Neue Geheimnisse von Stone Town
Che Guevara und amerikanische Diplomaten-Spione geben sich in dieser präzis durchkomponierten Sansibar-Burleske ebenso ein Stelldichein wie Sultanstöchter und arabische Sklavenhändler. Autor Hans Christoph Buch, Jahrgang 1944, ist ein Meister der Anekdoten und des süffig-süffisanten Erzählens - dazu intimer Kenner dieses Tansania vorgelagerten ostafrikanischen Eilands.
"… und als du auf der Dachterrasse ein nasses Laken zur Seite schiebst, stockt dir der Atem beim Rundblick über die Stadt: Hinter rostroten Wellblechdächern blaut das Meer, dessen Brandung ein Fischerboot durchsticht, während eine Flotte von Dhaus vor der Hafeneinfahrt kreuzt, die bunt geflickten Segel von der Abendbrise gebläht."
Wahrscheinlich hätte der Berliner Romancier, Literaturkritiker und Reporter Hans Christoph Buch, Jahrgang 1944, nichts dagegen, würde man seinem neuesten Wurf "Sansibar Blues oder Wie ich Livingstone fand" einen Hit-Soundtrack aus den 60er Jahren unterlegen: "Heißer Sand/ und ein verlorenes Land/ ein Leben in Gefahr …"
Denn weshalb nicht Heidi Brühl, wenn in dieser präzis durchkomponierten Sansibar-Burleske sich Che Guevara und der polnische Reiseschriftsteller Ryszard Kapuscinski ("Hier nennt man mich Cappuccino, weil Kapuscinski ein Zungenbrecher ist, den kein Sansibari aussprechen kann") ebenso ein Stelldichein geben wie Sultanstöchter, arabische Sklavenhändler, amerikanische Diplomaten-Spione und, last but not least, ein DDR-Gesandter mit dem Decknamen Hans Dampf.
Ein solcher nämlich scheint auch unser weitgereister Autor zu sein, Meister der Anekdoten, des süffig-süffisanten Erzählens und der gewagten historischen Verknüpfungen, dazu intimer Kenner dieses Tansania vorgelagerten ostafrikanischen Eilands, das einst unter Bismarck gegen Helgoland ausgetauscht wurde.
Wer nun glaubt, das spannende maritime Garn, das Hans Christoph Buch hier spinnt, sei allein an den eigenen, mittlerweile grauen Haaren herbeigezogen, würde allerdings nur in eine weitere geschickt gestellte Falle tappen - ähnlich dem Wanderer, der sich spätnachts in den engen Gassen von Stone Town verirrt, "dessen Mauern aus Korallenkalk bestehen, den die Brandung eines der Küste vorgelagerten Barriereriffs auf die Strände spült und der hier als Baumaterial verwendet wird".
Verbürgte Tatsache jedenfalls ist, dass eine der Töchter des Sultans Sayid bin Said Mitte des 19. Jahrhunderts mit einem Hamburgischen Kaufmann durchbrannte und als konvertierte Protestantin namens Emily Ruete ihre späteren Tage an der Nordsee und der Berliner Spree verbrachte. Von da brachen dann 100 Jahre später DDR-Diplomaten und Stasi-Experten nach Sansibar auf, um dem dort gerade installierten sozialistischen Regime marxistische Ideologie und effektives Foltern beizubringen, während gleichzeitig ein gewisser Ernesto Guevara de la Serna, genannt Che, auf Sansibar sein vorletztes Revolutions-Abenteuer vorbereiten sollte: eine Kongo-Expedition, die freilich genauso scheitern würde wie Dr. Livingstones oder Morton Stanleys Versuche, dem sogenannten "schwarzen Kontinent" sein Geheimnis zu entreißen.
Wem spätestens hier nun der Kopf schwirrt, sei beruhigt, denn Hans Christoph Buchs Stil ist von einer verführerischen (wiewohl doppelbödigen) Geschmeidigkeit, die dem ewigen menschlichen Tohuwabohu immer wieder eine elegant-subversive Note abzugewinnen weiß. Auch wenn in diesem versiertem Große-Jungen-Streich von Roman die Figuren-Psychologie öfters der Schnurre, der überraschenden Wendung und den letztendlichen Plots geopfert wird - es ist ein pures Vergnügen, wie hier jemand Historisches auseinander nimmt und nach eigenem Gusto wieder zusammenfügt, ohne dass auch nur einmal staubtrocken Papierenes durch die Zeilen wehen würde.
