Neue Filme

"Ein Mädchen wie von einem anderen Stern"

Die Schauspielerin Cate Blanchett
Die Schauspielerin Cate Blanchett © picture alliance / dpa / Frédéric Dugit
Von Anna Wollner · 12.12.2015
Ausstattung, Kamera, Schauspieler: In "Carol" mit Cate Blanchett in der Titelrolle ist nahezu alles perfekt. Todd Haynes Patricia-Highsmith-Verfilmung ist der überzeugendste der drei neuen Filme in unserer Kurzkritik.
"Lieber Gott, gib, dass er der Richtige ist."
Es ist die 13. Verfilmung eines der ganz großen Werke der Weltliteratur, der Gesellschaftsroman "Madame Bovary" von Gustav Flaubert.
"Was ist denn Madame? Ich dachte, dies würde die glücklichste Zeit meines Lebens sein."
Eine junge Frau, die hofft, in der Ehe zum Landarzt Charles ihre Erfüllung zu finden
"Bleib bei mir. Es ist der Patient, der im Bett Trost finden muss. Nicht der Arzt."
Und die sich, angestachelt von ihrer inneren Unruhe und Unzufriedenheit, in die Arme eines Anderen treiben lässt und hoch verschuldet.
"Ich hab ein Geschenk für sie. So eine Karte besaß ich einmal als Kind. Jede Nacht träume ich davon, wie ich in einer Kutsche sitzend an all den geschäftigen Menschen vorbei fahre. Ich denke nur an sie. Ich bin verheiratet."
Die "Madame Bovary"-Version der amerikanisch-französischen Regisseurin Sophie Barthes ist nicht nur eine zähe, sondern vor allem eine prüde Interpretation der literarischen Vorlage über Ehebruch im 19. Jahrhundert. Ein Sittenbild aus der Provinz ist der Untertitel des Romans. Und gesittet geht es auch im Film zu. So rätselhaft die Romanfigur ist, so eindimensional und spröde ist der Film. Keine Spur von Rebellion oder gar Erotik, die Gefühls- und Gedankenwelt der Hauptfigur bleibt uns verschlossen. Ein braver Kostümfilm mit ansehnlichen Bildern aber ohne Herz und ohne Seele.
"Das habe ich nicht gewollt."

Sophie Barthes: Madame Bovary
Deutschland 2015
118 Minuten

Herz und Seele gibt es dafür bei "Die Kinder des Fechters", eine Mischung aus "Karate Kid" und "Die Kinder des Monsieur Matthieu".
"Wie ist die Arbeit? Schule, Kinder. Endel, du musst dich mit etwas beschäftigen. Sonst wirst du noch verrückt. Aber womit denn? Hier gibt es nichts. Das Kaff ist tot."
Der junge Fechter Endel versteckt sich auf seiner Flucht vor Stalins Geheimpolizei in einem kleinen estnischen Küstenstädtchen als Sportlehrer und versucht das Vertrauen zu seinen Schülern über das Fechten aufzubauen.
"Gut, fangen wir an. Rechter Fuß vor, linker zurück. Und die Knie dabei immer gebeugt halten. So wie ich. Wie beim Hinsetzen. Wir nehmen die rechte Hand nach vorne, das ist der Waffenarm. Der linke Arm nach hinten. Und rauf. So wie ich."

"Die Kinder des Fechters" basiert auf der Lebensgeschichte des estnischen Fechters Endel Nelis. Der Film, der für den Golden Globe als bester nicht-englischsprachiger Film nominiert ist, stützt sich dabei nicht auf die Schatten seiner Vergangenheit, sondern auf die besondere Beziehung zu den Kindern. Denn als die Kinder an einem Fechtwettbewerb in Leningrad teilnehmen wollen, muss Endel sich entscheiden, ob er es riskiert, verhaftet zu werden oder den Kindern hilft, ihre Träume zu erfüllen. Das mag kitschiger klingen als es letzten Endes ist, denn Regisseur Klaus Härö erzählt davon in diesem rührenden Drama mit sehr leisen Tönen.
"Sieh mich an. Ich werde einen Fechter aus dir machen, Jan. Das verspreche ich dir."
Nicht nur leise, sondern vor allem auch ganz langsam erzählt Todd Haynes in "Carol" von einer verbotenen Liebe, einer lesbischen Liebesgeschichte voller Sehnsüchte.

Klaus Härö: Die Kinder des Fechters
Finnland 2015
93 Minuten

"Soll ich gleich zahlen? Oh, ja natürlich. Wir bräuchten ihre Kontodaten und ihre Lieferadresse. Natürlich. Ich liebe Weihnachten. Geschenke verpacken und all das."
Wir sind im New York der Fünfzigerjahre. Die junge Verkäuferin Therese lernt im Kaufhaus die mondäne, wohlhabende und unglücklich verheiratete Carol kennen.
"Hätten Sie Lust, mich am Sonntag zu besuchen? Ja. Was für ein sonderbares Mädchen sie sind. Wieso? Wie von einem anderen Stern."
Cate Blanchett spielt diese Carol beherrscht, reserviert und doch voller Leidenschaft. Allein ihre Art, einen Lederhandschuh auszuziehen und beiseitezulegen, ist sehenswert, ihre Art die Zigarette zu halten ein Erlebnis. Die Patricia-Highsmith-Verfilmung ist ein Melodram, das wie aus der Zeit gefallen wirkt. Eine Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen – heute kaum der Rede Wert, in den Fünfzigerjahren ein hochexplosiver Stoff.
"Was hast du vor? Hier mit Abby Weihnachten feiern oder vielleicht mit der kleinen Verkäuferin da drin? Los sag schon, was Carol? Was ist dein Plan? Hör auf. Verdammt. Solchen Frauen wie dir traue ich alles zu. Du hast so eine Frau wie mich geheiratet."
Von der Ausstattung über die Kamera, das Kostüm und die Schauspieler ist bei "Carol" nahezu alles perfekt. Ein Film, der mit seinen fünf Golden-Globe-Nominierungen auf Oscarkurs ist.

Todd Haynes: Carol
Großbritannien, USA, Frankreich
118 Minuten

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