Neue Filme

Ernst. Märchenhaft. Daneben.

Studenten der Universität Duisburg/Essen verfolgen im großen Saal des Essener Multiplex-Kinos eine Vorlesung (Foto vom 17.10.2011). Die Universität ist zum Semesterstart proppenvoll.
Kinosaal in Essen © picture alliance / dpa / Roland Weihrauch
Von Christian Berndt · 26.03.2016
Ein britisches Comedy-Drama über eine krebskranke Frau, ein deutscher Debütfilm erzählt märchenhaft von verlassenen Kindern und eine britisch-amerikanisch-deutsche Koproduktion beleuchtet die Geschichte des schlechtesten Skispringers aller Zeiten. Drei Filmstarts diese Woche.

Ernstes Thema – oberflächlich und überfrachtet umgesetzt

Filmausschnitt: "Happy Birthday, yeah!" (Lachen)
Jess und Milly feiern zusammen Geburtstag. Die beiden sind seit ihrer Kindheit die allerbesten Freundinnen, auch wenn sie immer sehr unterschiedlich waren. Milly, gespielt von Toni Collette, ist heute eine selbstbewusst-coole Karrierefrau mit Kindern. Bei der zurückhaltenden Jess, in der Rolle Drew Barrymore, hat es mit dem Nachwuchs noch nicht geklappt, dafür ist sie Patentante von Millys Kindern. Alles ist eitel Sonnenschein, bis Milly eine bestürzende Diagnose erhält: Krebs. Natürlich steht Jess sofort bereit:
Filmausschnitt: "Okay, ich hab Zeitschriften, was für die Nägel, witzige Tiere auf Youtube. – Ich hab ein sexy Bett, hast Du einen Vibrator dabei? - Ja, mehrere." (Lachen)
Wie immer lassen sich die beiden den Spaß nicht verderben. Der britische Film "Im Himmel trägt man hohe Schuhe" geht das schwierige Thema zunächst komödiantisch an. Aber als es für Milly immer düsterer aussieht, macht sie es Familie und Freunden mit ihren Launen immer schwerer. Bis es sogar der sich aufopfernden Jess reicht:
Filmausschnitt: "Ich weiß nicht, ob Du es weißt, aber ich habe diese nervige, kleine Krankheit. – Ob ich es weiß? Du bist ein verdammter Krebstyrann. Du tyrannisierst alle um Dich herum, während wir versuchen, Dein Leben auf die Reihe zu kriegen und uns um Deinen Scheiß zu kümmern. Du verhältst Dich wie ein notgeiler Teenager. – Oh, mir war nicht klar, dass Du einen Verdienstorden haben willst. – Du bist so selbstsüchtig."
Die amerikanische Regisseurin Catherine Hardwicke bemüht sich sichtlich, die Geschichte vielschichtig zu erzählen. Nur gerät "Im Himmel trägt man hohe Schuhe" dabei viel zu schematisch: Nacheinander – erst lustig, dann tragisch – werden Ehe- und Freundschaftsprobleme typologisch durchexerziert, ohne ihnen tatsächlich auf den Grund zu gehen. Am deutlichsten wird das bei den beiden Freundinnen, deren enge Freundschaft zwar immer behauptet wird, aber nie wirklich innig erscheint. Überfrachtet und oberflächlich zugleich kommt die Tragikomödie der komplizierten Thematik kaum nahe.

