Neue Antriebe für Kreuzfahrtschiffe

Weg vom Image des Klimakillers

06:57 Minuten
Der rote "Kussmund" am Bug des Kreuzfahrtschiffes AIDAmar in Warnemünde.
Roter "Kussmund" am Bug: Das Kreuzfahrtschiff AIDAmar in Rostock-Warnemünde. © picture alliance / dpa / Bernd Wüstneck
Von Silke Hasselmann · 07.05.2019
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Sogenannte "Umweltoffiziere" an Bord, geringerer Schwefelgehalt im Schiffsdiesel: Die Kreuzfahrtindustrie versucht, ihr schlechtes Umweltimage aufzubessern. Eine Umstellung der Flotten auf sauberere Gasmotoren braucht allerdings ihre Zeit.
Passagierwechsel auf der AIDAdiva, das von einer Ostsee-Kurzreise zurückkehrt und zum ersten Mal am Kreuzfahrtterminal Rostock-Warnemünde festmacht. Es kann knapp 2500 Passagiere und hunderte Besatzungsmitglieder transportieren und gilt als eines der umweltfreundlicheren der Aida-Flotte, erklärt Vorstandsmitglied Hansjörg Kunze:
"Dieses Schiff ist ja 2007 in Hamburg getauft worden, und schon 2007 haben wir freiwillig für Hamburg angekündigt, genau dieses Marine Gasöl anzuwenden."
Das bedeutet, dass dieses 252 Meter lange Kreuzfahrtschiff möglichst nicht mehr mit billigem "Marinen Schweröl" oder Schiffsdiesel angetrieben wird, der Straßenasphalt gleichkommt.

Trotz neuer Regeln viel Schwefel im Treibstoff

Auf Nord- und Ostsee sowie in der 200-Meilen-Zone vor der US-amerikanischen Küste sind mittlerweile nur noch Treibstoffe mit höchstens 0,1 Prozent Schwefelanteil erlaubt. Auf dem großen Rest der Weltmeere dürfen es 3,5 Prozent oder mehr sein, noch, weiß Hansjörg Kunze:
"Ab Januar 2020 - das sind nur noch ein paar Monate - ist die gesamte globale Schifffahrt von rund 100.000 Schiffen auf 0,5 Prozent Schwefelgehalt verpflichtet. Das heißt, es ist ein riesiger Ruck in der Brennstoffqualität zu erwarten, der vor allem auf den Strecken, die nicht vor unserer Haustür liegen, zu Verbesserungen global sorgen wird."
Hansjörg Kunze von AIDA Cruise steht in Warnemünde am Kreuzfahrtterminal vor der AIDAdiva
Kreuzfahrtterminal in Rostock-Warnemünde: Hansjörg Kunze von AIDA Cruise steht vor der AIDAdiva.© Silke Hasselmann
Doch ein Schwefelgehalt im Brennstoff von 0,5 Prozent ist immer noch sehr hoch. Zum Vergleich: Im Straßenverkehr dürfen es höchstens 0,01 Promille sein. Eine Abgas-Nachbehandlung, wie sie bei Diesel-PKW längst obligatorisch ist, wäre bei diesen Schiffen technisch unmöglich, sagt Horst Harndorf, Experte für Großmotoren an der Universität Rostock:
"Das heißt, der ganz klare Tenor ist: Wir müssen in Zukunft, wenn wir schon kein Geld in die Abgas-Nachbehandlung investieren wollen, möglicherweise die Schiffe mit einem anderen Kraftstoff bestücken. Bedeutet, dass man sehr viel mehr überlegt mit einem verflüssigten Erdgas – LNG – unterwegs zu sein, weil wir dort keine Partikelemissionen und keine Schwefeloxid-Emission kennen und letztlich auch in dem Stickoxid-Ausstoß vielleicht nur 20-30 Prozent dessen emittieren, was ein dieselbetriebenes Fahrzeug emittiert."
Die Kreuzfahrtindustrie treibe diese Entwicklung voran, schon aus Imagegründen:
"Man hat gemerkt, dass der Geruch und der Gestank von diesen schwerölbetriebenen Motoren und die Partikelemissionen, der saure Regen, der von den Schornsteinen runterkommt, nicht unbedingt für ein positives Urlaubserlebnis zuträglich ist."
Claudia Lachstädter und Monika Hombach gehören zu den Passagieren, die gerade von der 4-Tage-Reise mit der AIDAdiva nach Warnemünde zurückgekehrt sind. Eine tolle Fahrt, sagen die Berlinerinnen gutgelaunt. Wobei:
"Mein ökologischer Fußabdruck hat sich verändert; ökologisch absolut unkorrekt", sagt Claudia Lachstädter. "Deshalb auch nur in homöopathischen Dosen zu genießen und auch nicht mehr als einmal im Jahr. Zumindest bei mir."
Was bereitet ihr denn Unbehagen?
"Naja, dass man weiß, dass vieles ins Meer geht und vieles in die Luft geht", antortet Claudia Lachstädter.
"Ich war ja mit diesem Schiff schon mal unterwegs in den USA und Kanada", erzählt Monika Hombach. "Da hatte ich eine Balkon-Kabine und konnte diese leider kaum nutzen, weil ich die volle Ladung Abgase eingeatmet habe. Es roch auch richtig ölig, also nach Maschinenöl. Und da hatte ich ehrlich gesagt auch ein schlechtes Gewissen."

