldaten, der mit jemandem sprechen möchte, der einen Gottesdienst besuchen möchte, wenn ich es richtig verstanden habe, trotzdem erst mal gar nichts. Das kann er alles trotzdem tun, oder nicht?

Wakenhut: Ja, eine Diözese ohne Bischof ist auf keine gute Diözese, weil schlichtweg der abgeht, der am Letzten das Sagen hat, der die Ideen gibt, der inspiriert, der begeistert. Der Generalvikar hat halt immer mehr die Verwaltungsleitung und ist von daher eben anders angesiedelt wie der Bischof.

Brink: Und der Letzte, der das Sagen hat, wird derzeit noch gesucht. Die katholische Kirche sucht gemeinsam mit der Bundesregierung nach einem neuen Militärbischof für die Bundeswehr. Derzeit leitet Walter Wakenhut als Militärgeneralvikar dieses Amt kommissarisch, und ich danke Ihnen herzlich für Ihren Besuch im Studio hier von Deutschlandradio Kultur!

Wakenhut: Danke!
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