Im Himmel trägt man hohe Schuhe
Großbritannien 2016 – Regie: Catherine Hardwicke; Darsteller: Drew Barrymore, Toni Collette, Paddy Considine; 112 Minuten

"Im Spinnwebhaus" – Sozialdrama märchenhaft verfremdet

Einem schwierigen Thema auf ganz andere Art nähert sich der deutsche Film "Im Spinnwebhaus". Eine überforderte Mutter lässt ihre Kinder alleine zurück. Der 12-jährige Jonas kümmert sich nun um die beiden kleinen Geschwister und tut alles, um das Verschwinden der Mutter vor der Umwelt zu verheimlichen. Was sich nach klassischem Sozialdrama anhört, inszeniert Mara Eibl-Eibesfeldt in ihrem Filmdebüt in märchenhafter Verfremdung.
In Schwarz-Weiß gedreht folgt die Szenerie der Wahrnehmung der Kinder, die sich ihre eigene Fantasiewelt erschaffen. Das zunehmend verwahrlosende Haus erscheint durch die wuchernden Spinnweben fast malerisch verwunschen, und mit dem Grufti-Außenseiter Felix gesellt sich Jonas als eine Art rettender schwarzer Engel hinzu. Ein bemerkenswertes Debüt, das soziale Realität und surreale Märchenhaftigkeit vermengt – und beide Ebenen ernst nimmt.

Im Spinnwebhaus
Deutschland 2016 - Regie: Mara Eibl-Eibesfeldt; Darsteller: Ben Litwinschuh, Helena Pieske, Lutz Simon Eilert, 89 Minuten

Großbritanniens einziger Olympia-Skispringer fliegt nun im Kino

Wie ein Märchen klingt auch die Geschichte des Films "Eddie the Eagle –  Alles ist möglich" – allerdings beruht sie auf einem realen Vorbild: Bei den Olympischen Winterspielen in Calgary 1988 ging der Brite Michael "Eddie" Edwards als schlechtester Skispringer aller Zeiten in die Geschichte ein, aber avancierte mit seiner sympathischen Art zum Star der Spiele. Der Film folgt frei seinem Werdegang: Als Kind scheitert Eddie in allen möglichen Sportarten, landet schließlich beim Skispringen, bis er dann absurderweise beschließt, als erster und bis heute einziger Brite bei den Olympischen Spielen als Skispringer anzutreten:
Filmausschnitt: "Tut mir leid Dad, ich muss auf diese Pisten. – Oh nein, nicht schon wieder. Was soll ich denn bitteschön deinem Lehrer sagen? – Sag ihm, ich habe neue Pläne. – Was für Pläne? – Ich werde olympischer Skispringer. – Das ist doch ein Scherz? Nenn mir nur einen britischen Skispringer? – Mich! Eddie Edwards."
Eddie fährt zum Trainingslager nach Deutschland. Und hier hängt er sich so hartnäckig an die Fersen des früheren Skispringers Bronson, gespielt von Hugh Jackman, bis der endlich bereit ist, ihn zu trainieren:
Filmausschnitt: "Du willst deinen Moment, Eddie Edwards? Ich verschaff dir deinen Moment. Es wird höllisch wehtun, Kleiner."
Und das tut es: Eddie schafft die erforderliche Weite für die Olympia-Qualifikation - zum Entsetzen des britischen Komitees, das den dickbebrillten Moppel - toll gespielt von Taron Egerton - als Schande betrachtet. Der britische Regisseur Dexter Fletcher erzählt den Film als klassische Underdog-Aufstiegs-Geschichte, die zunächst mit genreüblichem Klamauk beginnt, dann aber richtig spannend wird. Nicht nur die Sprung- und Sturzszenen sind spektakulär, auch die Story des von den anderen Athleten verspotteten Maurers, der zwar wenig Talent, aber unglaublichen Mut besaß, reißt zunehmend mit. Eddie wurde in allen Wettbewerben mit Abstand Letzter, stahl aber den Konkurrenten die Show und wurde zum Idol der Spiele. Das erzählt "Eddie the Eagle" mit einer sympathischen Anteilnahme, die im besten Sinne herzerwärmend ist.

Eddie the Eagle – Alles ist möglich
Großbritannien , USA , Deutschland 2016; Regie: Dexter Fletcher; Darsteller: Taron Egerton, Hugh Jackman, Christopher Walken; 105 Minuten