Neu im Kino: "Happy End"

Desaströser Familienkosmos

Die Familie Laurent: Filmszene aus "Happy End" von Michael Haneke
Die Familie Laurent: Szene aus "Happy End" von Michael Haneke © © Happy End / X Verleih AG
Von Hannelore Heider |
Die emotionale Distanz, mit der Michael Haneke sein neues Drama von empathielosen Menschen erzählt, erinnert an seine früheren Filme. Doch kann "Happy End" an die Erfolge von etwa "Das weiße Band" oder "Liebe" anknüpfen?

Worum geht es?

Die zwölf Jahre alte Eve kommt nach dem Selbstmord ihrer Mutter in die Villa der Familie Laurent im nordfranzösischen Calais. Dort leben mehrere Generationen der von der Pleite des Unternehmens bedrohten Bauunternehmer. Der Großvater George (Jean-Louis Trintignant) kann sich an die Enkelin nicht erinnern. Ihr leiblicher Vater Thomas (Mathieu Kassovitz) lebt dort nicht nur mit seiner neuen Frau und einem Baby, er unterhält auch ein sado-masochistisches Verhältnis mit der Musikerin Claire.
Zum desaströsen Familienkosmos gehört die amtierende Firmenchefin, Georges Tochter Anne (Isabelle Huppert), die ins Zentrum des Dramas rückt. Vergeblich versucht sie, die Rolle der toughen Chefin zu spielen und den Untergang dadurch aufzuhalten, ihren völlig desinteressierten Sohn Pierre (Franz Rogowski) als Nachfolger zu etablieren.

Was ist daran besonders?

Viele Motive des mit emotionaler Distanz erzählten Dramas finden sich schon in Hanekes früheren Filmen. Sie ergeben ein Mosaik aus streng gerahmten Szenen in denen wir Menschen zusehen, die empathielos untereinander leben. Selbst der Suizid der Mutter oder die Todessehnsucht des Großvaters werden ohne Anteilnahme inszeniert. So sind sie nicht Ausdruck beklagenswerter Einsamkeit, sondern Akte eines krassen Egoismus. Wenn sich George in seinem Rollstuhl nur von zufällig anwesenden, in Calais gestrandeten Flüchtlingen ins Meer schieben lässt, endet das nicht einmal im ersehnten Ertrinken. Haneke lässt keine Gnade walten.
Regisseur Michael Haneke bei der Premiere von "Happy End" bei den 70. Filmfestspielen von Cannes.
Regisseur Michael Haneke bei der Premiere von "Happy End" bei den 70. Filmfestspielen von Cannes.© Sputnik

Bewertung

Der neue Film von Michael Haneke wirkt als hätte man alles schon einmal in seinen Filmen besser gesehen. Die Kargheit der Inszenierung und die unüberwindbare emotionale Distanz zu seinen Figuren machen es nicht leichter. Man versteht die Absicht und wird doch von zu wenigen Szenen überrascht. Das Einbinden moderner Kommunikationsformen wie Smartphone-Videos oder E-Mails erlauben sogar einen gewissen Voyeurismus. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die – wenn auch selten eingesetzten – boshaft-ironischen Erzählmomente.

"Happy End"
Frankreich, BRD, Österreich 2017
Regie: Michael Haneke
Darsteller: Isabelle Huppert, Jean-Louis Trintignant, Mathieu Kassovitz , Fantine Harduin, Franz Rogowski, Toby Jones, Loubnar Abidar
108 Minuten, ab 12 Jahren

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