Endspurt bei der Barenboim-Said Akademie
Die Barenboim-Said Akademie im ehemaligen Magazin der Berliner Staatsoper wächst. Junge Musiker aus den Kriegsregionen des Nahen Ostens können sich hier für ein Studium nicht nur der Musik, sondern auch der Geisteswissenschaften bewerben. Gründungsdirektor Naumann führte nun über die Baustelle.
Das Leben ist eine Baustelle, das gilt auch für die Barenboim-Said Akademie. Das, was bald der modernste und ungewöhnlichste Konzertsaal der Stadt werden soll, wird derzeit noch von schwerem Gerät erschüttert – ein erster Härtetest für die Akustik.
Doch es geht voran. Michael Naumann, Gründungsdirektor der Akademie, führt mit sichtlichem Stolz über die noch nackten Betonböden. Doch die Wände sind schon teilweise in edlem Holz vertäfelt, die spektakuläre Architektur des künftigen Pierre-Boulez-Saals ist schon klar erkennbar.
"Der Konzertsaal hat eine elliptische Form, das heißt es gibt einen Rang, der schwebt gewissermaßen wie eine fliegende Untertasse in wellenförmiger Form über dem Konzertsaal."
Gehry Entwurf als Geschenk für Barenboim
Schon jetzt ahnt man das künftige Raumgefühl in diesem leichten, schwingenden, futuristischen Saal. Der amerikanische Stararchitekt Frank Gehry hat ihn als Freundschaftsgeschenk für Barenboim entworfen – umsonst, pro bono. In Naumanns Büro hängt noch die Skizze, auf der Gehry seine erste Idee festgehalten hat: Zwei hingekrakelte Kringel in einem Quadrat. Naumann ist sich sicher, dass der künftige Saal Berlin bereichern wird – als Spielstätte für die Akademiestudenten und als kommerzieller Konzertsaal mit 622 Plätzen.
"Also die Akustik, das weiß man ja, ist bei Konzertsälen immer gewissermaßen eine Zauberei, wenn man sie vorher festlegen will. Wir haben nun den zurzeit den vielleicht den weltberühmtesten Akustiker engagiert, Yasuhisa Toyota – ich behaupte mal, das hat hier eine Stradivari-Qualität."
Noch ist von Stradivari-Qualität wenig zu hören. Doch im Laufe dieses Jahres werden die Bauarbeiten abgeschlossen sein. Das erste Konzert soll im März 2017 stattfinden. Noch schneller wird es mit dem Lehrbetrieb losgehen. Bereits zum Wintersemester sollen die ersten 20 von 100 Stipendiaten aus den Kriegsregionen den Nahen Ostens ihr Studium beginnen. In einem vierjährigen Bachelor-Studium werden sie nicht nur von hervorragenden Lehrern an ihren Instrumenten ausgebildet, sondern auch in Literatur, Geschichte, und Philosophie.
Musik als Ausdruck von Völkerverständigung und Humanität – ganz im Geiste des west-östlichen Divan-Orchesters, das von Daniel Barenboim, und seinem palästinensischen Freund, dem 2003 gestorbenen Literaturwissenschaftler Edward Said gegründet wurde.
Fast 200 Musiker haben sich beworben
Naumann stößt durch verstaubte Plastikplanen in den hinteren Teil des Gebäudes vor – überall wird gehämmert und gespachtelt. Hier entstehen Seminarräume, Büros, eine Bibliothek, Probenräume mit eigentümlichen Knicken in den Wänden und Löchern in der Decke. Kein Dekonstruktivismus à la Gehry, sondern bauliche Klangoptimierungen.
"Schauen Sie an die Decke. Das sind akustische Machinationen. Hier kommt ein Klavier rein. Und durch diese Verkantungen wird der richtige Nachhall, der berühmte Nachhall produziert. Na, mal sehen!"
Während der Bau fortschreitet, laufen die Vorspiele bereits, teils in den Herkunftsländern, teils in Berlin. Fast 200 junge Musiker haben sich beworben. Die Anforderungen an die Bewerber sind hoch. Neben herausragendem künstlerischem Talent müssen sie auch eine intellektuelle Neugier mitbringen, erzählt Dekan Mena Mark Hanna.
Ziel: ein Weltbürger zu werden
"Unsere Studenten müssen die Bereitschaft und die Fähigkeit mitbringen, zu wachsen und sich zu entwickeln – mit dem Ziel, ein besserer Musiker zu werden, aber auch ein Weltbürger zu werden. Diese Akademie beruht auf der Vorstellung von gegenseitigem Verständnis und einem universellen Humanismus. Und diese Ziele wollen wir durch Musik erreichen. "
Ob das funktioniert? Seit einem halben Jahr läuft in der nahe gelegenen Jägerstraße ein Pilotprojekt der Akademie mit zwölf Studierenden – aus Israel, Palästina, Ägypten, Libanon, der Türkei. Die intensive Zusammenarbeit mit der Gruppe, mit dem Instrument und im Studium, der Austausch mit den anderen habe bei ihm viel ausgelöst, sagt Faris Amin, Violinstudent aus Palästina. Das letzte halbe Jahr habe sein Leben verändert.
Musik sei eine sie alle verbindende, gemeinsame Sprache, ergänzt Miri Sa’adon, Klarinettistin und jüdische Israelin.