Neue Musik vom Rostrum aus Tallinn

Rumrennende Tiger und Salzwasser

Der slowenische Komponist Vito Žuraj
Der slowenische Komponist Vito Žuraj © Tone Stojko/Website Vito Žuraj
11.08.2015
Eine kleine UNO-Vollversammlung der Neuen Musik ist das "International Rostrum of Composers" - in dieser Sendung (der zweiten von zweien) stellen wir die prämierten Werke des diesjährigen "Rostrum"-Treffens vor, das in der estnischen Hauptstadt Tallinn im vergangenen Mai stattgefunden hat.
Jedes Jahr kommen Vertreter von Rundfunkanstalten aus aller Welt zum „International Rostrum of Composers" zusammen, um dort neue Trends der zeitgenössischen Musik zu diskutieren und bisher unbekannte Komponisten einer internationalen Öffentlichkeit vorzustellen. In diesem Jahr fand das Rostrum zum ersten Mal in der estnischen Hauptstadt Tallinn statt.
Seit über sechzig Jahren gibt es das „International Rostrum of Composers" (oder, weil es jahrzehntelang in Paris stattfand: „La Tribune internationale des compositeurs"). Veranstaltet wird es vom International Music Council. Am Anfang waren es gerade mal vier zentraleuropäische Länder, die sich 1954 trafen, heute bringt das Rostrum Delegierte von vier Kontinenten zusammen, aus Hongkong und Frankreich, Mexiko und Slowenien, Norwegen und Serbien.
Die Bandbreite beim Rostrum ist groß, es gibt ganz bewusst keine Einschränkungen zu Stil oder Besetzung. Elektronik steht neben Chor, großes Orchester neben Solostücken. Es geht nicht um eine bestimmte Ästhetik, sondern ganz im Gegenteil um die Vielfalt dessen, was in verschiedenen Regionen und Kulturen „Neue Musik" ist. Erklärtes Ziel ist dabei, Komponisten vorzustellen, die noch keinen internationalen Ruhm erlangt haben, die zu entdecken aber lohnt. Auch aus diesem Grund gibt es neben der allgemeinen Kategorie auch noch eine spezielle Kategorie für junge Komponisten unter 30.
Das International Rostrum of Composers ist also kein Kompositionswettbewerb. Trotzdem wird am Ende der Konferenz in beiden Kategorien je ein besonders herausragendes Werk ausgewählt. In diesem Jahr waren das zwei Orchesterwerke: „Songr" von Jan Erik Mikalsen aus Norwegen und „Cancro" von Matej Bonin, einem 29-jährigen Komponisten aus Slowenien.
Ergänzt werden diese beiden besonders hervorgehobenen Werke durch die Empfehlung weiterer Werke, sowohl in der allgemeinen Kategorie wie auch in der Kategorie junger Komponisten. Nachdem wir im Konzert am 22. Juli vor allem Werke der allgemeinen Kategorie vorgestellt haben, sind jetzt hauptsächlich die jungen Komponisten dran.
62. International Rostrum of Composers
Eesti Radio, Tallinn
Aufzeichungen vom 12. bis 15. Mai 2015
Matej Bonin (Slowenien)
"Cancro" für Orchester (2015)
Sinfonieorchester von RTV Slovenija
Leitung: George Pehlivanian
Mikołaj Laskowski (Polen)
"The tiger left me unsatisfied" für Violine, Klarinette, Schlagzeug und Hammondorgel (2014)
Kwartludium Ensemble
Dariusz Przybylski, Hammondorgel
Igor C. Silva (Portugal)
"You should be blind to watch TV" für Ensemble und Elektronik (2013)
Remix Ensemble
Martin Matalon (Frankreich)
"La Carta" für Sopran, Klarinette, Akkordeon/Bandoneon, Schlagzeug und Elektronik (2014)
Françoise Kubler, Sopran
Ensemble Accroche Note
Jorge Sánchez-Chiong (Österreich)
"Salt Water" für Saxofon, Elektronik, Video und Saxofonensemble
ensemble.konsax.wien
Jorge Sánchez-Chiong, Turntables
Lars Mlekusch, Saxofon und Leitung
Branka Popovic (Serbien)
"Lines and Circles" für Harfe, Trompete, Blockflöte und Akkordeon (2013)
Ensemble Studio 6
João Ceitil (Portugal)
"ChacoN" für Kammerensemble (2014)
Ensemble Alter Ego
Vito Žuraj (Slowenien)
"Runaround" für vier Blechbläser und Instrumentalgruppen
Ensemble Modern
Leitung: Johannes Kalitzke
Katharina Klement (Rumänien)
"Drift" für Orgel und Elektronik (2015)
Wolfgang Kogert, Orgel