Huch, die Queen ist ja schwarz
09:09 Minuten
Englischer Adel im 19. Jahrhundert, gespielt von schwarzen Menschen: Der Erfolg der Serie "Bridgerton" wird damit erklärt, dass die Hautfarbe beim Casting egal gewesen sei. Die Kulturwissenschaftlerin Simone Dede Ayivi zeigt: So einfach ist es nicht.
Die Historienserie "Bridgerton" ist derzeit der Renner bei Netflix: Aus Miss Daphne Bridgerton, gespielt von Phoebe Dynevor, soll Mrs. Bridgerton werden. Ihre Suche nach einem Gatten in der fiktiven Londoner High Society des Jahres 1813 steht nach Auskunft des Streaminganbieters an der Spitze der eigenen Charts in vielen Ländern. Nun wird gemutmaßt, dass der Erfolg der Serie auch darauf beruht, dass die Produktion mit sogenanntem "Colorblind Casting" gearbeitet hat – und in "Bridgerton" viele Figuren von schwarzen Menschen und People of Color dargestellt werden.
Die Theatermacherin und Kulturwissenschaftlerin Simone Dede Ayivi hat "Bridgerton" bereits gesehen. Die Serie, sagt sie, sei eine "Kostümschnulze", die "eine sehr bekannte Trope aus romantischen Komödien" als Handlung habe: Zwei Menschen tun aufgrund der Erwartungen ihres Umfeldes so, als seien sie ineinander verliebt – und verlieben sich dabei tatsächlich.
Eher ein Spiel mit Colorblind Casting
Colorblind Casting, also ein farbenblindes Casting, bedeute eigentlich, die Rollen nach Talent und Fähigkeiten zu vergeben, nicht nach der Hautfarbe, so Ayivi. Was in "Bridgerton" geschehe, sei aber eher ein Spiel mit Colorblind Casting.
Beim Setting der Serie – Londoner Adel, frühes 19. Jahrhundert – frage sich das Publikum vielleicht: Was machen all die People of Color dort? "Da ist natürlich der erste Gedanke: Na klar, die waren ja alle weiß. Deshalb muss es sich hier um Colorblind Casting handeln. Tatsächlich wird später in der Serie aber Race als Faktor thematisiert." In "Bridgerton" gehe es nämlich auch darum, wie die von schwarzen Darstellern gespielten Figuren eigentlich in die High Society gelangt seien.
Unsichtbarmachung schwarzer Menschen
Wir seien es gewohnt, Filme zu sehen, in denen nur weiße Menschen auftauchen – und hielten dies auch für historisch richtig. Doch das sei es oft nicht, betont Ayivi:
"Wenn ich eine Serie sehen würde, in der es zum Beispiel um Gelehrte im 18. Jahrhundert in Deutschland geht, und da taucht ein schwarzer Mann auf, da würde ich auch denken: Das wurde aus einer politisch korrekten Haltung da hinein geschrieben. Aber Anton Wilhelm Amo war Gelehrter in Halle zu der Zeit."
Gerade im historischen Genre gebe es eine Unsichtbarmachung schwarzer Menschen. Und wenn dann schwarze Menschen weiße Personen darstellten, werde das nicht als eine künstlerische oder inhaltliche Entscheidung gewertet, sondern für eine politische Entscheidung gehalten: "Vielleicht wurden die ja nur besetzt, um Proteste zu vermeiden, um Leute ruhig zu stellen, die sich darüber aufregen – zurecht –, dass schwarze Menschen in Film und Fernsehen so wenig vorkommen."
(jfr)