Naturschutz

Ih, ih, ih, wati, wati, wati!

Von Alexa Hennings  · 03.04.2014
Der Hamburger Biologe Uwe Westphal hat vor Gericht für Frösche und Kraniche gekämpft. Doch jetzt ist er die Konflikte leid - und arbeitet wieder in der Natur.
Man steht im Wald. Das heißt, man steht nicht im Wald, sondern sitzt zuhause auf dem Sofa. Aber man fühlt sich wie im Wald: Schaudert ein wenig vor dem heulenden Wolf, fühlt sich nur wenig besser beim geheimnisvollen Ruf der Hohltaube, entspannt etwas beim Rotkehlchentriller und ist dann elektrisiert vom donnernden Ruf eines Rothirschs. Eine Welt, wie sie sein könnte, eine Geräuschkulisse, die es so nicht gibt. Denn alles hat ein Mensch mit seiner Stimme gemacht, und weil dieser Mensch auch ein Träumer ist, hat er den Wolf mit hineingelassen in seinen Geräuschewald, den Wolf, vor dem sich, wenn er auftaucht, immer noch viele fürchten und ihn am liebsten erschießen wollen. Es ist ein Idealkonzert, eines, das Uwe Westphal gern in der Wirklichkeit hören würde.
Die Wirklichkeit ist heute, an einem kühlen Frühlingsmorgen, wesentlich stiller. Zehn Naturfreunde in wetterfester Kleidung stehen vor der 600 Jahre alten Feldsteinkirche in Neuenkirchen, einem kleinen mecklenburgischen Dorf in der Nähe des Schaalsees.
Uwe Westphal: "So, dann fangen wir jetzt offiziell an. Kleine, überschaubare Gruppe. Die meisten kennen mich ja. Kennt mich jemand nicht?..."
Allgemeines Kopfschütteln. Entweder, man hat ihn schon mal live erlebt, hier in Neuenkirchen oder in Hamburg, wo er unter dem Motto "Wilde Hamburger" mit den Einwohnern auf der Suche nach Tieren in der Stadt durch die Gegend streift. Oder man kennt ihn von CD's und aus dem Fernsehen. Der Biologe ist Deutschlands berühmtester Tierstimmen-Imitator. Doch sagen würde er das von sich nie.
" ... Gut, also ich bin Uwe Westphal, teilweise wohne ich da oben, da hat man einen wunderbaren Blick auf das Eulenloch, wo der Kauz drinsitzt ... "
Uwe Westphal deutet auf ein Loch im Mauerwerk der Kirche, die direkt gegenüber seinem Wohnhaus steht. Das Dorf gehört zum "Biosphärenreservat Schaalsee" - ein Begriff, den er nicht besonders mag, wie sich noch zeigen wird.
" ... Wir gehen jetzt mal ein Stückchen runter. Da wurden im Winter Renaturierungsmaßnahmen abgeschlossen und es wird spannend sein, wie sich das dann entwickelt ... Pforte auf ... laufen ... "
Uwe Westphal öffnet die Pforte zum Friedhof. Plötzlich stelzt er wie ein Storch über die Wiese und ermahnt alle, es ihm gleich zu tun. Denn überall zeigen sich Frühjahrsblüher - und die soll keiner zertrampeln.
Oh, ein Moorfrosch
"Hier haben wir einen schönen Blick vom Friedhof auf die wiedervernässte Neuenkirchner Niederung. Man sieht ja, dass das Wasser überall steht. Früher hat man ja das Wasser aus der Landschaft geholt, sollte ja alles möglichst trocken sein. Das war natürlich für die Landwirtschaft gut, aber für die Natur nicht. Alles, was auf Feuchtigkeit angewiesen ist, also die Schnepfenvögel, die verschwinden dann, oder auch Frösche und Unken."
