Netflix-Serie "The History of Swear Words"

Fluchen tut der Seele gut

09:13 Minuten
Vor Wut schäumt ein Mann im wahrsten Sinne des Wortes über.
Schimpfen, fluchen, meckern, manchmal muss es raus. © Getty Images / iStockphoto / Camrocker
Ingke Günther im Gespräch mit Dieter Kassel · 06.01.2021
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Eine Kulturgeschichte der Schimpfwörter präsentiert Netflix in einer Dokureihe. Sehr flott und schrill, urteilt die Künstlerin Ingke Günther. Sie selbst sammelt seit 17 Jahren Schimpfwörter und stickt sie in Rot auf Büttenpapier.
"Fuuuuuuck!". Der Mann im edlen schwarzen Anzug breitet die Arme aus und brüllt sich schier die Seele aus dem Leib. Im Hintergrund das gediegene Ambiente eines Kaminzimmers. Die Szene ist Teil der neuen Dokureihe "The History of Swear Words", die jetzt auf Netflix zu sehen ist.
Es geht darin vor allem um amerikanische Schimpfwörter: Fuck, Shit, Dick, Bitch und ähnliches, um die Geschichte dieser Ausdrücke sowie ihre Funktion und Verwurzelung in der Alltagssprache.
Sehr flott und sehr schrill, findet die Künstlerin und Schimpfwortsammlerin Ingke Günther, die "The History of Swear Words" für uns angesehen hat. Experten aus Popkultur und Wissenschaft äußern sich darin, und Schauspieler Nicolas Cage als Präsentator liefere dazu die "sehr gut gebügelte, gutaussehende Folie".

Ausagieren von Emotionen hilft

Zwar ermüde das immergleiche hohe Tempo der Serie, sagt Günther. Auf der anderen Seite biete sie durchaus neue Zugänge zum Thema.
Etwa dass Schimpfwörter eine kathartische, also reinigende Wirkung haben. Deutlich wird das beispielsweise an einem Experiment, bei dem mehrere Menschen die Hand in ein Gefäß mit Eiswasser stecken. Dabei dürfen einige laut schimpfen, andere nicht. Die erste Gruppe kann mit dem Schmerz besser umgehen. "Ich finde das sehr nachvollziehbar", so Günther.

In unserer Sendung Kompressor hat Kritikerin Anna Wollner die Serie unter die Lupe genommen. Die Qualität schwanke, sagt sie. Ihr haben vor allem die "Fuck"- und die "Bitch"-Folge gefallen.

"Das ist ein Ausagieren von Emotionen und Sprachpsychologen bestätigen das. Schimpfworte haben auf jeden Fall heilsame Wirkung."

"Pommespanzer" und "Achselhippie"

Günther selbst sammelt seit 17 Jahren Schimpfwörter und stickt sie in Rot auf Büttenpapier. Inzwischen umfasst ihre Liste 2455 Wörter. Fertig werde sie damit nie sein, sagt sie. Denn immer wieder kämen auch über die Jugendsprache neue Wörter dazu.
"Der Pommespanzer oder der Achselhippie – das sind Worte, die haben unsere Großeltern oder auch unsere Eltern noch nicht gekannt."
Eines der jüngsten Schimpfwörter auf ihrer Liste ist die "Holzhupe". Holzhupe? "Ein Mensch, bisschen dröge vielleicht, tönt nicht ganz so laut", erklärt Günther.
Porträtaufnahme der Künstlerin Ingke Günther.
Ingke Günther sammelt seit 17 Jahren Schimpfwörter.© Jörg Wagner
Eine Serie wie "The History of Swear Words" könnte sich die Künstlerin auch für den deutschen Sprachraum vorstellen. Darin würden dann wohl "Arschworte" eine zentrale Rolle spielen. "Das Arschloch ist natürlich der Klassiker im Deutschen, aber mein liebstes ist der Arschkeks. Dem Arsch könnte man eine ganze Serie widmen."
(uko)
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