Nawalny wird im Straflager schikaniert

Ein Brathuhn im Tausch gegen Ideale?

06:19 Minuten
Alexej Nawalny schaut zu Boden.
Derzeit im Hungerstreik: Alexej Nawalny vor Gericht Ende Februar in Moskau. © imago /itar-tass / Video screen grab. Press Office of Moscows Babushkinsky District Court
Thomas Franke im Gespräch mit Britta Bürger · 09.04.2021
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In der Strafkolonie Pokrow ist Hühnchen eigentlich verboten. Nun werden vor den Augen Alexej Nawalnys Brathähnchen zubereitet. Perfide, findet unser Korrespondent Thomas Franke. Denn der Oppositionelle befindet sich seit zehn Tagen im Hungerstreik.
Seit zehn Tagen ist der russische Oppositionelle Alexej Nawalny im Hungerstreik. Es heißt, er nehme nur noch Wasser zu sich. Vor vier Wochen wurde er in das Straflager Pokrow gesperrt – hundert Kilometer östlich von Moskau. In den letzten Tagen hat er über starke Rückenschmerzen und Taubheit in den Beinen geklagt. Mit dem Hungerstreik möchte er erreichen, einen Arzt "seines Vertrauens" zu treffen.
Laut Berichten wird nun versucht, den hungernden Nawalny mit Brathähnchen mürbe zu machen. Diese Berichte seien ernst zu nehmen, sagt unser Russland-Korrespondent Thomas Franke.
Die Strafkolonie Pokrow, wo Alexej Nawalny gefangen gehalten wird.
Hier ist Alexej Nawalny im Hungerstreik: Die Strafkolonie Pokrow, rund hundert Kilometer östlich von Moskau.© imago/ Tass/ Mikhail Metzel
"Mit dem Geruch des gebratenen Hühnerfleisches versuchen die Wärter ihn zu betören, damit er etwas isst und damit unglaubwürdig wird." Das scheine eine gängige Methode zu sein, den Willen von Hungerstreikenden zu brechen, erklärt Franke.
In den Augen Nawalnys, so lässt er es über seine Anwälte mitteilen, wirft das ein gewisses Licht auf die Machthaber. Die glauben, Nawalny werde für ein Brathuhn seine Ideale über Bord werfen.

Treffer ins Schwarze

"All das - von der Vergiftung mit Nowitschok bis hin zur Schikane im Lager - ist meiner Ansicht nach ein Beleg dafür, dass Nawalny immer noch ins Schwarze trifft", sagt Franke. Gerade ein Hungerstreik habe eine emotionale Wucht, sei ein Zeichen ungebrochener Kampfkraft und mache international Druck.
Informationen zu den Vorgängen im Straflager dringen laut Franke durch Nawalnys Anwälte nach draußen. Sie besuchen ihn offenbar täglich und posten in seinem Auftrag.
"Den Willen eines Menschen zu brechen ist Folter", so Franke. "Das mit dem Geruch von gebratenem Fleisch ist perfide. Denn man muss sich klarmachen: Menschen, die Hunger haben, bei denen verändert sich der Geruchssinn. Er wird empfindlicher."
In Deutschland bekommt Nawalny viel Aufmerksamkeit. In Russland hingegen seien die Reaktionen geteilt: "Es gibt eine Art Polizeistaatsreflex", berichtet Franke. "Die Leute ducken sich weg, teilweise ist das vorauseilender Gehorsam." Oft gebe es Ärger, wenn man sich öffentlich auf die Seite Nawalnys stelle, "aber es gibt natürlich auch die Solidarität".
(mfied)
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