Einen Moorfrosch, der klingt, als würden Luftblasen im Wasser aus einer leeren Flasche blubbern, gibt es hier noch nicht wieder - aber seinen Ruf kann Uwe Westphal schon mal vormachen. Und auch den des Teichfrosches, der hier im Mai wieder quaken wird.
"So, und dann hat man im Jahr 2002 ein sogenanntes Life-Projekt hier gestartet, das hat man also wiedervernässt. Das ist natürlich eine schwierige Geschichte. Das war ja früher Grenzgebiet. Die innerdeutsche Grenze ging mitten durch den Schaalsee. Und hier, wir sind ja auf der mecklenburgischen Seite, hier war Sperrgebiet. Und nun kam die Grenzöffnung, die Leute hatten ihre Freiheit. Und nun sollten sie wieder - nach ihrer Auffassung - in ein Reservat gesperrt werden! Reservat klingt ja auch einfach bescheuert! Nationalpark ist noch was anderes, Naturschutzgebiet - aber Reservat! Und Biosphäre - das weiß sowieso kein Mensch, eigentlich heißt das ja nur Lebensraum, Biosphäre. Und das in die Köpfe zu kriegen! Die Leute müssen hier nicht hinterm Gartenzaun bleiben. Es soll sich entwickeln - aber nachhaltig."
Die hügelige Landschaft mit Wiese und See, Moor und Wald kommt Uwe Westphals Ideal ziemlich nahe. Sein "Büllerbü" war der Hof seiner Großeltern in der Nähe von Hamburg. Akustisch, nur mit seiner Stimme, versetzt sich der heute Mitte-50-Jährige in diese Zeit zurück.
"Mein Opa war ein richtiger Öko-Bauer - das Wort gab es damals noch nicht. Bei uns lebte alles so friedlich, freundlich miteinander. Wir hatten auch Kühe, einen Kuhstall auf der Diele, es war ein altes Niedersachsenhaus. Da waren ja auch die Kühe im Winter mit unter einem Dach. Und ich hatte mein Fahrrad da stehen und da saß eines Tages ein gerade flügge gewordenes Schwalbenjunges auf dem Fahrradlenker. Und ich wollte ja nun Fahrradfahren."
"Ja, dann habe ich es erst mal angezwitschert, so: - pfeift- und da hat es mich angeguckt mit ganz großen Augen. Und gedacht: Hm, er sieht nicht aus wie unsere Eltern, aber er spricht unsere Sprache - lachen - Mal sehen, was er uns zu sagen hat und ob er mir was mitgebracht hat. Hat er aber nicht. - pfeift - und ich habe ihm geantwortet. Dann bin ich hin und habe ihm den Handrücken unter den Bauch gehalten. Da ist er 'raufgestiegen - pfeift - Nun kamen aber die Schwalbeneltern mittlerweile. Und dachten, ihr Kind wäre in größter Gefahr. Und fangen an zu warnen - pfeift - Und ich wieder - pfeift - Und sie haben gedacht: Hä, was ist das nun? Und wussten nicht, was sie machen sollten. Haben geschimpft und gelockt gleichzeitig. Flogen da rum und über mich weg, setzten sich auf den Balken und lockten dann. Dann flog das Kleine hoch, wurde gefüttert und ich konnte Fahrrad fahren lachen ... "
Als Zwölfjähriger dann lief Uwe Westphal einem alten Ornithologen nach. Von ihm lernte er alles über Vögel. Hockte in aller Herrgottsfrühe in einem zugigen Schafstall, um durch ein Astloch in der Wand balzende Birkhähne zu beobachten. Er hörte und schaute und fühlte. Das ist bis heute das ganze Geheimnis seiner Kunst, die "Sprache" der Tiere nachzuahmen und sich so mit ihnen verbunden zu fühlen.
