Netzökonomie

"Noch lange nicht auf Augenhöhe mit Amazon"

Alibaba greift Amazon und eBay an.
Alibaba greift Amazon und eBay an. © dpa / picture alliance / Imaginechina / Da Qing
Holger Schmidt im Gespräch mit Susanne Burg · 13.05.2014
Der chinesische Internet-Versand Alibaba will weltweit expandieren. "Focus"-Journalist Holger Schmidt sieht den Angriff auf Amazon und eBay gelassen: Für Alibaba werde es schwer, außerhalb von China zu punkten.
Susanne Burg: Ich bin jetzt telefonisch verbunden in Frankfurt am Main mit Holger Schmidt. Er ist Journalist beim "Focus" mit dem Schwerpunkt Netzökonomie, und mit ihm will ich jetzt über die geplanten internationalen Geschäfte von Alibaba sprechen. Guten Morgen, Herr Schmidt.
Holger Schmidt: Schönen guten Morgen.
Burg: Alibaba will an die Hightech-Börse Nasdaq oder an die New Yorker Stock Exchange. Warum wählt ein Online-Unternehmen aus China einen Börsenplatz in den USA?
Schmidt: Das ist ganz einfach. Jack Ma will das Sagen weiterhin haben. Die amerikanische Börse ermöglicht es Unternehmen, verschiedene Aktientypen auszugeben, die dazu führen, dass die Besitzer, auch wenn sie nicht die meisten Aktien haben, aber die höchsten Stimmrechte haben. Google zum Beispiel hat so was auch gewählt. Insofern ist das sehr beliebt bei Unternehmen, bei denen der Chef weiterhin mitmischen will und weiterhin sozusagen die Macht behalten will, und Jack Ma hat das deswegen gemacht.
Burg: Denn Jack Ma hat ja nur noch neun Prozent am Unternehmen. Größter Anteilseigner sind, wenn ich es richtig verstanden habe, eine japanische Telekom-Firma und der US-Internet-Pionier Yahoo.
Schmidt: Genau. Yahoo und SoftBank sind die beiden größten Aktionäre. Aber Jack Ma will da einfach möglichst viel weiterhin zu sagen haben und deswegen diese Konstruktion.
Burg: Markus Rimmele hat eben gesagt, Alibaba ist schon auf chinesische Kaufgewohnheiten zugeschnitten, aber grundsätzlich international übertragbar. Wie sehen Sie das? Müssen sich Amazon und eBay tatsächlich Sorgen machen?
Schmidt: Ich glaube erst mal nicht. Alibaba hat das in China wirklich sehr gut gemacht. Da hat ja auch eBay einen Versuch gestartet und gegen Alibaba hatten sie keine Chance, weil sie einfach die chinesischen Gewohnheiten nicht so gut kannten wie Jack Ma. Das hat er wirklich wunderbar gemacht. Nun ist das in Amerika oder Europa genau umgedreht. Da muss Jack Ma lernen, wie der Markt funktioniert, und er muss hinterherlaufen. Das wird ein ganz anderes Spiel, da wird er es viel schwerer haben zu punkten, zumal gegen Amazon, die ja viele eigene Produkte verkaufen. Das macht Jack Ma in diesem Sinne ja gar nicht, dass er an Privatkunden eigene Produkte verkauft, sondern er ist ja mehr Marktplatz. Das heißt, ich glaube, eher eBay muss sich ein paar Gedanken machen als Amazon.
"WeChat könnte die erste globale chinesische Internetmarke werden"
Burg: Aber ganz klar ist mir das noch nicht, denn Alibaba hat ja ein recht erfolgreiches Geschäftsmodell. Sie bieten teilweise den Marktplatz den Händlern gratis an. Sie könnten doch schon eine direkte Konkurrenz sein zu Amazon?
Schmidt: Das größte Geschäft von Amazon ist ja der Verkauf von eigenen Produkten. Zwei Drittel sind ja eigene Produkte und nur ein Drittel ist quasi über den Amazon-Marktplatz, bei dem Händler quasi über Amazon verkaufen. Insofern ist Amazon da nicht direkt betroffen. Der große Vorteil von Amazon ist aber die Logistik. Die haben ja sehr, sehr viel investiert in Logistikzentren und können heute sehr schnell die Pakete liefern. In Amerika sind die inzwischen in jeder großen Stadt dran und bereiten sich darauf vor, quasi am selben Tag noch zu liefern, und das ist ein Riesenvorteil, den Alibaba nicht hat, den sie erst mal aufholen müssen. Da werden sie, glaube ich, eine ganze Weile brauchen, bis sie das schaffen, wenn sie da gegen Amazon antreten wollen. Da sehe ich auch mit den vielen Milliarden, die er jetzt beim Börsengang bekommt, Alibaba noch lange nicht auf Augenhöhe.
Burg: Es gibt ja noch zwei andere große Internet-Unternehmen in China, Baidu und Tencent. Ist Alibabas geplanter Börsengang erst der Beginn? Droht womöglich der ganzen Online-Branche jetzt so ein Verdrängungswettbewerb?
Schmidt: Das muss man differenziert sehen. Baidu ist eine Suchmaschine, die, glaube ich, nur deswegen in China vorne liegt, weil Google quasi ja da aufgegeben hat aufgrund politischer Geschichten. Dieser Markt ist sehr stark politisch geprägt. Das Ganze gilt ja auch für Twitter und Facebook, die in China verboten sind, weswegen die chinesischen Klone dort überhaupt erst so groß geworden sind. Baidu sehe ich auf dem Weltmarkt überhaupt nicht als Konkurrenz zu Google. Das sieht anders aus bei Tencent. Das ist ein soziales Netzwerk und die haben eine Messaging-App gebaut, ähnlich wie WhatsApp, die ja in Deutschland sehr populär ist, und die nennt sich WeChat. Das Ding ist wirklich sehr erfolgreich, expandiert gerade quasi aus China heraus, ist in 23 Ländern unter den Top Ten. Das könnte die erste globale chinesische Internet-Marke werden. Die ist fast so groß wie WhatsApp und da bin ich sehr gespannt, wie dieser Zweikampf ausgeht. Ich tippe eher auf WeChat als erste chinesische Internet-Marke denn auf Baidu oder auf Alibaba, die wirklich groß wird.
"Dominanz liegt immer noch bei den Amerikanern"
Burg: Sie sagten ja eben, man muss das alles sehr differenziert sehen. Es herrscht ja auch immer eine gewisse Angst vor Chinas wirtschaftlichem Aufstieg. Wie viel Irrationales schwingt dabei auch immer mit?
Schmidt: Na ja, im Internet ist es wirklich so, dass natürlich die Amerikaner das beherrschen, weiterhin, und die Chinesen mittlerweile in einigen Bereichen gut sind oder versuchen aufzuschließen. Es ist so, dass aber die Dominanz immer noch ganz klar bei den Amerikanern liegt, in jeder Metrik, die sie anwenden, ob es nun Marktkapitalisierung ist oder Kunden. Ich glaube, da müssen sich die Amerikaner bis auf die Ausnahme von WeChat und WhatsApp noch keine wirklichen Sorgen machen, dass die Chinesen in kürzester Zeit den Markt überrollen. Das ist, glaube ich, nicht angebracht.
Burg: Der chinesische Internet-Gigant Alibaba plant, in den USA an die Börse zu gehen. Holger Schmidt ist Journalist beim "Focus" mit Schwerpunkt Netzökonomie. Ihnen vielen Dank fürs Gespräch, Herr Schmidt.
Schmidt: Bitte sehr.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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