NDR-Journalist über "Panama Papers"

"Uns erwarten noch mehr prominente Namen"

Der Fußballer Lionel Messi, der saudische König Salman und rer ukrainische Präsident Petro Poroschenko,
Der Fußballer Lionel Messi, der saudische König Salman und der ukrainische Präsident Petro Poroschenko: ihre Namen fallen in den sogenannten "Panama Papers". © picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka / Alejandro Garcia / SAUDI PRESS AGENCY
Benedikt Strunz im Gespräch mit Dieter Kassel · 04.04.2016
NDR-Journalist Benedikt Strunz hat in den vergangenen Monaten an den Enthüllungen der "Panama Papers" mitgearbeitet. Diese dokumentieren ein Netz aus Briefkastenfirmen. Die Nennung deutscher Beteiligter wird für großes Aufsehen sorgen, glaubt Strunz.
Dieter Kassel: Das Wort oder der Begriff – es sind zwei Worte – "Panama Papers" könnte möglicherweise das Wort des Jahres werden. Wir müssen uns im Moment noch daran gewöhnen, werden aber bald alle sehr genau wissen, was das ist. Es handelt sich um Unterlagen über 212.000 Briefkastenfirmen, die Journalisten zugespielt wurden, gestern um 20 Uhr begann die weltweite Veröffentlichung dieser Unterlagen und es wurde da auch schon bekannt, dass 140 Politiker solche Briefkastenfirmen besitzen. Darunter einige amtierende und viele ehemalige Staatschefs, darüber hinaus auch berühmte Sportler wie Lionel Messi, der Fußballspieler zum Beispiel und, und, und. Das ist schon bekannt, das ist noch längst nicht alles.
Rund 370 Journalisten haben diese Unmengen an Unterlagen ausgewertet und einer davon ist auch der NDR-Kollege Benedikt Strunz, schönen guten Morgen, Herr Strunz!
Benedikt Strunz: Schönen guten Morgen!
Kassel: Nachdem ich auch eine ganze Talkshow dazu gesehen habe und viel gelesen, finde ich, es geht immer viel durcheinander. Worum geht es im Kern bei diesen Briefkastenfirmen? Steuerhinterziehung und Verkürzung, Geldwäsche oder einfach nur darum, große Vermögen vor der Öffentlichkeit zu verstecken?

"Ganz wichtig: Es gilt immer die Unschuldsvermutung"

Strunz: Also, ich denke, eins ist ganz wichtig in dieser Debatte, die wir jetzt in den kommenden Tagen und Wochen führen werden, und das ist der Hinweis, dass immer die Unschuldsvermutung gilt. Steueroasen und Briefkastenfirmen sind nicht per se illegal. Wenn ich eine Briefkastenfirma als Deutscher besitze, mache ich mich nicht sofort strafbar, ich kann die für legale Zwecke benutzen, beispielsweise wenn ich in Steueroasen legalen Geschäften nachgehe, wenn ich da einen Geschäftszweig aufbauen möchte etwa.
Was wir in den Daten, die wir ausgewertet haben, aber sehen, ist, dass es in der Regel, in aller Regel darum geht, Vermögen zu verschleiern, Vermögen und Geld, Besitztümer zu verstecken. Das muss auch nicht illegal sein, man kann das als illegitim bewerten. Zum anderen aber ist auch ein großer Bereich, in dem es tatsächlich um Illegales geht, darum, Geld, Steuern zu hinterziehen, kriminell erworbenes Geld zu waschen. Wir sehen, dass Drogenbarone, dass Mafiosi diese Konstrukte nutzen, dass Waffenschieber, Terrorfinanziers diese Firmen nutzen. Und das ist nichts, was erstaunt. Steuerfahnder und Finanzfachleute warnen seit Jahren vor der Gefahr, die von diesen Offshore-Konstrukten ausgeht.
Kassel: Die Namen, die jetzt schon bekannt sind, dazu zählen Menschen aus dem nahen Umfeld von Wladimir Putin, dazu zählt der amtierende isländische Regierungschef, der König von Saudi-Arabien. Aber Sie und Ihre Kollegen werden ja jetzt, so ist es geplant, jeden Tag neue Einzelheiten veröffentlichen aus diesen Unterlagen. Erwarten uns da noch mehr prominente Namen?