"Wenn das nun aber eine Mehlschwalbe gewesen wäre, die nicht drin gewesen sondern draußen am Haus - da hätte ich mit meinem - pfeift - nix recht ausrichten können. Da hätte ich - krchkrch ... Der Gesang ist auch ähnlich bei der Mehlschwalbe. Bei der Rauchschwalbe ist das ja so ein Schnurren ... macht nach -lachen ... Und dann kann man so eine Art aufgeregtes Geschwätz machen - macht vor ... lachen ... "
Weiter geht die Wanderung durch den Wald in Richtung See. Vorbei an einer Pferdekoppel, wo nur vier Pferde auf elf Hektar Land stehen - und demzufolge nicht alles kahlfressen. Halboffene Weidelandschaft nennt man das, erklärt der Biologe, so müsse man sich die ursprüngliche Landschaft in Mitteleuropa vorstellen. Urzeit am Neuenkirchner See. Uwe Westphal spitzt die Ohren.
"Das Pink, Pink, Pink, das war der Buchfink. Kohlmeise hört man, dieses Rhythmische - weit weg jetzt - tsitsitsi - oft auch dreisilbig tsitsideh - pfeift - der Buchfink hat vorhin, als wir noch am Haus standen, kurz mal gesungen. Der Unteroffizier - Ich bin der Unterrrroffizierrr - der typische Finkenschlag. Mancher singt auch: Ichichich schrieb an die Rrregierrung - das ist ein anderer Dialekt! Gibt nämlich auch Dialekte, Goldammern und Buchfinken haben Dialekte. Oh, hier ist die Goldammer runtergeflogen, die sitzt jetzt hier wunderbar vor uns! So gelb wie ein Kanarienvogel. Das Weibchen ist bräunlicher. Das waren Zeisige, die eben vorbeiflogen. Kleiner Trupp. -Pfeift - der Stimmfühlungsruf -pfeift ... "
Stimmfühlungsruf?
"Ich bin hier, wo bist du? Für den Gruppenzusammenhalt - lachen - laufen ... "
"Ich weiß, dass ich als Kind schon wusste und mir völlig klar war, dass alles, was ist - Menschen, Tiere, Pflanzen, Steine - ist alles Ausdruck des einen. Das musste mir keiner beibringen, das wusste ich einfach. Das wird dann natürlich naturwissenschaftlich verschüttet. Aber ganz verschüttet war es nie. Da es für mich ganz selbstverständlich war, musste ich das nicht wieder neu lernen. Aber ein Naturwissenschaftler glaubt ja nur an Dinge, die er sehen und messen kann. Das war bei mir immer anders. Als ich studierte, war ein Tier - wir hatten ja Verhaltensphysiologie - das war ´ne Blackbox."
Vogelfreunde stehen und lauschen
Das Verhalten eines Tieres schien damals oft unerklärlich. Man dachte, ein Tier reagiere nur auf Reize, alles diene der Fortpflanzung und: Tiere haben keine individuellen Eigenschaften und keine Gefühle. Uwe Westpahl sieht das anders. Tiere - wie jetzt den Marder - nachzuahmen bedeutet für den Biologen auch, sich in sie hineinzuversetzen. Sie zu verstehen - auch jenseits des Mess- und Erklärbarem. Ein Tier ist für ihn ein Wesen, ein Individuum.
"Man fragt sich: Warum kann zum Beispiel ein Grauschnäpper nur mit tss-Lauten auskommen und eine Nachtigall schmeißt sich derartig ins Zeug mit 260 verschiedenen Strophentypen pro Nachtigallenhahn?
Deswegen wird jetzt selbst in der Wissenschaft diskutiert: Die Nachtigall macht das nicht nur, um sich fortzupflanzen. Das könnte sie auch mit einfacheren Tonmitteln haben. Sondern sie macht das vielleicht aus Freude. Aber das kann man mit wissenschaftlichen Methoden natürlich nicht nachweisen."
Immer wieder bleiben die Vogelfreunde stehen und lauschen. Gar nicht so einfach, wenn alles durcheinander piept, die einzelnen Stimmen herauszufiltern und zuzuordnen. Aber wir haben ja einen dabei, der das für uns macht. Wie praktisch.
