Neue schöne Künstlerwelt

Von Siegfried Forster |
Zum ersten Mal sind mehr ausländische als französische Galerien auf der 32. FIAC vertreten. Die Spannbreite der präsentierten Arbeiten reicht von Kunst als Supermarkt-Produkt "made in China" bis zu einem "work in progress", bei dem sich eine Künstlerin auf der Messe einmauern lässt.
"Turning round the sound" - Bei Künstler Ben kreist ein roter Ball um die Sonne, drumherum dreht sich alles um die Kunst. Die FIAC als würdige Nachfahrin des Sonnenkönigs alias "Die Kunst bin ich" - und ereifert sich, wieder zum weltbewegenden Kunstereignis aufsteigen zu wollen.

Zum ersten Mal in der über 30-jährigen Geschichte sind mehr ausländische als französische Galerien vertreten, bevölkern ein Viertel der anwesenden Galerien als Neuankömmlinge das FIAC-Reich. Messehallen als ephemerer Kunst- und Konsumtempel. Eine Lokomotive, auf die Kunstliebhaber einfach aufspringen müssen, tönt Martin Béthenod. Der FIAC-Generalkommissar ist überzeugt davon, dass die Pariser Kunstszene ihr Tief überwunden hat und international wieder den Ton mit angibt:

" In dieser Oktoberwoche sollen alle Freunde der Kunst einfach nicht an Paris vorbeikommen können. In dieser Woche öffnen hier alle großen Ausstellungen: Dadaismus im Centre Pompidou, die große Klimt-Schau, die Ausstellungen im Palais de Tokio und Jeu de Paume, neue Kultureinrichtungen wie die Cinémathèque Française, der renovierte Grand Palais, außerdem starten die Mode-Defilees. Wir wollten diese Ereignisse bündeln, damit die gesamte Kunstwelt Lust hat, sich hier in Paris zu treffen."

Bei der kakophonischen Installation von Ruben Ramos Balsa ist die Welt zu Gast: 25 Straßenmusiker aus allen Kontinenten und mit allen nur vorstellbaren Instrumenten hat der Spanier gefilmt. 25 Bildschirme im Handyformat mit Mini-Lautsprechern formen eine Art ästhetisiertes globalisiertes Chaos-Orchester.

Geordneter geht es da schon bei Raphaël Julliard zu. Der 26-Jährige zeigt die Globalisierung von ihrer monotonen und kapitalistischen Seite. "Tausend chinesische Gemälde" heißt sein Werk: ein rotes monochromes Gemälde in tausendfacher Ausführung. Kunst als Supermarkt-Produkt "made in China":

" Das Grundprinzip lautet, das Spiel der Auslagerung zu spielen, genauso wie dies große Unternehmen bei Schuhen oder Kleidern machen. Ich habe nur das Prinzip der Gemälde festgelegt. Anschließend habe ich in China Leute gefunden, die die Bilder vollständig für mich gemacht haben, vom Rahmen bis zur Leinwand. Per Schiff wurden sie hierher verfrachtet und werden nun hier verkauft."

Stückpreis für die ein Quadratmeter große, mit roter Farbe bepinselte Leinwand: 100 Euro. Die Besonderheit dabei: Nur durch den Namen des Käufers auf dem Umschlag des Werkes können die Werke unterschieden werden. Definiert wird das Werk also nicht mehr durch den Künstler, sondern durch den Käufer. Galerist Pierre Huber von "Art & Public" aus Genf erklärt uns die neue schöne Künstlerwelt:

" Die Namen sind einfach die Leute, die die Arbeiten gekauft haben, bestellt haben und damit wir das nicht vermischen, haben wir einfach den Namen vom Besitzer von dem Bild aufgeschrieben, dass wir die nicht alle gleichzeitig liefern können. Wir haben das auf Internet getan, auf Internet haben die Leute wie verrückt gekauft. Und die Leute werden die Bilder hier abholen oder in Genf abholen, das heißt, viele Leute haben jetzt seit zwei Tagen diese Bilder wie verrückt gekauft und wir müssen natürlich, bevor wir mehr verkaufen – wie in den Flugzeugen es Plätze gibt –, müssen wir jetzt auch ein Inventarium machen, damit wir wissen, wem was gehört."

Eine ordentliche Gewinnspanne gönnt sich auch Tatjana Doll mit ihren handgemalten Metro-Tickets, bei denen sie Vor- und Rückseite jeweils für 1500 Euro verkauft. Wer lieber 1,5 Millionen ausgeben will, kann ja zu David Juda weiterspazieren. In seiner gleichnamigen Galerie aus London verkauft er Gemälde von Malewitsch, Hockney, Nash bis Christo. Ein Eindruck bleibt: Die FIAC gleicht dieses Jahr einer Einkaufszeile: eine Messehalle für renommierte Galerien mit kunstmarktgerechten Werken, der Grand Palais für großformatige Installationen mit Prestigecharakter, eine weitere Messehalle für etwas wagemutigere Newcomer-Galerien, bei denen auch schon mal eine Schlange als "work in progress" Mäusekinder verspeist oder Künstlerin Marion Laval-Jeantet sich lebendig einmauern lässt.

" Unser Projekt stellt die Frage nach dem Stellenwert des Künstlers auf einer Kunstmesse wie hier auf der FIAC. Benoît wird mich hier einmauern – während ich schreibe. Für uns geht es darum, die Frage zu stellen: Wo ist die Anerkennung des Künstlers? Was verkauft ein Künstler, wenn er Kunst verkauft? Ich bleibe hier also fünf Tage lang eingemauert auf diesem Stand. Das Erlebnis dieses Eingesperrtseins auf dieser Messe, wo die Leute überall nur vorbeigehen, wird das letzte Kapitel in meinem Buch werden über das Künstlerleben heute."

Service:

Die internationale Kunstmesse FIAC findet vom 6. bis 10. Oktober 2005 in Paris statt.