"Native Captain America"

Das neue Gesicht eines alten Helden

08:52 Minuten
Tony Tomey aus Los Angeles, im Kostüm der Comicfigur Captain America, vor Graman s Chinese Thearter in Hollywood, Kalifornien 27. März 2004.
Was den Helden ausmacht, sei geprägt vom "American Dream", sagt Markus Dichmann. Aber was das bedeute, müsse bei Captain America immer wieder neu verhandelt werden. © imago / ZUMA Wire / Jose Luis Villegas
Markus Dichmann im Gespräch mit Massimo Maio |
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Erst war er Nazijäger, dann Kommunistenschlächter - und jetzt ist Captain America ein Native American. In einer neuen Comicreihe trägt der Superheld Federn im Haar und einen Lendenschurz. Bei unserem Kritiker löst das gemischte Gefühle aus.
Auch mit 80 Jahren kann man sich neu erfinden: Der Marvel-Superheld Captain America wird zu seinem runden Geburtstag zum Native Captain America. In dem dritten Band der Comicreihe "The United States of Captain America" trägt erstmals in der Geschichte der Figur ein Native American das Kostüm von Captain America: Joe Gomez gehört zum Stamm der Kickapoo, die es auch in Wirklichkeit gibt und heute hauptsächlich in Reservaten in Kansas und Texas leben.
In der Reihe "The United States of Captain America" ist der ursprüngliche Captain America namens Steve Rogers einer großen Verschwörung auf der Spur und stellt fest, dass er überall in den United States Nachahmer hat: Menschen, die in selbstgemachte Captain-America Uniformen schlüpfen und fürs Gute kämpfen wollen. Einer dieser Nachahmer ist Joe Gomez, der in seinem Reservat in Kansas für Recht und Ordnung sorgen will.

Groß angekündigt, aber bloß eine Randnotiz

Der Journalist und Comicexperte Markus Dichmann hat gemischte Gefühle zur Neuerfindung von Captain America. Er finde es schade, dass Joe Gomez zwar prominent vorne auf dem Cover präsentiert werde und schon seit Monaten viel Wind darum gemacht worden sei, Gomez im Comic aber tatsächlich nur eine Nebenrolle spiele: "Das ist nicht der große, historische Comic-Moment geworden, der es eigentlich hätte sein können."
Gleichzeitige gebe es auf den wenigen Seiten mit Joe Gomez aber schöne Ideen und Reflektionen darüber, was es für ihn bedeute, Rot, Weiß und Blau zu tragen – also die Farben des Staates, der die Native Americans geknechtet und ermordet hat. "Was wahrscheinlich daran liegt, dass der Comic zur Hälfte von einer Native American geschrieben wurde", vermutet Dichmann. Neben der Autorin Darcie Little Badger habe zudem Keith Bluecloud vom Bureau of Indian Affairs in den USA als Berater an dem Comic mitgewirkt.

Echt "Native American" oder folkloristisch?

Der Comic-Experte sagt, er wisse auch nicht so recht, was er von der neuen Captain-America-Uniform halten soll: "Joe Gomez trägt tatsächlich Federn im Haar, hat Tierfell an den Schultern, Fransen am Gürtel, einen Lendenschurz – gefühlt ist das nicht weit weg von Winnetou und es fühlte sich arg folkloristisch an." Aber da Native Americans in die Arbeit und das Design integriert waren, falle es ihm schwer, das zu beurteilen.
Dichmann sieht hier einen Konflikt zwischen Tradition und Moderne und den Versuch, diesen neuen Captain America deutlich erkennbar "Native American" zu machen.

Vom Nazijäger zum schwarzen Superhelden

Es ist nicht das erste Mal, dass Captain America neu erfunden wird. Der Superheld entstand 1941 als Nazijäger. Auf dem Cover des ersten Comics knockte er Adolf Hitler mit einem Kinnhaken aus, erzählt Dittmann. In den 50er-Jahren habe die Figur Captain America dann reihenweise Kommunisten getötet – ein Verstoß gegen die grundsätzliche Regel, dass Superhelden nicht töten. In den 70er-Jahren sei diese Phase des "Commie-Smasher-Captain" nachträglich umgedeutet worden. Zuletzt gab es mit Sam Wilson auch einen schwarzen Captain America.
Was den Helden ausmacht, sei geprägt vom "American Dream", sagt Dichmann. Aber was das bedeute, müsse bei Captain America immer wieder neu verhandelt werden.
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