Neue Schlossgespräche

Von Reinhard Knodt · 11.05.2010
Die ewigen Berliner Schlossgespräche sind amüsant und ärgerlich. Amüsant ist, dass man noch vor ein paar Jahren diskutierte, ob es nicht die Fassade des Schlosses allein täte und man dahinter Nützliches verbergen könnte, ein Hotel zum Beispiel, während man jetzt anscheinend meint, das Gebäude ohne Fassade täte es.
Amüsant ist auch, dass sich angesichts eines jeden einzelnen Schrittes in Richtung Humboldtforum, ob Abrissbeschluss, Neubaubeschluss, Architekturwettbewerb und Preisverleihung immer wieder das gleiche Ritual derer abspielt, die sich den Beschlüssen nicht beugen wollen. Proteste, Eingaben, Vereinsaktivitäten, selbst der einstimmig ermittelte Sieger des Architekturwettbewerbs, Franco Stella, musste sich einer Satisfaktionsprüfung durchs Oberlandesgericht stellen. Aber das ist Demokratie, kann man sagen, da sieht man, dass hier gelitten und emphatisch gehandelt wird.

Eine jedoch überflüssige Diskussion, sozusagen aus journalistischer Brillanz vielleicht, um damit die alten Geister wieder aufzuwecken, ist aber auch ärgerlich, denn sie entfacht Irritationen, die besser unterblieben.

Zugegeben, Franco Stella bekannte - das ist übrigens seine Pflicht -, die Sache würde mehr kosten als geplant, und ein bisschen Fassade und die Kuppel seien schon nötig, während der Bauminister - auch pflichtgemäß - dagegensetzte, das Geld für Schmuck und Kuppel solle laut Vertrag eingeworben werden, und wenn es länger dauere, dann müsse man eben auch länger warten. Aber was wurde aus nun diesem, sagen wir, öffentlichen Informationsaustausch gemacht?

Als "Rechnungsprüfer" habe sich Ramsauer im Büro des großen Maestro Stella benommen statt als würdiger und spendabler Bauherr. Der Minister würde gar nicht an das Schloss glauben, wurde sogar vermutet, und nun stehe alles infrage, weil der Schlossverein das Geld nicht aufbringen würde.

Gegner des Baus kommentierten, Ramsauer habe neben Kuppel und Fassade eigentlich nur noch vergessen, den Rest zu streichen, was eh besser wäre, und jemand befürchtete gar, er müsse in ein paar Jahren seinen Besuchern voller Scham ein deutsches Rumpfprojekt vorführen. Was soll das, fragt man sich, abgesehen davon, dass wenig Zutreffendes darin enthalten ist?

Es trifft nämlich nicht zu, dass Ramsauer am Kulturforum oder seiner Gestalt zweifelt. Er setzt einen Parlamentsbeschluss um und mag nicht gleich in vorauseilendem Gehorsam das Scheckbuch gezückt und nach den Wünschen des Maestro gefragt haben. Ansonsten hat er sich mehrfach für den Bau und auch in seiner jetzt geplanten Form starkgemacht.

Es stimmt auch nicht ganz, dass der Schlossverein Probleme hat, das Geld einzuwerben. Boddien hatte bereits Millionen eingeworben, als die Sache noch unsicher war, und seit 2006 treffen rund zwei Millionen Spenden jährlich ein. Der fortschreitende Bau dürfte das Spendenaufkommen noch fördern, wobei es vielleicht noch einmal zu überdenken wäre, warum man das Geld nur für die Fassade einwirbt und nicht schlicht als Teil der Bausumme. Damit entsteht der falsche Eindruck, es wäre strittig, ob und welche Fassade das Forum haben sollte.

Sollten die aktuellen Äußerungen der letzten Woche ansonsten bezwecken, die finanzielle Vorabhaftung des Ministers oder ein Machtwort der Bundeskanzlerin zu befördern, so verfehlen sie ihren Zweck und wirken kleinmütig. Natürlich kämen nicht viele Spenden herein, wenn die Regierung von vornherein erklären würde, sie wolle alles selber zahlen.
Das Forum ist also keineswegs in der Krise. Es wird gebaut werden, es wird damit ein Abrissfehler gutgemacht. Es wird auch - wie der ehemalige "Palast des Volkes" - ein öffentlich-kultureller Raum werden und nebenbei für die Stadt keine schlechte Arbeitsbeschaffungsmaßnahme.

Am Rande kann man erwähnen, dass die Gesamtkosten die eines mittelgroßen U-Bahn-Knotens nicht übersteigen. Das weiß auch die Regierung – letzten Endes und wenn alle Stricke reißen. Doch die reißen sicher nicht!

Reinhard Knodt, geboren 1951, ist Publizist und Rundfunkautor in Berlin. Als Verfasser zahlreicher philosophischer Essays zur Kulturkritik (eine Sammlung erschien bei Reclam) war er Lehrbeauftragter, Vortragsredner und Lehrstuhlvertreter an zahleichen Universitäten im In- und Ausland, darunter Collège de France, Penn State University, UCD Dublin, HDK Kassel, die Universitäten Freiburg, Bamberg, Bayreuth, Erlangen-Nürnberg, Hannover und UDK Berlin. Er erhielt mehrere Kulturpreise, darunter den Friedrich-Baur-Preis für Literatur 2007 der bayerischen Akademie der Künste.