Neue Länder

Fatale Signale aus Sachsen-Anhalt

Ansicht des Magdeburger Doms
Der Magdeburger Dom © Deutschlandradio / Ulf Dammann
Von Christoph D. Richter · 15.10.2014
Von Sachsen-Anhalt ist außerhalb der Wahlkampfzeiten nicht allzu viel zu hören. Doch in Magdeburg knirscht es gewaltig - denn seit Ministerpräsident Reiner Haseloff regiert, so klagt die Opposition, hat die Streitkultur gewaltig gelitten.
"Das ist keine Nationale Front, sondern das ist eine Koalition der Vernunft."
Christdemokrat und Ex-Ministerpräsident Wolfgang Böhmer zum Zustand der Großen Koalition in Sachsen-Anhalt:
"Also Sie werden mich nicht dazu verführen, als Oberlehrer der Landesregierung aufzutreten. Es gibt Sachen, zu denen ich mich nicht äußere."
Gemeint ist der von der Öffentlichkeit genannte unsensible, wenig empathische Politikstil der Großen Koalition unter der Ägide des Ministerpräsidenten Reiner Haseloff. Denn in vielen Fällen wird nicht gestritten, sondern gepoltert. Diskussionen oder Einwände werden kaum zugelassen.
"Widerspruch wird nicht geduldet. Das Signal an die Gesellschaft: Ihr könnt euch drüber aufregen, aber es ist sinnlos, es passiert sowieso nichts mehr. Die Dinge sind beschlossen. Ihr könnt nach Hause gehen. Dieses Signal ist fatal."
So Linken-Oppositionsführer Wulf Gallert während einer Landtagsdebatte.
Größter Kritikpunkt: Der rigide genannte Führungsstil des katholischen CDU-Ministerpräsidenten Reiner Haseloff. Auf Kritik reagiert er schnell gekränkt und beleidigt, um dann ins Freund-Feind-Schema zu verfallen:
"Ich als Ministerpräsident kann nur weiter arbeiten, wenn die Vereinbarung, die alle im Kollektivorgan eines Kabinetts getroffen haben, entsprechend auch solidarisch durchstehen. Da kann keiner ausbrechen, da muss gemeinsam zusammen gestanden werden."

CDU-Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt Reiner Haseloff
CDU-Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt Reiner Haseloff© picture alliance / dpa
"Die Gesellschaft ist sehr konsensorientiert."
Ein Umgangston, der Professorin Claudia Dalbert, Oppositionsführerin der Grünen im Magdeburger Landtag, seit Beginn der Legislatur 2011 mächtig irritiert:
"Dem Sachsen-Anhalter und der Sachsen-Anhalterin ist das Streiten nicht wirklich in die Wiege gelegt. Die Gesellschaft ist sehr konsensorientiert. Aber manchmal gibt es politische Situationen, wo die Kompetenz zum Streiten auch wünschenswert wäre. Streit als was Positives, das ist hier wirklich nicht verankert."
Jetzt macht gar schon das Wort von der sozialistischen Einheitspartei die Runde, die in Magdeburg mit der Großen Koalition wieder auferstanden sei. Sozusagen – Achtung Ironie - SED 2.0.
"Aber die Leute sind ja hier die SED gewöhnt. 40 Jahre lang. So, und deswegen kommt man wieder in diesen Fluss und sagt: „Ja, was gesagt wird, wird getan". Und keiner regt sich auf."
Ernst-Ulrich Kreschel von Magdeburger Kabarett 'Die Kugelblitze'. Seine Bühnen- Partnerin Sabine Münz ergänzt.:
"Ich meine, Frau Merkel würde jetzt sagen: 'Physikalisch gesehen...', was Sie hier auch wirklich auf dem Alten Markt in Magdeburg gesagt hat '...das Vakuum hält alles zusammen.' Schöner kann ich es nicht sagen, dass ist das, was SPD und CDU auch wirklich eint: das Vakuum."
Der aus Niederbayern stammende, in Halle lehrende Soziologe Reinhold Sackmann sieht in der Landesregierung in Sachsen-Anhalt keine Polterer, keine grobschlächtigen Politiker, sondern eine nüchtern pragmatische Generation am Werk. Anders als im Westen, wo man sich gerne in ideologischen Diskussionen verzettele. Nur fehle es den politischen Akteuren wie Haseloff und Co. bisweilen an Empathie und Einfühlungsvermögen.
"Die ostdeutschen Politiker sind weniger professionell, eigentlich normale."