Neu im Kino

Ohne Worte

Szene aus dem Kinofilm "Stiller Sommer" von Nana Neul
Nana Neuls Kinofilm „Stiller Sommer“ © Zorrofilm
Von Hannelore Heider |
In „Stiller Sommer“ geht es um eine Frau, die plötzlich ihre Stimme verloren hat und sich mit ihrem Mann in einem französischen Sommerhaus zurückzieht. Ein kunstvoll konstruierter Film mit tollen Schauspielern.
Sommer in den französischen Cevennen. In mediterraner Berglandschaft erleben wir ein Beziehungsstück, das anfangs mit großer Leichtigkeit und sommerlichen Flirren über Deutsche und Franzosen ,die sich lange kennen, in einem kleinen Dorf erzählt. Ein Wildschwein wird gebraten und eine Hochzeit vorbereitet, als Kristine (Dagmar Manzel) seit vielen jahren zum ersten Mal wieder auf ihrem malerischen Hof mit Swimmingpool eintrifft.
Seit über 20 Jahren gibt es diesen Sommersitz, aber Kristina und ihr Ehemann Herbert (Ernst Stötzner) waren schon lange nicht mehr dort. Herbert will den Hof auch verkaufen, aber seine Frau hat ihn sich für den Sommer als Rückzugsort gewählt, weil sie plötzlich ihre Stimme verlor. So ist es für sie überraschend, dass sich dort schon ihre Tochter Anna (Marie Rosa Tietjen) mit ihrem französischen Freund Frank (Arthur Iqual) eingenistet hat und bald kommt auch Herbert zu Besuch. So wird es doch kein stiller Sommer, obwohl Kristine ihre Stimmer wiederfindet und das Glück einer intimen Beziehung.
Kunstvoll gedreht, schauspielerisch beeindruckend
Die ersten zwei Filmdrittel zitieren sehr französisch, fast neckisch die Klischees von Sonne, Rotwein, endlosen Gelagen und Flirts in allen Richtungen. Es scheint eine Erzählung zu werden vor allem über das Sich-Selbst-Finden von reifen Frauen, die ohne Bedauern sinnliches Erleben auskosten, wobei die Männer ihnen mehr oder weniger freiwillig assistieren.
Dagmar Manzel ist großartig, besonders wenn sie noch nicht sprechen kann. Man ist dankbar, dass die vielen banalen Sätze eines leichten Liebesreigens ausgespart bleiben, aber als sie endlich wieder sprechen kann, geht es um Wesentliches. Dabei rückt gänzlich unerwartet Herbert in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Der Film hält einfach einen Augenblick an und erzählt weiter aus seiner Perspektive. Das ist kunstvoll gemacht, aber auch die bewundernswerten schauspielerischen Leistungen können die Distanz zum Konstrukt nicht ganz überbrücken.
Stiller Sommer
BRD, Frankreich 2014; Regie, Drehbuch: Nana Neul; Darsteller: Dagmar Manzel, Ernst Stötzner, Victoria Trauttmansdorff, Arthur Iqual, Marie Rosa Tietjen, Hans-Jochen Wagner; 86 Minuten, ab 6 Jahren