Neu im Kino:"Das Mädchen Hirut"

Eine Frau erschießt ihren Peiniger

Mehret Mandefro (l-r), Zeresenay Berhane Mehari, Meaza Ashenafi und Meron Getnet am 15.02.2014 in Berlin während der 64. Internationalen Filmfestspiele zur Abschlussgala und Verleihung der Bären.
Regisseur Zeresenay Mehari war mit "Das Mädchen Hirut" ("Difret") 2014 bei der Berlinale zu Gast und gewann den Publikumspreis. © picture alliance / dpa / Britta Pedersen
Von Anke Leweke · 12.03.2015
"Das Mädchen Hirut" erzählt von einer jungen Frau in Äthiopien, die vergewaltigt wird. Als sie den Mann tötet, gerät sie in Konflikt mit den Traditionen ihrer Volkes. Der Film basiert auf einer wahren Geschichte. Koproduziert wurde er von Angelina Jolie.
Auch wenn die Kamera sich ganz in ihre Nähe begibt, kann sie Hirut nicht schützen. Auf dem Weg nach Hause wird das junge Mädchen von mehreren Männern entführt und vergewaltigt. In den ländlichen Gegenden Äthiopiens sind solche gewalttägige Übergriffe keine Seltenheit, sie werden auch nicht verfolgt. Vielmehr handelt es sich um die Tradition der "Telefa", die eine Entführung vor der Eheschließung erlaubt.
Ihr droht die Todesstrafe
Hirut wird sich wehren und aus Notwehr ihren Peiniger erschießen. Auf die Ermordung eines Mannes durch eine Frau steht in Äthiopien die Todesstrafe. Die Anwältin und Frauenrechtlerin Meaza Ashenafi nimmt sich Hiruts an, sieht sich jedoch mit einem traditionellen Rechtsempfinden konfrontiert.
Hiruts Geschichte basiert auf realen Ereignissen des Jahres 1996, die die Regisseurin vor Ort recherchiert und zu einer schnörkellosen und geradlinigen Geschichte verdichtet hat. Vielleicht mögen manche Figuren zu stereotyp geraten sein, die Feindbilder zu eindeutig. Doch das Drama des jungen Mädchens lässt über das vereinfachende Drehbuch hinwegsehen.
Zwischen Tradition und Moderne
Der Film nimmt sowohl Hiruts Perspektive als auch die der Anwältin ein. Als Zuschauer erlebt man so das Geschehen aus nächster Nähe und bekommt wenig später auch die reflektierte Position mit erzählt. Aus der Reibung dieser beiden Blickwinkel ergeben sich unerwartete Spannungsmomente. Denn so sehr die Anwältin auch helfen will, trifft sie doch auf ein verängstigtes Mädchen, das sich in der großen Stadt überfordert fühlt.
Auch wenn Hirut sich gegen die Tradition aufgelehnt hat, kommt sie doch aus einem anderen kulturellen Hintergrund als ihre Verteidigerin. Hirut möchte auch wieder zu ihrer Mutter und Schwester zurück. Wenn ihr Fall später vor Gericht kommt, öffnet sich der Film zu einem Diskurs über Tradition und Moderne, Demokratie und Patriarchat. Als Zuschauer bekommt man einen Eindruck davon, dass ein Schritt in die Zukunft stets auch Opfer mit sich bringt.
Äthiopien 2014, Regie: Zeresenay Mehari, Hauptdarsteller: Meron Getnet, Tizita Hagere, Haregewine Assefa, 99 Minuten
Mehr zum Thema