Neue Musikalben

Verschwurbeltes und Klanglandschaften

Schallplattenspieler mit Langspielplatte
Schallplattenspieler mit Langspielplatte © imago stock&people
Von Martin Risel · 30.04.2015
Auf ihrer neuen Platte "Das rote Album" singen Tocotronic "Wir sind Babys". Dazu fällt einem nicht mehr viel ein, außer laut loszuprusten. Ansonsten kommen neu auf den Markt "Born Under Saturn" von Django Django und "Sacred Ground" vom Projekt Howling.
"Vibrations" heißt dieser Song im Surf Sound 4.0 vom neuen Album von Django Django auch noch. Den allzu lieblich-schönen Sixties-Gesang haben die Briten dabei brachial mit halbgaren Retortenbeats unterfüttert, auf dass beides auf halber Strecke verhungere: Das missratene Anliegen, auf der Folk-Revival-Welle mitzusurfen und der verzweifelte Versuch, sich damit den Elektro-Kids anzubiedern.
Das psychedelische Debut der Kunststudenten-Kumpel kam bei einigen Kritikern vor drei Jahren noch gut an. Der Nachfolger heißt nun "Born Under Saturn" – und ja: Die Wiedergeburt auf dem Saturn ist nun Thema. Wenn das jetzt selbst die Spex schon "ein bisschen zu meta" findet, dann bin ich raus.
Verschwurbelte Pop-Prosa von Tocotronic
Und es gibt ja, zumindest in Deutschland, noch ein anderes Album, das das Popfeuilleton zum Glühen bringt kurz vor‘m Tag der Arbeit und der roten Fahnen: Das rote Album von Tocotronic.
"Wir sind Babys… wir spucken ihnen ins Gesicht"
Mal ehrlich: Es fällt mir nicht leicht, da nicht laut los zu prusten bei solchen Zeilen. An anderer Stelle singt jetzt Dirk von Lowtzow "Ich bin ein Neutrum mit Bedeutung" oder "ein bleicher Mann, der tanzt" oder auch schlicht "ein Stenz".
Was soll man dazu sagen? Ich halte Tocotronic schon immer für überschätzt mit ihrer bedeutungsschwangeren verschwurbelten Pop-Prosa zu Post-Punk-Rock-Geschrammel der einfacheren Sorte.
Aber jaja, die Kollegen Pop-Kritiker bejubeln und streamen dieses Album schon wieder vorweg, fast reflexartig, weil Tocotronic nun mal die Musterschüler des deutschen Diskurs-Pop sind.
Und – ich will mal ehrlich bleiben: Manchmal versteh ich hierbei sogar ein bisschen, wieso das so ist. Wenn Sie diesmal "Auf dem Pfad der Dämmerung" oder "in Grenzgebieten der Parasiten" unterwegs sind auf der Suche nach Romantik und Liebe, dann hat das unverkennbar Stil. Und schwingt sich mit der einen oder anderen hübschen Melodie auf zu großem Pop.
Zum Fan werd ich damit noch nicht. Aber ich werd den Babys auch nicht ins Gesicht spucken.
Mitsurfen beim Projekt Howling
Zum Fan geworden bin ich dagegen gerade vom neuen Projekt Howling. 2012 haben sie eine erste Underground-Hymne geschaffen, jetzt ihr Debutalbum "Sacred ground": Das Duo Howling mit dem australischen Singer/Songwriter Ry Cumming und dem Wahlberliner Deephouse-Spezialisten Frank Wiedemann.
Was die beiden da zusammen bringen, das ist mehr als ein Mitsurfen auf der seit ein paar Jahren rollenden Welle, Folk und Elektronik zu vermischen. Howling schaffen eigenständige Klanglandschaften voller Seele und Tiefe, und starten damit in diesem Jahr groß durch: Auf Europa-Tournee, vielen Festivals und in meinem Herzen.
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