Neu im Kino

Erfolg mit rassistischen Klischees

Der französische Schauspieler Omar Sy spielt die Hauptrolle in dem Film "Heute bin ich Samba" - bekannt ist Sy durch den Film "Ziemlich beste Freunde"
Der französische Schauspieler Omar Sy spielt die Hauptrolle in "Monsieur Chocolat" © AFP PHOTO / PATRICK KOVARIK
Von Christian Berndt · 14.05.2016
Die tragische Lebensgeschichte des ersten Schwarzen, der es Frankreich zum Bühnenstar schaffte, ist Thema von "Monsieur Chocolat". Ein großes, hochaktuelles Melodram über den Aufstieg und Fall eines Außenseiters – und einer der Filme in unserer Kurzkritiken.
"Hochverehrtes Publikum! Ich präsentiere Ihnen den Negerkönig Hernanda!"
"Roarrrr!"
Frankreich 1897. Raphael, genannt Chocolat, arbeitet bei einem kleinen Wanderzirkus. Weil er schwarz ist, muss er in der Manege als afrikanischer Wilder das Publikum erschrecken. Bis der Clown Footit Chocolats akrobatisches Talent entdeckt:
"Wie Du Dich bewegst, so was habe ich ja noch nie gesehen. Sag mal, hast Du da Gummi in den Gelenken?"
Die beiden studieren zusammen eine Nummer ein – und es wird ein sensationeller Erfolg. Bald werden sie für die große Bühne entdeckt, und in Paris folgt schließlich der Triumph. Der französische Film "Monsieur Chocolat" orientiert sich lose an der Biografie von Raphaël Padilla, der im frühen 20. Jahrhundert als erster Schwarzer zum französischen Bühnenstar wurde - und später in Armut und Vergessenheit endete. Als Sklave auf Kuba geboren, gelang Chocolat der Erfolg auch deshalb, weil er rassistische Klischees mitbediente. Der begabte Artist – im Film gespielt von Omar Sy aus "Ziemlich beste Freunde" – verkörpert auf der Bühne den schwarzen dummen August. Irgendwann will Chocolat mehr, Footit aber hat dafür kein Verständnis:
"Hast Du vergessen, wie es früher war? Noch nie ist ein Schwarzer so berühmt gewesen, wie Du Chocolat."
Der latent homosexuelle Footit, gespielt von James Thiérée, fürchtet, den Partner zu verlieren. Schließlich erhält Chocolat ein Engagement am Theater, aber nach der Premiere folgt eine Flut rassistischer Hassangriffe. Regisseur Roschdy Zem erzählt "Monsieur Chocolat" in toller Ausstattung als großes klassisches Melodram über den tragischen Aufstieg und Fall eines Außenseiters. Und als wieder sehr aktuelle Parabel über die destruktive Macht des Ressentiments.

Realistische Bilder von traumhafter Schönheit

Auch der deutsch-amerikanische Spielfilm "Petting Zoo" erzählt eine tragische Geschichte, allerdings eine, die Mut macht. Die 17-jährige Layla hat ein Stipendium fürs College erhalten – und damit die Chance, ihrem texanischen Heimatkaff zu entkommen. Doch dann wird sie schwanger. Kein Wunder, denn in der Schule vor Ort wird Enthaltsamkeit als Verhütungsmethode gepredigt. Layla denkt an Abtreibung, aber für ihre religiösen Eltern kommt das nicht in Frage:
"Goddamn, no! You're not get an abortion…"
Layla fügt sich, sagt das College ab und jobbt weiter im Callcenter. Mit ihren Sorgen ist sie völlig alleine – bis sie Aaron kennenlernt.
Die in Berlin lebende, amerikanische Regisseurin Micah Magee erzählt in ihrem Debütfilm von bedrückenden Verhältnissen, aber auch vom Mut des Mädchens, sich all den Problemen zu stellen. Geduldig folgt ihr die Kamera, die Szenen zwischen Layla und Aaron - etwa wenn die beiden Teenager Autofahren üben - sind in ihrer Natürlichkeit hinreißend:
"It's so bouncing, ahhh!"
"Perfect, very good!"
"Thank you."
"We make a good team."
Instinktiv spüren die allesamt von Laien gespielten Jugendlichen, was sie brauchen. Aber es sind die Erwachsenen, die sie zu falschen Entscheidungen drängen, etwa, wenn Aaron sich auf Druck der Mutter von Layla trennt. "Petting Zoo" erzählt von einem bitter-romantischen Frühlingserwachen - und fasst die Unberechenbarkeit dieses Zustandes in realistische Bilder von traumhafter Schönheit.

Außenseiter mit lustigen Superkräften

Von den Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens handelt auch "X-Men – Apocalypse". Die X-Men sind eine Gruppe von Mutanten, die wegen ihrer Superkräfte diskriminiert werden. X-Men-Erfinder Stan Lee wurde in den Sechzigerjahren durch die Bürgerrechtsbewegung zu seinen Comics über diese Außenseiter-Superhelden inspiriert. In einer speziellen Schule sollen junge Mutanten lernen, ihre Kräfte zu kontrollieren und sie fürs gesellschaftliche Wohl einzusetzen. Der Film beginnt 1983 – zehn Jahre nach dem letzten Teil, der in den wilden Siebzigerjahren spielte. Jetzt tragen die jungen Mutanten Schulterpolster und bekommen es mit einer monströsen Bedrohung zu tun: Dem wiedererwachten Super-Mutanten Apocalypse, der im alten Ägypten als Gott verehrt wurde und nun wieder auferstanden ist, um die Menschheit erneut zu unterwerfen:
"Er will diese Welt zerstören. Milliarden Menschen sollen sterben."
"Ziehen wir in den Krieg!"
Apocalypse macht als Erstes sämtliche Atomwaffen unschädlich. Die Bilder der aufsteigenden Raketen erinnern an "The Day After", und überhaupt sind diese historisch-politischen Anspielungen – im letzten Teil waren Vietnamkrieg und Nixon Thema – ein besonderer Reiz der X-Men-Filme von Regisseur Bryan Singer. Originell sind auch wieder die teils sehr lustigen Superkräfte. Nur kracht es dieses Mal etwas zu viel, was auf Kosten der Figuren, vor allem des farblosen Superbösen geht. Aber in dieser Riege identitäts-verwirrter Außenseiter steckt ein Potential, das sie zu Ausnahmeerscheinungen im Superhelden-Genre macht.
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