Nationalheld

Freiheit oder Tod

Von Victoria Eglau · 21.02.2014
Augusto César Sandino ist der wohl erste Guerillaführer Lateinamerikas. Sechs Jahre lang kämpfte er in Nicaragua gegen das Quasi-Protektorat der USA. Vor 80 Jahren wurde er ermordet.
Nicaraguas heute unbestrittener Nationalheld wurde 1895 als uneheliches Kind eines reichen Kaffeebauern und eines indianischen Dienstmädchens geboren. Erst mit elf Jahren, nach einer Kindheit in Armut, erkämpfte sich César Augusto Sandino einen Platz im Hause des Vaters. Von der Schule ging er nach der vierten Klasse ab, doch Zeit seines Lebens bildete sich Sandino als Autodidakt weiter. Mit Mitte zwanzig verließ er sein Dorf, arbeitete als Verwalter auf Plantagen und Ölfeldern in Honduras, Guatemala und Mexiko.
1926 bahnt sich in Nicaragua ein Bürgerkrieg an: zwischen Konservativen und Liberalen, den beiden dominierenden politischen Kräften. Ein Konservativer hat sich an die Macht geputscht, die Liberale Partei reagiert mit einem bewaffneten Aufstand. Sandino will ihn unterstützen, überfällt im Alleingang ein Militärquartier der Konservativen und wird daraufhin zu einem der Chefs der liberalen Streitkräfte ernannt. Nicaragua ist damals ein Quasi-Protektorat der USA, die in dem lateinamerikanischen Staat Handelsinteressen verfolgen. Im Bürgerkrieg unterstützen US-Marinetruppen die konservative Regierung. Unter dem Druck Washingtons legen die Liberalen schließlich die Waffen nieder. Im Gegenzug werden ihnen freie Wahlen zugesagt - garantiert von den USA und deren Militärpräsenz im Land.
Sandino-Biograf Volker Wünderich: "Für Sandino war das ganz schrecklich. Das war der Verrat an der Nation, und die Auslieferung des Landes an die Oberherrschaft der USA."
César Augusto Sandino: "Ich lasse mich nicht kaufen und ergebe mich nicht. Ich will ein freies Vaterland, oder sterben."
Ab jetzt kämpft Sandino allein gegen die US-Besatzung Nicaraguas. Seine Freiheitsarmee besteht zunächst nur aus dreißig Männern, doch mit der Zeit wächst sie auf über sechstausend Soldaten an - vor allem arme Bauern und Tagelöhner. Bei einem Angriff auf die Stadt Ocotal mit Äxten und Macheten werden Sandinos Rebellen von US-Marines aus der Luft angegriffen und müssen den Rückzug antreten. Fortan setzen sie ihren Widerstand als Guerilla-Kampf fort. Ihre Taktik: hohe Mobilität, leichte Maschinengewehre, straffe Organisation.
Fahne der Freiheit für Nicaragua
Volker Wünderich: "Das ist wahrscheinlich die größte historische Leistung, die Sandino vorzuweisen hat, dass er diese Guerrilla-Truppe innerhalb weniger Wochen aufgestellt hat und sie im Kampf mit einer vielfach überlegenen Besatzungstruppe sechs Jahre lang überleben konnte."
Zitat César Augusto Sandino: "Unsere Bewegung ist national und anti-imperialistisch. Wir halten die Fahne der Freiheit für Nicaragua und ganz Hispanoamerika hoch."
Sandino und sein sogenanntes Heer zur Verteidigung der Nationalen Souveränität werden über die Grenzen Nicaraguas hinaus berühmt. Als die USA erkennen, dass ihre Truppen Sandinos Guerilleros nicht beikommen, stellen sie eine Nationalgarde mit nicaraguanischen Kämpfern auf. Anfang 1933 verlassen die letzten Marines Nicaragua. In den Vereinigten Staaten wird der Demokrat Franklin D. Roosevelt Präsident und läutet eine außenpolitische Wende ein. Die sogenannte Politik der guten Nachbarschaft sieht bis auf Weiteres keine Militäreinsätze in Lateinamerika mehr vor. Volker Wünderich:
"In diesem Kräftespiel war der bewaffnete Widerstand in Nicaragua nicht zu vernachlässigen. Insofern kann man sagen, dass es nicht der einzige, aber auch ein wichtiger Grund war, die Truppen abzuziehen."
Mit dem Ende der US-Besatzung hatte Augusto César Sandino seine patriotische Mission erfüllt. Er und der neue Präsident Nicaraguas, ein Liberaler, schlossen ein Friedensabkommen. Sandinos Armee legte die Waffen nieder. Doch die Nationalgarde - von den USA ausgebildet und finanziert - begann, das Land unter ihre Kontrolle zu bringen. An der Spitze: General Anastasio Somoza García. Am 21. Februar 1934 ließ er Sandino nach einem Abendessen im Präsidentenpalast von der Nationalgarde festnehmen und erschießen. Somoza putschte sich zwei Jahre später ins Präsidentenamt. 43 Jahre lang regierte sein Clan Nicaragua, bis 1979 eine linke Bewegung das Militärregime stürzte: die Sandinistische Befreiungsfront.
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