Natürliche Lösungen für menschliche Technik

03.07.2011
Lautloses Fliegen, sparsame Unterwasserantriebe, effektive Wärmedämmungen: Die Evolution hat Jahrmillionen Zeit gehabt, effiziente Lösungen für viele Probleme zu entwickeln. Dieses Buch zeigt, wie die Forschungsdiszplin der "Bionik" dieses Wissen für menschliche Technik nutzbar machen könnte.
Die Evolution hat Jahrmillionen Zeit gehabt, wunderbar effiziente Lösungen für viele Probleme zu entwickeln: "Sehen" mit den Ohren, lautloses Fliegen, sparsame Unterwasserantriebe, effektive Wärmedämmungen, kooperative Intelligenz und Hochleistungsmaterialien. Der Natur ein paar ihrer Tricks abzuschauen, ist das erklärte Ziel der Bionik bzw. Biomimetik. Fachmann Robert Allen hat in "Das kugelsichere Federkleid" fünf Kollegen aus Großbritannien, Japan und den USA eingeladen, ihre Kenntnisse und Erfahrungen auf diesem Gebiet vorzustellen.

Der Lotuseffekt ist das wahrscheinlich bekannteste Beispiel bionischer Forschung. Die mikroskopisch raue Oberfläche der Lotusblätter begünstigt, dass Schmutz leicht von ihnen abgewaschen werden kann. Wasser rutscht nicht, sondern rollt von ihnen herunter und nimmt den Staub beim Abperlen einfach mit. Seit der Trick verstanden ist, stellt die Industrie Farben und Lacke mit ähnlichen Eigenschaften für selbstreinigende Oberflächen her.

Robert Allen und seine Kollegen zeigen, wo es sich in der Natur überall genauer hinzuschauen lohnt: In die Unterwasserwelt, den menschlichen Körper, auf die Organisation von Bienenvölkern und andere Felder. Dort entdecken sie Techniken, mit denen Muscheln sich unter Wasser fest an Oberflächen kleben, Delfine mit ihrem Sonar die Größe, Dichte und Materialzusammensetzung verschiedener Ziele erkennen können oder Termiten ihren Bau belüften.

Biologische Lösungen sind dabei oft von einer schwer nachzuahmenden Eleganz. Biologische "Baustoffe" wie Holz oder Knochen zum Beispiel sind hierarchisch aufgebaut, das heißt auf molekularer Ebene anders zusammengesetzt als auf makroskopischer, und vereinen dadurch auch widersprüchliche Eigenschaften in sich. Von Menschen gemachter Stahl und viele Kunststoffe sehen dagegen auf jeder Ebene gleich aus, sind weniger nachhaltig in der Herstellung und verbrauchen dabei sehr viel mehr Energie.

"Das kugelsichere Federkleid" macht anschaulich, wie viel es noch von der Natur zu lernen gibt und welche Lösungswege sie für manche Probleme gefunden hat. Großen Anteil an der Anschaulichkeit hat die Aufmachung des quadratischen Buches. Fotos und erläuternde Schaubilder auf fast jeder Doppelseite sorgen für ein sehr lesefreundliches, aufgelockertes Schriftbild und machen das Buch auch optisch zu einem Hingucker.

Dabei geht es inhaltlich über die reine Schilderung natürlicher Techniken hinaus. Es stellt auch die Frage, wieweit die Biomimetik helfen kann, unsere Technik zu "biologisieren" und auf welchem Weg dieser Transfer beschleunigt werden könnte. Die Antworten darauf sind noch im Fluss, könnten aber nach Meinung von Mitautor Julian Vincent eines Tages einen entscheidenden Anteil daran haben, mit den endlichen Ressourcen unseres Planeten effizienter umzugehen. Auf dieser Ebene ist die Natur als Baumeisterin der menschlichen Technik immer noch weit voraus.

Besprochen von von Gerrit Stratmann

Robert Allen (Hrsg.): Das kugelsichere Federkleid. Wie die Natur uns Technologie lehrt
Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2011
192 Seiten, 29,95 Euro