Neue Platten

Das muss man gehört haben oder auch nicht

Der Musiker Kelvin Jones in Berlin
Kelvin Jones bei seinem Konzert im September in Berlin. © picture alliance / dpa / Foto: XAMAX
Von Jutta Petermann · 16.10.2015
Der Amerikaner Josh Ritter ist mit "Sermon on the Rocks" aus der Folk-Rock Schublade rausgekommen. Eivor von den Faröer Inseln ist mit ihrem Album "Slor" ein Akustik-Elektro-Hybrid mit nordischer Exotik gelungen. Und Kelvin Jones hat Blues-Pop in Berlin eingespielt.
Josh Ritter: "Sermon on the Rocks"
Spätestens mit dem achten Studioalbum "Sermon on the Rocks" muss man Josh Ritter endlich mal aus der Folk-Rock Schublade verbannen. Alles Angestaubte hat der US-Amerikaner seiner Musik gründlich ausgetrieben. Messianisch und Orakelhaft solle sie klingen, aber auch unterhaltsam sein, wie der Honky-Tonk-Country in den Musik-Spelunken des Mittleren Westens.
Das war das erklärte Ziel von Ritter und genau so kommt "Sermon on the Rocks" rüber. Seine eisgekühlten Predigten, wie man den Albumtitel übersetzen könnte, sind aber alles andere als cool. Sie sind fiebrig und getrieben, rätselhaft, manchmal sogar bedrohlich, immer lustvoll, leidenschaftlich und überbordend im Klang. Der 39-Jährige sagt selbst zum Album, er habe sein Monster rauslassen wollen. Josh Ritter verbindet das Abgründige gekonnt mit dem Unterhaltsamen und mich überrascht extrem angenehm, das er es schafft, sich in seiner mittlerweile 16-jährigen Laufbahn als Musiker immer noch zu steigern.


Eivor: "Slor"
Eivor stammt von den Faröer Inseln und auch ihr neues Album "Slor" ist ähnlich wie Josh Ritters neues Werk mal wieder ein Beispiel dafür, welch enorm vielschichtiger Klangkosmos sich hinter der schlicht und einfach anmutenden Genreeingrenzung Singersongwriter auftun kann. Ihr 13. Album "Slor" ist ein Akustik-Elektro-Hybrid mit nordischer Exotik, zwischen hübsch und atemberaubend. Das Album durchzieht ein dunkler Glanz. Wuchtig mit monströs anmutenden elektronischen Basswänden und fragil in der hellen, feenhaften Stimme Eivors. Die 32-Jährige bleibt die Klangfantastin, als die man sie kennt mit ihrer Mischung aus Folk, Ethnopop, Klassik und dezenter Elektronik. Großartig, irgendwo zwischen traumhaft/alptraumhaft und sehr, sehr eigen. Meiner Meinung nach ist Eivor ein noch viel zu wenig beachteter Fixstern des europäischen Pop.


Kelvin Jones: "Call you Home"
Hier hören Sie den Soundtrack eines Internet-Märchens. Ein Freund von Singersongwriter Kelvin Jones hat letztes Jahr dessen Song "Call me Home" ins Netz gestellt, woraufhin der angeblich innerhalb von nur 24 Stunden eine Million Klicks bekommen haben soll. Ich schätze mal, danach hatte dieser "Freund" wohl eine Sehnenscheidenentzündung in seiner rechten Hand. Das macht die Musik von Kelvin Jones aber keinesfalls uninteressant. Denn dieser junge Mann hat den Pop, obwohl er auch Blues sehr schätzt. Der Fan von Michael Jackson und B.B. King nennt seine Musik zwangsläufig Blues-Pop. Der 20-Jährige ist in Zimbabwe geboren und in England aufgewachsen. Sein Debütalbum "Stop the Moment" ist in Berlin entstanden. Die etwas üppigeren Pop-Arrangements katapultieren seine eingängigen Melodien gelegentlich in die Nähe von Mainstream-Radio-Mittelmaß. Was das Album "Stop the Moment" aber rettet, ist der unprätentiöse Charakter der 16 Stücke, wie einfach sie im Grunde aufgebaut sind und wie er sie dennoch jedes Mal mit kleinen Brüchen originell weiter entwickelt.