"Spannend bleibt, welche deutschen Namen dabei sind"

Strunz: Auf jeden Fall erwarten uns noch mehr prominente Namen. In diesen Panama Papers, 11,5 Millionen Dokumente, das ist natürlich ein ganzer Wust. Und wir dürfen sicherlich gespannt sein, was da noch kommt. Wir haben ja gerade erst angefangen mit den Veröffentlichungen und es bleibt spannend. Spannend bleibt auch – so viel kann ich verraten –, welche deutschen Namen in diesen Panama Papers sind, und vor allem auch, welche Rolle deutsche Banken in diesem System der Steueroasen spielen. Denn eins ist natürlich auch klar: Diese Steueroasen und die Briefkastenfirmen funktionieren nur, wenn sie starke Helfer haben, und das sind in der Regel Banken.
Kassel: Es ist ein bisschen früh, um jetzt schon die Frage zu stellen, was diese Enthüllungen wirklich bewirken werden, also über Einzelfälle hinaus. Aber der Linkenpolitiker Gregor Gysi hat gestern im Fernsehen schon gesagt, man muss diese Briefkastenfirmen, die ja – Sie haben es selbst erklärt – eigentlich legal sind, grundsätzlich verbieten. Glauben Sie, dass so etwas oder etwas anderes Grundsätzliches nun geschehen wird in Folge dieser Enthüllungen?
Strunz: Das kann ich nicht bewerten, ich weiß auch nicht, ob man Briefkastenfirmen verbieten muss. Was wir konkret sehen, ist, dass strafrechtliche Konsequenzen drohen, in Australien und Neuseeland haben die Steuerfahnder bereits jetzt die Panama Papers zum Anlass genommen, Ermittlungen durchzuführen. Das Gleiche geschieht in Panama, in Deutschland wird es auch Ermittlungen geben, die gibt es schon jetzt, weil ein kleiner Teil der Daten auch deutschen Steuerbehörden bekannt ist.
Viel spannender finde ich aber die Frage, was bei konkreten Politikerinnen und Politikern passiert, wenn ich jetzt nach Island schaue, wo Premierminister Gunnlaugsson in diesen Daten steht und darüber hinaus noch zwei seiner Minister im derzeitigen Kabinett, dann stelle ich mir die Frage, was da politisch eigentlich noch passieren wird.
Wir sehen bereits jetzt eine Petition in Island, wo mehr als 15.000 Menschen den Rücktritt der Regierung fordern, ein konstruktives Misstrauensvotum ist angekündigt, für heute ist in Reykjavik eine Demonstration angekündigt, und das ist nur ein politischer Fall in diesen Daten.

"Ich weiß nicht, ob das Verbot der richtige Weg ist"

Um noch mal zu der Forderung von Herrn Gysi zurückzukommen: Natürlich muss man darüber nachdenken, was mit diesen Briefkastenfirmen geschieht, ich weiß nicht, ob das Verbot der richtige Weg ist, da natürlich auf legalen Wege legale Sachen damit gemacht werden können. Aber natürlich müssen wir uns die Frage stellen, ob wir genügend Regularien haben auf internationaler, aber auch auf deutscher Ebene, um das Geschäft mit Briefkastenfirmen zu erschweren beziehungsweise das illegale Geschäft, um zu verhindern, dass künftig weiterhin diese Formen von kriminellen Machenschaften in Steueroasen verborgen vor den Augen der Öffentlichkeit stattfinden können.
Kassel: Benedikt Strunz vom Norddeutschen Rundfunk, einer der Journalisten, die auf der ganzen Welt damit beschäftigt sind, die Unterlagen über 212.000 Briefkastenfirmen auszuwerten, die unter dem Namen Panama Papers jetzt nach und nach an die Öffentlichkeit gelangen. Herr Strunz, danke für das Gespräch!
Strunz: Herzlichen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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