Neu im Kino: "Gute Manieren"

Der Werwolf-Mythos auf Brasilianisch

Die behaarte Hand eines Werwolfs hält die Hand einer Frau
Und wieder einmal sind es die Menschen, die sich in "Gute Manieren" monströser benehmen als das Monster. © Salzgeber & Co. Medien GmbH
Von Anke Leweke · 25.07.2018
Der Film "Gute Manieren" ist ein soziales Horrormärchen. Das brasilianische Regieduo verwebt darin die Werwolf-Legende mit Mythen seiner Heimat, um von Einsamkeit und Ausgrenzung zu erzählen. Das Werk wurde beim Filmfestival in Locarno ausgezeichnet.

Worum geht es?

Zwei Frauen, zwei soziale Schichten und eine überrasche Annäherung: Die hochschwangere Ana wohnt in einer schicken Wohngegend, die die Job suchende Clara wie eine fremde Welt betritt. Aufgrund ihrer schwarzen Hautfarbe wird Clara diskriminiert, wohnt am anderen Ende der Stadt in beengten Verhältnissen.
Das Verhältnis zwischen Ana (Marjorie Estiano) und Clara (Isabél Zuaa) ist mehr als freundschaftlich. Doch je mehr die Schwangerschaft voranschreitet, desto sonderbarer wird Anas Verhalten.
Das Verhältnis zwischen Ana (Marjorie Estiano) und Clara (Isabél Zuaa) ist mehr als freundschaftlich. © Salzgeber & Co. Medien GmbH
Doch anders als die meisten Weißen wird Ana sie nicht wie ein Dienstbotin behandeln. Vielmehr ist das Verhältnis der Frauen mehr als freundschaftlich. Doch je mehr die Schwangerschaft voranschreitet , desto sonderbarer wird Anas Verhalten. Gerade in den Nächten vor und während des Vollmondes schlafwandelt sie durch die Wohnung, öffnet den Kühlschrank und verschlingt rohes Fleisch. Blutdurstig begibt sie sich durch die Stadt.
Warum wird Joel (Miguel Lobo) jede Nacht in ein Zimmer eingesperrt, das eher eine Gefängniszelle ist?
Warum wird Joel (Miguel Lobo) jede Nacht in ein Zimmer eingesperrt, das eher eine Gefängniszelle ist?© Salzgeber & Co. Medien GmbH
Wer ist der Vater des Kindes? Trägt Ana vielleicht eine satanische Brut im Bauch? Die Geburt verläuft schrecklich. Der Film macht einen Zeitsprung von mehreren Jahren. Clara zieht den Jungen groß - doch handelt es sich hier wirklich um einen kleinen Jungen? Warum wird er jede Nacht in ein Zimmer eingesperrt, das eher eine Gefängniszelle ist?

Das Besondere

Das brasilianische Regieduo bedient sich des Werwolf-Mythos, um ein Gesellschaftspanorama ihrer Heimat zu erstellen und um von Einsamkeit und Ausgrenzung zu erzählen. Es ist schön zu beobachten, wie die beiden Frauen sich immer mehr aus ihren sozialen Hintergründen lösen, einander unbefangen begegnen. Wie sich die sterile Luxusumgebung durch die Zuneigung, die sie füreinander hegen, von beiden plötzlich belebt wird.
Doch geht von den stilisierten Tableaus gleichzeitig immer auch eine Beunruhigung aus. Als würde sich hinter der gelackten Oberfläche etwas verbergen, das man nicht zu fassen bekommt.
In der Nacht wirken die modernen Hochhausfassaden wie aus der Welt gefallen, unbewohnt, gespenstisch. Später, wenn Clara mit Anas Sohn wieder am Rande der Stadt wohnt, mögen die Farben freundlicher sein, doch auch hier scheint die Architektur nur Fassade für die dunklen Abgründe der Seele. Und wieder einmal sind es die Menschen, die sich monströser benehmen als das Monster.

Bewertung

"Gute Manieren" ist ein irrsinniger Genre-Mix. Die Horrorelemente wirken wie eine Lupe für das, was sich Menschen einander antun. Auch zeigen sie den tiefen Riss einer Gesellschaft, die von einem Rassismus geprägt ist. Und sie sorgen für einen großen Unterhaltungswert. Schön auch, wie die Werwolf-Legende mit brasilianischen Mythen verwoben wird und ein soziales Horrormärchen zum Musical wird.
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