"Die Drossel, die Misteldrossel, eigentlich eine Schlechtwettersängerin. Die klingt so wie eine leiernde Amsel. Eine Amsel, die so irgendwie anfängt - pfeift ... "
In so einem Augenblick scheint sich Uwe Westphal selbst in einen Vogel zu verwandeln. Der kleine, zierliche Mann mit spiegelglatter Glatze und korrekt gestutztem Kinnbart, eine zierliche Metallbrille auf der Nase, zieht die Schultern hoch, sein Hals wird kürzer, die Arme angewinkelt wie Flügel. Er reißt die Augen auf. Sein Mund spitzt sich zu einem Schnabel, aus dem die erstaunlichsten Töne dringen. Nach der Misteldrossel wird er zur Singdrossel.
"Und der Gesang ist dadurch gekennzeichnet: Unterschiedliche Motive, die immer zwei- bis dreimal wiederholt werden - pfeift ... Und wenn sie weiter weg sitzt: pfeift ... "
Unterschiedliche Gesänge je nach Entfernung des Vogels? Die Zuhörer staunen. Aber gleich staunen sie noch mehr, denn es folgt wieder einer von Westphals Vogel-Merksprüchen, die er als Eselsbrücken für die Unkundigen immer parat hat.
"Ich sag jetzt mal einen Merkspruch, der ist auch sehr schön, und Sie können ja mal raten, welchen Vogel gemeint ist: Nun bin ich hier, hier, hier, Wiese, Wiese ... mein Ziel ... Himmel ... - - Die Feldlerche? - Das ist die Feldlerche, super! - lachen ... Wir können noch mal - wie spät haben wir es? - an den See nochmal gehen ... laufen ... "
Plötzlich die Ente
Uwe Westphal studierte in Marburg Biologie, seine Promotion schrieb er über Gewässerökologie. Wie eine Stockente zu schnattern, hat er nicht gelernt. Das kam einfach von selber, meint er, und schnattert einfach los.
Am anderen Seeufer meldet sich eine Ente.
" ... Ich hab mal einen Star gehört - oder: Ich hab mal einen Seeadler gehört. Und ich hab geguckt und keinen gesehen. Da waren nur ein paar Bäume, und da war kein Adler, da saßen nur ein paar Rotdrosseln und ein Star. Da denk ich: Du Schlingel! -lachen - Das kannst du nicht unterscheiden, Stare können alles - oder ziemlich viel. - Besucher: Wenn der die Stimme des Adlers nachmacht, hat er dann schon mal einen gehört oder ist das rein zufällig? - Nein, den muss er gehört haben. Und zwar in der sensiblen Prägephase. Also Singvögel müssen ja ihren Gesang lernen. In der Regel ist das der Gesang des Vaters. Aber wenn der schon Imitationen drauf hat, das ist eine richtige Tradition. Dann übernimmt er das."
Gerade kein Seeadler da? Macht nichts. Der Vogelmann wird zu einem. Vielleicht schwebt ja bald ein richtiger Adler über die "Elfenschule" am Neuenkirchner See?Hier ist seit zwei Jahren das Mecklenburger Zuhause des Hamburgers, der zwischen Großstadt und Dorf pendelt. Die "Elfenschule", die einstige Dorfschule, sieht auch aus wie Büllerbü: Roter Backstein, Fachwerk, ein angewittertes Reetdach mit grünen Moosinseln. Hinter einem großen Fenster hocken wunderliche, troll- und feenartige Gestalten.
Dort lebt und arbeitet die Künstlerin Ines Bargholz, es gibt eine Galerie, man kann Kurse machen, bei denen aus Blüten und Blättern, aus Holz und Moos zauberhafte Wesen entstehen. Hier sah man schon so manchen Amtsrichter oder IT-Spezialisten begeistert wie ein Kind mit dem "Elfenspiegel" über die Wiese hüpfen. Hier ist ein Ort, an dem man seinen gewohnten Blickwinkel aufgeben kann, sich Neuem, vielleicht Unerhörtem öffnet. Da passt der Biologe mit seiner Leidenschaft für die Natur, für Vögel und Tiere hinein - findet die Künstlerin.
