Neu im Kino: "Winterschlaf"

Gepflegte Langeweile

Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Der Hotelbetreiber und ehemalige Schauspieler Aydin (Haluk Bilginer) in einer Szene des Films "Winterschlaf". © picture alliance / dpa / Nuri Bilge Ceylan / Weltkino Filmverleih
Von Jörg Taszman · 10.12.2014
In Cannes gewann Nuri Bilge Ceylans Film "Winterschlaf" über einen türkischen Intellektuellen die Goldene Palme. Zu Unrecht, meint Jörg Taszman. Denn der Streifen langweilt mit endlosen Dialogen und einer monotonen Dramaturgie.
Aydin ist ein relativ eitler Intellektueller, ein Schöngeist, der sich in die Berge Anatoliens zurückgezogen hat und dort ein Hotel betreibt. Der ehemalige Theaterschauspieler, der 25 Jahre lang auf der Bühne stand, lebt auch selbst in dem fast herrschaftlichen Anwesen, gemeinsam mit seiner sehr viel jüngeren Frau Nihal und seiner Schwester Necla. Eigentlich will Aydin ein Sachbuch über das türkische Theater schreiben, beschäftigt sich jedoch meist nur mit seiner wöchentlichen Kolumne für eine Lokalzeitung. Etwas gönnerhaft beschreibt er Eigenarten des Lebens in der Provinz und moralisiert als wertkonservativer, aber eigentlich völlig unpolitischer Intellektueller.
Mit den beiden Frauen im Haus kommt es zusehends zu langen verbalen Konflikten. So engagiert sich Nihal für unterversorgte, lokale Schulen und sammelt Spenden. Von ihrem Mann lebt sie schon lange räumlich getrennt und auch die beiden Frauen können kaum etwas miteinander anfangen. So zankt man sich gepflegt und dennoch bösartig. Bei den Streits geht es um Feigheit, Engagement, intellektuelle Leere und Kultur(losigkeit). In einem Nebenplot thematisiert der Film auch das soziale Gefälle, weil der wohlhabende Aydin auch Vermieter ist, sich aber für Menschen außerhalb seiner sozialen Klasse nicht interessiert.
Ein auf Epos getrimmtes Werk
Drei Stunden und 16 Minuten lang ist dieser Film, der in Cannes die Goldene Palme gewann und viel zu lang und spannungsarm geraten ist. Auch wenn die Darsteller überzeugen und Nuri Bilge Ceylan wirkliche Kinobilder schafft, so sind es die endlosen, redundanten Dialoge, die auf die Dauer gepflegt langweilen. Da wird mit Tschechow kokettiert, aber alles Leidenschaftliche und Emotionale des russischen Dramatikers vermisst man leider. Und so implodiert ein auf Epos getrimmtes Werk vor allem an seiner Geschwätzigkeit und Eitelkeit.
Was auch immer der Regisseur an der türkischen Gesellschaft, an Intellektuellen, an herrischen Männern oder realitätsfernen, fast naiven Frauen kritisieren mag, besonders komplex oder vielschichtig sind diese Protagonisten nicht. Man ist als Zuschauer nie überrascht. Und so wirkt die Monotonie der Dramaturgie noch ermüdender als die endlosen Dialoge. "Winterschlaf" ist leider nicht mehr als der vielleicht am meisten überschätzte Film des Jahres.

Winterschlaf
Türkei 2014
Regie: Nuri Bilge Ceylan