Neubegegnung mit dem Unglauben

Vporgestellt von Susanne Mack |
Im modernen Leben kommt Gott nicht vor. Das bedauert der Theologe und Philosoph Eugen Biser in seinem Buch „Der obdachlose Gott“ zutiefst, denn für ihn ist ein Leben ohne Gott ein trostloses Dasein. Mit diesem Band will Biser die Atheisten erreichen und Christen ermutigen, den eigenen Glauben auch in Frage stellen zu lassen.
Der obdachlose Gott – was hat dieser Titel zu bedeuten?

Gott ist obdachlos geworden, der moderne Mensch hat ihn aus dem Haus geworfen. Das ist , so Biser, die geistige Situation der Zeit. Der Verlag hat dafür ein gelungenes Bild gefunden. Auf dem Buchdeckel sehen wir eine tapezierte Wand. Das könnte ein Wohnzimmer sein. An dieser Wand hing vorher ein Kreuz. Das wurde abgenommen. Jetzt ist nur noch der Nagel da – und die Umrisse des Kreuzes. Vielleicht hat hier die Großmutter gewohnt. Die ist gestorben, und mit ihr musste ihr Gott das Haus verlassen. Die Enkel scheren sich nicht mehr um diesen Schöpfer und seine Gebote.

„Gott ist tot“ – diese Feststellung ist ja nicht neu, die gibt es schon bei Friedrich Nietzsche. Der wird von Eugen Biser denn auch ausgiebig bemüht und zitiert

Wie beurteilt Biser diese Entwicklung?

Eugen Biser – und darin besteht eben der Unterschied zu Nietzsche – bedauert diese Entwicklung zutiefst. Denn Biser ist Christ, und nach seiner Überzeugung ist ein Leben ohne Gott ein trostloses Dasein. Er selbst ist erfüllt von einer Gottesfreude, die er so viel wie möglich Menschen übermitteln will. Bisers Buch will Christen ermutigen, das Gespräch zu suchen mit Atheisten und den eigenen Glauben auch in Frage stellen zu lassen. Deshalb auch der Untertitel: „Für eine Neubegegnung mit dem Unglauben.“

Wie soll diese Neubegegnung aussehen?

Zunächst sollte sich der Christ einmal mit dem Phänomen des modernen Atheismus beschäftigen. Wo kommt er eigentlich her? Wer hat dieses Kraut gepflanzt? Im „Garten des Atheismus“ kennt sich Eugen Biser bestens aus, er ist ja nicht nur Theologe, sondern auch Philosoph – und mit allen Wassern der Aufklärung gewaschen. Und so lässt er sie denn aufmarschieren die „Kronzeugen des Unglaubens“ (so heißt ein Kapitel).

Da fallen große Namen: Feuerbach, Nietzsche, Marx und Freud. Biser lässt ihre kritischen Stimmen durchaus gelten, betrachtet sie aber in erster Linie als Kritik an der Institution Kirche und ihren Machtgelüsten, nicht als Kritik an der christlichen Botschaft überhaupt.

Allerdings: Die Visionen der Kritiker – Nietzsches Idee, der Mensch möge sich selbst ein Gott werden oder Marx‘ Idee von einem kommunistischen „Reich Gottes auf Erden“ – diese Visionen (allesamt Versuche, die Religion zu säkularisieren), betrachtet Biser als gescheitert. Und sie mussten scheitern, denn der Mensch ist eben kein Gott, sondern ein gebrechliches, sterbliches, von Lebens- und von Todesängsten gebeuteltes Wesen. Die großen Gotteslästerer, so sieht es Biser, denken allesamt zu groß vom Menschen – und zu gering von Gott.

Warum ist es Biser so wichtig, die Atheisten zu erreichen?

Für Biser ist das, glaube ich, ein Liebesdienst. Denn für den Mensch, so wie er verfasst ist, – und das ist Bisers tiefe Überzeugung – ist Gott quasi lebensnotwendig. Und zwar nicht irgendein Gott, sondern der Gott Jesu Christi: der Gott der Liebe, bei dem sich der Mensch geborgen fühlen kann, zu dem er beten kann als „Vater unser“.

Wie voraussetzungslos formuliert der Autor?

Das ist natürlich die Logik eines gläubigen Christen, der sich die meiste Zeit seines Lebens in einem a) intellektuellen und b) christlichen Umfeld bewegt hat. Das merkt man den Fragestellungen dieses Buches an.

„Was sind die Wurzeln des Atheismus?“ So fragt eben einer, der im christlichen Bayern lebt. Im Osten der Republik ist man doch eher geneigt, die Frage umgekehrt zu formulieren: „Was gibt es für Gründe, an Gott zu glauben?“

Aber das muss man dem Autor zugute halten: für ihn ist der christliche Glaube durchaus nicht selbstverständlich, und gerade darum gelingt es ihm gut, den Atheisten anzustacheln und ihm klarzumachen, auch der Atheismus versteht sich durchaus nicht von selbst.

Ein starkes Buch von bestechender innerer Logik. Vom Standpunkt des Christen verfasst , aber eine interessante Textvorlage für ein Gespräch zwischen Christen und Atheisten über die conditio humana.

nformationen zum Autor:

Eugen Biser ist einer der bedeutendsten Theologen und Religionsphilosophen Deutschlands. Er war Inhaber des berühmten Guardini-Lehrstuhls für christliche Weltanschauung und Religionsphilosophie an der Universität in München und leitet bis heute – inzwischen 87 Jahre alt – das dortige Seniorenstudium. Biser hat ungefähr 100 Bücher geschrieben, dazu unzählige Aufsätze. Sein Anliegen ist es vor allem, den Gott Jesu Christi populär zu machen als den Gott der bedingungslosen Liebe.


Herder-Verlag, Freiburg im Breisgau 2005,
125 Seiten, 9,90 Euro.