Ines Bargholz: "Deswegen ist das so eine schöne Ergänzung, und ich finde das so schön - weil er hat ja diesen Zugang zu den Tieren. Oder zu der Seele der Tiere, zu dem, was Tiere sind. Und ich habe wahrscheinlich diesen Zugang zu Pflanzen. Das habe ich ja selbst gar nicht so gewußt. Und jetzt ist das so schön, jetzt kann das sichtbar werden und aufblühen. Und was wir natürlich wollen, dass wir Acht geben müssen, dass das nicht überspannt wird. Dass es nicht zu viel wird, es nicht eine touristische Attraktion wird. Dann kann ich auch nicht damit leben. Dann ist das hier ein Zoo und jeder guckt zu."
Wanderer und Fahrradfahrer statt Reisebusse, wenige, aber dafür besondere Angebote, bei denen man die Natur mit allen Sinnen erleben kann - in ihren Ideen für ihr Heimatdorf ergänzen sich die beiden Neuenkirchner. Hier, an diesem Ort, so meinen sie, lernt man etwas vom Sein und von den Dingen hinter den Dingen.
"Du läufst durch die Natur und fühlst dich so getrennt von allem. Weil du es nicht verstehst. Wie so ein Ausländer - lacht - und jetzt lernt er uns diese Sprache wieder! Das habe ich auch schon gemerkt, dass ich ganz andere Gefühle habe, viel verbundenere Gefühle."
Piepsen, schnurren, knurren, gackern, quaken, grollen, rollen, zwitschern, schnüffeln, krächzen, muhen, mähen, zirpen, brüllen, gurren, meckern. Ein Mensch, der Wunderliches vollbringt. Und sich nicht wundert darüber.
Uwe Westphal:"Es ist einmal die Frage der Technik, ich habe das im Grunde erst aus der Technik gemacht - ich glaube, umgekehrt geht das gar nicht. Aber wenn das richtig gut fließen soll, da muss ich mich da reinversetzen. Bei Säugetieren in die Stimmung, die aggressive Stimmung oder entspannte Stimmung. Oder bei Vögeln. Da geht das ganze Umfeld mit rein, die Klangkulisse, der Lebensraum. Das geht dann alles mit ein. Im Extremfall, wenn ich Buckelwalgesänge mach, dann reicht keine Packung Tempotaschentücher mehr, dann muss ich eine Küchenrolle neben mich packen. Weil das dann einfach durch mich durch fließt, und dann fließen auch die Tränen ganz fürchterlich.
Ines Bargholz: "Das merkst du ja, wenn er jetzt irgendein Tier macht - der wird das, der sieht dann so aus! Das ist ja das Verrückte. Das kommt durch dieses Einfühlen. Du bist das dann in dem Moment -lacht - Total schräg!"
Am Abend gehen Ines Bargholz und Uwe Westphal noch ein paar Schritte vor das Haus. Die Kraniche fliegen ein. Die große Wiese, die hinter dem Haus beginnt, ist ihr Rastplatz. Mit einem Kranich-Beobachtungsturm in der Mitte.
"Die Singschwäne, die kommen von Osten. Wenn die jetzt balzen, bis in die Nacht rein - macht Geräusch - Und dann noch die Kraniche dazu, das ist irre. Die gehen da runter -neulich waren wohl über Tausend insgesamt im Gebiet -Kraniche rufen ... Ist schon Luxus, hier zu wohnen. Da fahren Leute weit - und hier kommen sie direkt übers Haus. Und die Brutkraniche, die gucken mir manchmal bei der Gartenarbeit zu. Fehlt nur noch die Schaufel, auf die sie sich stützen können! Jetzt kommen sie direkt über uns hier. Sind ja doch noch ´ne ganze Menge ... Kraniche rufen ... "
Hinter ihm liegt das Zahn-um-Zahn-Prinzip
Uwe Westphal kämpfte sein Leben lang darum, die Lebensräume von Pflanzen und Tiere vor menschlicher Zerstörung oder auch nur vor der Unwissenheit der Menschen zu retten. Ob bei der Naturschutzakademie in Wetzlar, beim Naturschutzbund in Hamburg, als Redakteur von Naturschutz-Publikationen. Er sagt, jetzt hat er aufgehört mit dem Kämpfen.