Umweltoffiziere kontrollieren Einhaltung der Grenzwerte

"Das ist so eine Balkonkabine." sagt Hansjörg Kunze von AIDA Cruise und zieht eine Schiebetür auf Deck 7 auf. Es ist ihm wichtig zu sagen, dass von den Schiffen nichts ins Meer gehe – kein Plastik, kein Zigarettenstummel, keine Abwässer oder Öle. Dafür stehe der sogenannte Umweltoffizier an Bord ebenso gerade wie dafür, dass das jeweilige Schiff die vorgeschriebenen Emissionsgrenzwerte bei der Treibstoffverbrennung einhält – auf offener See und erst recht im Hafen.
Derweil hört man das Brummen von Motoren und Klimaanlage auch auf dem Sonnendeck in der 9. Etage. Denn die Dieselaggregate unten im Schiffsrumpf werden nicht ausgestellt, sagt Hansjörg Kunze:
"Genau, der Motor ist an und erzeugt für – naja, es ist praktisch schon eine kleine Stadt – den Strom, den wir letztendlich brauchen. Es sind ja nachher wieder mehr als 2000 Gäste an Bord und auch einige hundert Besatzungsmitglieder."
"Also was den Ausstoß aus dem Schornstein angeht, ist jetzt für mich mit bloßem Auge nichts zu erkennen", erwidert die Reporterin: "Kommt trotzdem etwas heraus?"
"Klar", antwortet Hansjörg Kunze: "Es ist ein ganz normaler Verbrennungsmotor, der praktisch mit Marinegasöl – also einem hochwertigen Treibstoff – betrieben wird. Aber ja: Es ist noch ein fossiler Brennstoff, den wir hier benutzen."

Geplante Umstellung der Flotte auf Landstrom und Gasmotoren

Das soll sich ändern und dafür beschreitet AIDA zwei Wege. Die Flotte wird fit gemacht für eine Versorgung mit sogenanntem Landstrom, der in den Häfen bereitgestellt werden muss. In Rostock-Warnemünde soll es nächstes Jahr losgehen. Wichtiger aber noch: "Wir gehen mittelfristig in die Richtung von Flüssigerdgas als emissionsärmsten Treibstoff."
Zwei entsprechend betriebene Schiffe hat AIDA bereits in Betrieb genommen – zuletzt die "Aidanova". Der US-amerikanische Mutterkonzern Carnival hat mittlerweile sieben LNG-Schiffe in Auftrag gegeben, deren Motoren aus Kiel und Rostock kommen und auf der Neptun Werft Warnemünde in einem eigens entworfenen Motorraum samt LNG-Tanks untergebracht werden. Das sei das Modernste, was Kreuzfahrt derzeit technisch anbieten könne, so Kunze:
"Ist manchmal auch nicht ganz einfach technisch, muss man ganz ehrlich sagen. Aber insbesondere mit dem ersten LNG-Kreuzfahrtschiff der Welt können die Motorenhersteller, die Werft und auch wir sehr, sehr zufrieden sein. Das ist der richtige Weg in die Zukunft."
Die Umstellung geht stufenweise voran und braucht Zeit. Die 252 Meter lange AIDAdiva fährt derweil weiter mit leichterem Schiffsdiesel und wird ihre Motoren wie gehabt weiterlaufen lassen. Auch wenn sie das nächste Mal morgen früh zum Passagierwechsel in Rostock-Warnemünde anlegt.
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