Netzpolitik.org über neuen Digitalrat

"Guter Rat wird nicht reichen"

In Berlin ist der neue Digitalrat zusammengekommen. Das zehnköpfige Expertengremium berät die Regierung künftig in technologischen Fragen.
Katrin Suder (l. v. A. Merkel) sitzt dem Digitalrat der Bundesregierung vor. © picture alliance/Kugler, Steffen/ Bundesregierung/dpa
Ingo Dachwitz im Gespräch mit Nicole Dittmer |
Zu viele Juristen und niemand aus der Zivilgesellschaft? Ingo Dachwitz von Netzpolitik.org hält die Zusammensetzung des Digitalrates der Bundesrepublik für verbesserungswürdig. Er rät dem neuen Gremium, erst mal die ungemachten Hausaufgaben zu machen.
Das Bundeskabinett hat einen aus zehn Expertinnen und Experten bestehenden Digitalrat eingesetzt. Das Gremium soll die Regierung bei der Umsetzung von Digitalisierungsprojekten in der Verwaltung oder im Bildungsbereich unterstützen.
Den Vorsitz hat Katrin Suder inne. Sie war bis Mai 2018 im Bundesverteidigungsministerium als Staatssekretärin tätig und wurde einst von Ursula von der Leyen von der Unternehmensberatung McKinsey dorthin geholt. Beth Simone Noveck führte für Obama die Open Government Initiative, Urs Gasser leitet an der Harvard Universität das Center for Internet & Society und der Österreicher Viktor Mayer-Schönberger unterrichtet in Oxford.

Wer denkt an Nachhaltigkeit, Gemeinwohl, Solidarität?

"Da sitzen kluge Leute zusammen", findet Ingo Dachwitz vom Nachrichtenportal Netzpolitik.org. Fast die Hälfte von ihnen seien Juristinnen und Juristen. Er kritisiert:
"Es fällt auf, dass sie ausschließlich aus Wirtschaft und Forschung kommen und zivilgesellschaftliche Perspektiven so ein bisschen runterfallen. Es ist niemand da, der ganz praktisch daran arbeitet, den digitalen technischen Fortschritt in den Dienst von Nachhaltigkeit, Gemeinwohl oder einer solidarischen Gesellschaft zu stellen."
Der Digitalrat soll die digitale Praxis in die Politik bringen. Was kann er wirklich bewirken?
Ingo Dachwitz: "Sie sollen, nach dem was man bislang gehört hat, zwei Mal im Jahr tagen. Das Gremium hat kein eigenes Budget. Die können gute Ratschläge machen, aber ich glaube nicht, dass es den ganz großen Effekt haben wird. Viel wird davon abhängen, wie der Beratungswillen der Bundesregierung und der Kanzlerin an der Stelle ausschaut."

"Breitbandausbau als Grundvoraussetzung"

Welche Themen hält der Redakteur vom Nachrichtenportal Netzpolitik.org, der auch Mitglied beim Verein Digitale Gesellschaft ist, für die dringlichsten?
"Die Themenfelder, die der Rat jetzt mitbekommen hat: Zukunft der Arbeitswelt und ähnliches sind große, abstrakte Fragen. Aber wir sehen ja, dass es in Deutschland eigentlich an den Grundlagen mangelt. Deshalb muss es jetzt erstmal darum gehen, die ungemachten Hausaufgaben aus den letzten dreizehn Jahren zu machen: Breitbandausbau als Grundvoraussetzung. Genauso im Bereich E-Government, digitale Verwaltung – bislang in Deutschland größtenteils Fremdworte."
Wiederholt verweist Dachwitz auf die Arbeit der von 2010 bis 2013 tätigen Enquete-Kommission für Internet und digitale Gesellschaft:
"Ich würde wirklich noch mal empfehlen, sich die Empfehlungen der Internet-Enquete-Kommission anzuschauen, deren Vorschläge seit fünf Jahren in den Schubladen verstauben."
Guter Rat allein werde nicht reichen, betont Ingo Dachwitz abschließend.
(cosa)
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