"Ich weiß noch, meine Eltern, oder speziell mein Vater hat gesagt: Erziehung ist Vorleben. Wir wollen niemanden erziehen. Ich habe 18 Jahre hauptamtlich im Naturschutz gearbeitet, mich wirklich im Kampf bis auf EU-Ebene, in Großprojekten wie Elb-Vertiefung und Airbus-Erweiterung, gekümmert. Auf juristischer Ebene und auf allen Klaviaturen gespielt, versucht, Politiker zu überzeugen oder auf juristischem Weg Erfolg zu haben. Hat damals - heute sieht es schon anders aus, weil juristisch kriegt man schon eher Recht - aber im Grunde hat es nie geklappt. Weil, es war immer Kampf. Die haben es nie eingesehen. Es ging immer nur darum: Wer hat Recht? Wer hat mehr Geld, mehr Mittel, wer hat die besseren Rechtsanwälte?"
Statt mit Rechtsanwälten redet der Biologe jetzt mit Zwitscherheupferden. Fühlt sich hinein in die Tiere und versucht, dieses Gefühl weiterzugeben. Er findet, damit kommt er weiter als mit dem Kämpfen.
"Alles Leid der Welt hat im Grunde einen Ursprung. Ob das Umweltzerstörung ist, Kriege, persönliches Leid, Krankheiten, das hängt ja alles damit zusammen. Die Ursache ist die Entfremdung vom Sein, von der Natur, von sich selbst auch. Ich denk immer, wie kann man so leben, rein im Außen? Und die Leute sind innerlich tot, sie laufen manchmal wie Zombies durch die Gegend, habe ich manchmal das Gefühl. Und hier merken sie: Es geht auch anders - wenn sie noch was merken können. Und das versuchen wir - ohne dass wir das als Projekt oder so was bezeichnen. Wir sind das einfach. Wir leben das, ohne dass wir jetzt dazu Projektmittel beantragen oder großartig Seminare geben und uns darauf was einbilden - lacht - wir leben das einfach, und wir versuchen das einfach vorzuleben."
Er hat das alles hinter sich gelassen: die Aufregung, das Zahn- um-Zahn-Prinzip. Nicht, dass er den Kampf der Naturschützer für sinnlos hält, aber er will jetzt einfach kein Soldat mehr sein an dieser Front, an der er so lange diente. Das hat er erkannt, hier, bei den Mecklenburger Kranichen.
"Viele wollen, und ich wollte das genauso, die Welt verändern. Zum Besseren. Das Einzige, was du ändern kannst, bist du selber. Und solange du das nicht tust - der andere soll sich ändern! Warum soll der sich ändern? Das tut er nicht! Wenn jeder sich ändert, wenn man sich selber ändert, dann verbessert oder verändert man ja schon ein kleines Stück. Indem man das einfach anders ausstrahlt, dann wird vielleicht jemand anders auch animiert, das auch so zu sehen. Wenn ich ihm sage: Du sollst das und das machen, du darfst hier nicht diese und nicht jenes und du musst das und machen - dann errichte ich erst mal eine Mauer. Da renn ich gegen - bumm. Wenn der andere sieht, dass ich authentisch bin - oder wir authentisch sind - das überzeugt. Einfach nur das authentische Sein."
Hinweis:
Weitere Informationen über den Biologen und Tierstimmenimitator Uwe Westphal
www.westphal-naturerleben.de.
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