Vermutlich gibt es ab jetzt ohnehin zwei Inseln: Das vermeintlich "wirkliche" Sansibar und, gleichberechtigt daneben, Hans Christoph Buch faszinierend mutwilliges (Alb-)Traum-Eiland.
Rezensiert von Marko Martin
Hans Christoph Buch: Sansibar Blues oder Wie ich Livingstone fand
Roman, Die Andere Bibliothek bei Eichborn
Frankfurt a.M. 2008,
241 Seiten, 28 Euro
Wahrscheinlich hätte der Berliner Romancier, Literaturkritiker und Reporter Hans Christoph Buch, Jahrgang 1944, nichts dagegen, würde man seinem neuesten Wurf "Sansibar Blues oder Wie ich Livingstone fand" einen Hit-Soundtrack aus den 60er Jahren unterlegen: "Heißer Sand/ und ein verlorenes Land/ ein Leben in Gefahr …"
Denn weshalb nicht Heidi Brühl, wenn in dieser präzis durchkomponierten Sansibar-Burleske sich Che Guevara und der polnische Reiseschriftsteller Ryszard Kapuscinski ("Hier nennt man mich Cappuccino, weil Kapuscinski ein Zungenbrecher ist, den kein Sansibari aussprechen kann") ebenso ein Stelldichein geben wie Sultanstöchter, arabische Sklavenhändler, amerikanische Diplomaten-Spione und, last but not least, ein DDR-Gesandter mit dem Decknamen Hans Dampf.
Ein solcher nämlich scheint auch unser weitgereister Autor zu sein, Meister der Anekdoten, des süffig-süffisanten Erzählens und der gewagten historischen Verknüpfungen, dazu intimer Kenner dieses Tansania vorgelagerten ostafrikanischen Eilands, das einst unter Bismarck gegen Helgoland ausgetauscht wurde.
Wer nun glaubt, das spannende maritime Garn, das Hans Christoph Buch hier spinnt, sei allein an den eigenen, mittlerweile grauen Haaren herbeigezogen, würde allerdings nur in eine weitere geschickt gestellte Falle tappen - ähnlich dem Wanderer, der sich spätnachts in den engen Gassen von Stone Town verirrt, "dessen Mauern aus Korallenkalk bestehen, den die Brandung eines der Küste vorgelagerten Barriereriffs auf die Strände spült und der hier als Baumaterial verwendet wird".
Verbürgte Tatsache jedenfalls ist, dass eine der Töchter des Sultans Sayid bin Said Mitte des 19. Jahrhunderts mit einem Hamburgischen Kaufmann durchbrannte und als konvertierte Protestantin namens Emily Ruete ihre späteren Tage an der Nordsee und der Berliner Spree verbrachte. Von da brachen dann 100 Jahre später DDR-Diplomaten und Stasi-Experten nach Sansibar auf, um dem dort gerade installierten sozialistischen Regime marxistische Ideologie und effektives Foltern beizubringen, während gleichzeitig ein gewisser Ernesto Guevara de la Serna, genannt Che, auf Sansibar sein vorletztes Revolutions-Abenteuer vorbereiten sollte: eine Kongo-Expedition, die freilich genauso scheitern würde wie Dr. Livingstones oder Morton Stanleys Versuche, dem sogenannten "schwarzen Kontinent" sein Geheimnis zu entreißen.
Wem spätestens hier nun der Kopf schwirrt, sei beruhigt, denn Hans Christoph Buchs Stil ist von einer verführerischen (wiewohl doppelbödigen) Geschmeidigkeit, die dem ewigen menschlichen Tohuwabohu immer wieder eine elegant-subversive Note abzugewinnen weiß. Auch wenn in diesem versiertem Große-Jungen-Streich von Roman die Figuren-Psychologie öfters der Schnurre, der überraschenden Wendung und den letztendlichen Plots geopfert wird - es ist ein pures Vergnügen, wie hier jemand Historisches auseinander nimmt und nach eigenem Gusto wieder zusammenfügt, ohne dass auch nur einmal staubtrocken Papierenes durch die Zeilen wehen würde.
Vermutlich gibt es ab jetzt ohnehin zwei Inseln: Das vermeintlich "wirkliche" Sansibar und, gleichberechtigt daneben, Hans Christoph Buch faszinierend mutwilliges (Alb-)Traum-Eiland.
Rezensiert von Marko Martin
Hans Christoph Buch: Sansibar Blues oder Wie ich Livingstone fand
Roman, Die Andere Bibliothek bei Eichborn
Frankfurt a.M. 2008,
241 Seiten, 28 Euro