Neu im Kino

Rückkehr der Kindheitshelden

Szene aus "Die Peanuts – Der Film".
Szene aus "Die Peanuts – Der Film". © imago/ZUMA Press
Von Christian Berndt · 19.12.2015
65 Jahre nach seinem ersten Auftritt als Comic-Held erlebt Charlie Brown mit den Peanuts sein Kinodebüt. Ein Animationsfilm taucht in die irisch-schottische Sagenwelt ein. Und ein britisch-amerikanischer Film erzählt vom altgewordenen Sherlock Holmes.
"Einer dieser Sterne ist mein Stern. Und ich weiß, dass mein Stern immer für mich da sein wird. Wie eine tröstende Stimme, die sagt: ‚Gib nicht auf, Kleiner! Ach."
Armer Charlie Brown. Er schaut durchs Zimmerfenster in die Nacht und spricht zu seinem Glücksstern – und kaum ist er fertig, plumpst der Stern vom Himmel. Dem ewigen Pechvogel bleibt keine Demütigung erspart. Er trifft beim Baseball nicht den Ball, und Lucy traktiert ihn mit Gemeinheiten. Charlie Brown scheint zunächst ganz der Alte zu sein in "Die Peanuts – Der Film". Aber dann wird alles anders: Nebenan zieht ein nett wirkendes Mädchen ein:
"Ich hoffe nur, dieses neue Kind hat noch nie von mir gehört. Es kommt nicht oft vor, dass man die Chance auf einen absoluten Neuanfang bekommt. Dieses Mal wird alles anders."
Vom Geist der Vorlage ist wenig übrig geblieben
Charlie Brown verliebt sich Hals über Kopf, und mit Snoopys Hilfe beginnt die Mission Mädchenherzeroberung. Damit hat "Die Peanuts – Der Film" zwar eine Rahmenhandlung, aber vom Geist der Vorlage ist wenig übrig geblieben.
Aus dem melancholischen Alltagsphilosophen Charlie Brown ist einfach ein verliebter Junge geworden, der nichts anderes will, als die Angebetete zu beeindrucken – der Außenseiter wird normal.
Die anderen Peanuts sind streberhaft auf Schulball und Aufsatzwettbewerb konzentriert, und Snoopys surrealer Alltagsanarchismus weicht einem Aktionismus, der in einer überflüssigen Nebenhandlung mit ihm als Fliegerass gipfelt. In der Vorlage waren die Peanuts als subversive Satire auf die Erwachsenenwelt angelegt. In der Neuverfilmung zeigt sie Regisseur Steve Martino zwar in aufwändigem 3-D, hat sie aber ansonsten zur harmlosen Kinderbande verzwergt.
Die Peanuts - Der Film 13
Regie: Steve Martino
Mit: Cosmo Claren, Bill Melendez, Francesca Capaldi
USA 2015
Dem Geist seiner Vorlagen kommt der Animationsfilm des irischen Regisseurs Tomm Moore "Die Melodie des Meeres" dagegen recht nahe. Irische und schottische Volksmythen dienten als Vorbild für die Geschichte zweier Geschwister, die mit ihrem Vater in einem einsamen Leuchtturm an felsiger Küste leben.
Ben ist genervt von seiner kleinen Schwester, bis sie eines Nachts plötzlich im Meer verschwindet – und auf wundersame Weise zurückkehrt. Die beiden Kinder geraten auf eine gefährliche Entdeckungsreise, die ihnen die verwunschene Parallelwelt der keltischen Geisterwesen eröffnet.
Das Faszinierende an "Die Melodie des Meeres" ist, wie die Grenzen zwischen realer und mythischer Welt aufs Abenteuerlichste verwischen. Der im Zwischenreich der Fabelwesen verstreute Wohlstandsmüll erinnert an die Bilderwelten von Tarkowski. Der Film folgt zwar einer kindgerechten Logik, hält aber auch für Erwachsene zauberhafte Irritationen bereit.
Die Melodie des Meeres
Regie Tomm Moore
Mit David Rawle, Brendan Gleeson, Fionnula Flanagan
Irland, Dänemark, Belgien, Luxemburg, Frankreich 2014
Einer märchenhaften Idee folgt auch der britische-amerikanische Film "Mr. Holmes". Es ist das Jahr 1947, Meisterdetektiv Sherlock Holmes, gespielt vom britischen Schauspieler Ian McKellen, ist 93 Jahre alt und lebt zurückgezogen auf dem Land. Zu schaffen macht ihm die langsam einsetzende Demenz, und bevor er alles vergisst, will er seine Memoiren verfassen. Deshalb liest er erstmals die Geschichten, die sein früherer Assistent Dr. Watson über ihn aufgeschrieben hat. Für Holmes sind sie realitätsferne Groschenromane - aber eine Geschichte löst etwas in ihm aus:
"Einer der Titel weckte mein Interesse. Die Geschichte kam mir bekannt vor, aber ihr Ende fühlte sich ganz falsch an. Sicher wusste ich nur, dass dieser Fall mein letzter war und ich deshalb meinen Beruf aufgab. Also entschloss ich mich, diese Geschichte zu Papier zu bringen so wie sie war, nicht wie John sie geschrieben hat. Sie richtig zu stellen, bevor ich sterbe."
Die rätselhafte Vergangenheit kehrt bruchstückhaft wieder
Was an diesem Fall so gravierend war, dass er seinen Beruf aufgab, hat Holmes vergessen. Aber langsam kommen Erinnerungsfetzen wieder, und Holmes erinnert sich an einen panischen Mann, der wegen seiner Frau zu ihm kam:
"Wieso sind Sie hier, Mr. Kelmot?"
"Mr. Holmes, meine Anne hat sich verändert."
Der Mann ist der Meinung, dass seine Frau unter dem verbrecherischen Einfluss einer Fremden steht. In Rückblenden lässt "Mr. Holmes" die rätselhafte Vergangenheit bruchstückhaft wiederkehren, und geschickt mischt Regisseur Bill Condon Zeitebenen und Handlungsfäden, um eine verwirrend-spannungsvolle Atmosphäre zu erzeugen.
Der Film fesselt dabei nicht nur auf charmant altmodische Rätselkrimi-Art, sondern auch durch die bemerkenswerte Wandlungsfähigkeit, mit der Ian McKellen Holmes in den verschiedenen Altersphasen verkörpert. Und gekonnt ironisch wird dabei mit dem Klassiker gespielt, wenn Holmes einen Sherlock-Holmes-Film im Kino anschaut, um sein Gedächtnis aufzufrischen. Ein Krimi ohne Schockeffekte, aber mit Flair und Geist.
"Mr. Holmes"
Regie Bill Condon
Mit Ian McKellen, Laura Linney, Milo Parker
Großbritannien, USA 2015
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