Neue Platten

Kammer-Pop, Retro-Radio-Songs und Folk

Der US-amerikanische Sänger und Songwrighter Mark Lanegan
Der US-amerikanische Sänger und Songwrighter Mark Lanegan © picture alliance / dpa /Britta Pedersen
Von Carsten Rochow · 17.10.2014
Im Plattenladen, im Elektromarkt oder als Download in den Digitalmärkten: Carsten Rochow stellt sie vor, hörenswerte Neuerscheinungen der Woche.
Nicholas Krgovich – On Sunset
Label: Tin Angel/Indigo
Cover: Nicholas Krgovich – On Sunset
Cover: Nicholas Krgovich – On Sunset© Label: Tin Angel/Indigo
Der Kanadier Nicholas Krgovich hat 2002 mit einem Kammer-Pop-Album die Musikwelt zum ersten Mal aufhorchen lassen. Damals unter dem Namen P:ano. Danach sind unter verschiedenen Pseudonymen und mit diversen Bands knapp zwei Dutzend Platten erschienen, auf denen er sich musikalisch sehr vielseitig ausgedrückt hat.

Auf seinem neuesten Album "On Sunset" widmet sich der Multiinstrumentalist Krgovich der Stadt Los Angeles. Aber ihm geht es nicht um Glanz und Glamour, sondern um Herz und Seele seiner Zweitheimat. Mit R'n'B und Soul, Streicher- und Bläsersätzen, mit Ausflügen in entlegene Gebiete der Popmusik und seinen oft unkonventionellen Gesangsmelodien reflektiert er die Stadt der Engel, die schon so oft besungen wurde, überraschend anders. Ein tolles Album!


Mark Lanegan Band – Phantom Radio
Label: PIAS/Heavenly
Mit seinen Screeming Trees hat Mark Lanegan neben Bands wie Soundgarden, Pearl Jam und Nirvana die Grunge-Szene in den frühen 90ern ordentlich aufgemischt. Nach dem Ende der Band im Jahr 2000 wurde er Mitglied bei Queens Of The Stone Age. Aber laute Bands sind für ihn nicht alles. Auf zahlreichen Soloalben schlägt der Mann mit der vollreifen Stimme deutlich ruhigere Töne an: Folk, Blues und seit neuestem auch elektronische Klänge.
Jetzt mit Ende Vierzig sei er auf den Geschmack von Krautrock, britischer New Wave und Post Punk gekommen. Vielleicht steht die 80er Jahre Show von Lanegans Lieblingsradiosender sogar Pate für den Albumtitel: "Phantom Radio2. Beeinflusst hat sie ihn allemal. Zum Glück sehr zum Guten. "Phantom Radio" ist sein bisher vielseitigstes und abwechslungsreichstes Album. Es kann trotzdem sein, dass sich einige Fans erst an den neuen 80er-Lanegan gewöhnen müssen.
Haley Bonar – Last War
Label: Memphis Industries/Indigo
Haley Bonar – Last War
Haley Bonar – Last War© Memphis Industries/Indigo
Haley Bonars Geschichte klingt eigentlich wie ein Musikertraum: entdeckt wurde sie mit 19 von ihrem musikalischen Helden Alan Sparhawk von der Band Low. Den konnte sie bei einer Open-Mic-Veranstaltung überzeugen. Auf sein Angebot hin, mit ihm und seiner Band auf Tour zu gehen, schmiss sie die Schule.

Stattdessen hat sie ihren Honda Civic mit Fender Rhodes Piano, Westerngitarre und ihrem Dummer beladen. Durch ständiges Touren, einer Veröffentlichung (fast) jedes Jahr seit 2001 und Zusammenarbeiten mit gestandenen Musikern und Bands wie Andrew Bird und Bon Iver wurde Haley Bonar in den USA schnell bekannt. Ihr neues Album Last War erscheint zum ersten Mal auch auf europäischem Terrain. Das Londoner Label Memphis Industries beweist wie schon oft zuvor ein gutes Händchen. Die Platte hat zwar nur 32 Minuten Spielzeit, aber in dieser halben Stunde gelingt es Haley Bonar mit eingängigem Indie-Pop-Rock unsere ungeteilte Aufmerksamkeit zu gewinnen.
The Weather Station – What Am I Going To Do With Everything I Know
Label: Bubbles
Cover: The Weather Station – What Am I Going To Do With Everything I Know
Cover: The Weather Station – What Am I Going To Do With Everything I Know© You’ve Changed Records
Bei uns ist sie noch so gut wie unbekannt, aber früher oder später wird sich das ändern: Die kanadische Musikerin Tamara Lindeman alias The Weather Station. Drei Jahre nach ihrem wunderschön sanften Folkalbum All Of It Was Mine legt sie diese Woche eine neue EP namens What Am I Going To Do With Everything I Know vor. Darauf geht sie noch reduzierter, noch behutsamer zu Werke. Ohne Anstrengung singt sie Melodien, die unsere Herzen öffnen. Ihre außergewöhnliche Stimme funktioniert perfekt im tiefen wie im hohen Register. Dazu zupft sie warme Gitarrenharmonien und wird meist nur von einem weichen Bass begleitet, aus der Ferne fügt sich gelegentlich eine wohldosierte Pedal Steel Guitar ins musikalische Bild ein. Stundenlang könnte ich davor stehen und zerschmelzen. Aber leider hat die Platte nur gut 17 Minuten Spielzeit. Also, gleich wieder von vorn hören!