NASA-Sonde erreicht Jupiters Umlaufbahn

"We are in orbit"

Die Nasa-Wissenschaftler Jim Gree, Scott Bolton, Rick Nybakken und Heidi Becker.
Nasa-Mitarbeiter sprechen bei einer Pressekonferenz über die Raumsonde "Juno", die den Jupiter erreicht hat. © dpa-Bildfunk / AP / Richard Vogel)
Von Dirk Lorenzen |
Selten war ein Wissenschaftler so bewegt von der Ankunft einer Raumsonde wie Scott Bolton vom South West Research Institute in Texas: Die Sonde Juno hat die Umlaufbahn des Jupiters erreicht. Doch ihr Ende ist bereits besiegelt.
Plötzlich ausbrechender Jubel im Kontrollraum.
Flugkommentatorin: "We have the tone for engine cut-off! Juno, welcome to Jupiter!"
Der Jubel ebbt allmählich ab.
Um genau 5:53 Uhr fiel die Anspannung schlagartig vom Juno-Team ab. Das Bremsen ist geglückt, die Raumsonde ist nicht am Jupiter vorbei geschossen und auf Nimmerwiedersehen im Sonnensystem verschwunden. Junos Triebwerk hat perfekt gearbeitet, erklärt eine Stunde später stolz der Chefwissenschaftler der Mission.
"We are there, we are in orbit."
Wir sind da – wir sind in der Umlaufbahn, freut sich Scott Bolton vom South West Research Institute in San Antonio, Texas.
"We conquered Jupiter!"
Im Überschwang der Gefühle versteigt er sich dazu, man habe Jupiter bezwungen. Ganz so martialisch war es nicht, aber in der Tat wäre die Mission beim kleinsten Fehler vorbei gewesen. Dann hätten die Forscher nur das Video gehabt, das Juno in den Wochen vor der Ankunft am Jupiter aufgenommen hatte. Über diesen Film freut sich das Forscherteam so, als sei man selbst an Bord gewesen...
"You can imagine yourself sitting on a chair on Juno, and you holding up your phone making up a movie... here is the greatest vacation and journey I can imagine..."
Man stelle sich vor, auf einem Stuhl auf Juno zu sitzen und das Smartphone hochzuhalten, schwärmt Scott Bolton – und zeigt dann, was für ihn die größte Urlaubsreise ist, die er sich vorstellen könne.
Auf der großen Leinwand im Pressezentrum erscheint Jupiter nur gut zur Hälfte beleuchtet – Juno bot sich beim Anflug fast von der Seite eine sehr ungewöhnliche Perspektive. Um den Halbjupiter kreisen vier Lichtpunkte, die größten Monde des Planeten.

Juno-Mission verweist auf Erkenntnisse Galileos

"In 1610 Galileo took the first telescope and pointed it up in the sky and he saw Jupiter."
Kein Geringerer als der legendäre Galileo Galilei habe 1610 als erster erkannt, dass Jupiter von vier großen Monden umkreist werde, zeigt Scott Bolton den historischen Rahmen der Juno-Mission auf.
"It was a revelation, it changed our culture and our perspective of ourselves forever. Earth was not the center."
Dies sei eine Offenbarung gewesen – die unsere Perspektive für immer verändert habe, schließlich war die Erde nicht im Zentrum. Wie ein kosmisches Uhrwerk laufen die Monde um den Planeten herum, erstmals über Wochen gefilmt von der Raumsonde Juno.
"For the first time, all of us together will see the true harmony in nature."
Selten war ein Wissenschaftler von der Ankunft seiner Raumsonde so bewegt, wie Scott Bolton am Dienstag. Das Video vom harmonischen Tanz der Monde bringt wissenschaftlich nicht viel. Doch es ist ein bewegender Auftakt für ein straffes Forschungsprogramm in den kommenden 20 Monaten. Dabei geht es zugleich um Jupiter – und um ganz grundsätzliche Fragen der Planetenforschung.
"Mit Juno wollen wir lernen, nach welchem Rezept Sonnensysteme gemacht werden. Wir sehen die Planeten, die um die Sonne kreisen. Aber wir verstehen immer noch nicht, wie sie sich gebildet haben. Zuerst ist offenbar unsere Sonne entstanden, im nächsten Schritt dann Jupiter – und irgendwann dann auch unsere Erde."
Juno kreist bis 2018 auf einer lang gestreckten Bahn um Jupiter und nähert sich dabei der obersten Gasschicht des Planeten immer wieder bis auf 5000 Kilometer. Mit einer Spezialkamera blickt die Sonde dann buchstäblich ein Stück weit in Jupiter hinein – und bestimmt so die chemischen Zutaten des Planeten.
"How much water does Jupiter have?"
Den NASA-Forscher Steve Levin interessiert vor allem, wie viel Wasser Jupiter enthält.
"Jupiters Wasseranteil verrät viel darüber, wie das Sonnensystem entstanden ist – denn er zeigt, wo sich Jupiter gebildet ist. Enthält er nur wenig Wasser, dann ist er offenbar weiter draußen in den kalten Regionen mit nur wenig Eisbrocken entstanden und später nach innen gewandert. Enthält Jupiter dagegen viel Wasser, so dürfte er sich in etwa dort gebildet haben, wo er heute ist. Allein diese eine Messung wird uns viel über unsere kosmische Geschichte sagen: Denn Jupiter ist aus den Resten entstanden, die die Sonne hinterlassen hat – und die übrigen Planeten aus den Resten Jupiters."

Wie Jupiter an Juno zerrt

Jupiter besteht – wie die Sonne – vor allem aus Wasserstoff und Helium. In vielem ist er eine Art zu kurz gekommener Stern. Die Forscher rätseln aber noch immer, ob tief im Innern der Gaskugel nicht doch ein fester Gesteinskern steckt, womöglich einige Male größer als die Erde. War so ein Felsbrocken die "Keimzelle", um die sich dann die Gasmassen angesammelt haben? Zwar kann Juno nicht bis ins Zentrum Jupiters blicken – aber die Sonde kann das Innere fühlen, erklärt Scott Bolton:
"Wir beobachten genau die Flugbahn der Raumsonde, wenn sie sehr, sehr dicht an Jupiter vorbei zieht. Uns interessiert vor allem, wie Jupiters Anziehungskraft an Juno zerrt und dabei die Bahn minimal verändert. Wie stark und in welche Richtung sich Junos Bahn verbiegt, hängt von der Massenverteilung im Innern Jupiters ab. Im Laufe der vielen Vorbeiflüge bekommen wir geradezu eine Computertomographie Jupiters – und erkennen seine innere Struktur."
Nie zuvor ist eine Raumsonde so dicht an Jupiter heran geflogen. Vor rund 20 Jahren hatte die Raumsonde Galileo den Planeten jahrelang umkreist, dabei aber vor allem dessen Monde untersucht. Jetzt widmet sich Juno dem ganz, ganz großen Bruder der Erde – der etwa doppelt so viel Energie abstrahlt, wie er von der Sonne bekommt, erklärt der Leiter des NASA-Planetenprogramms Jim Green:
"Dieser Planet ist noch immer heiß – wie ein Kuchen, den man gerade aus dem Ofen geholt hat und der noch abkühlen muss. Diese Hitze aus dem Innern lässt die markanten Wolkenphänomene in der Jupiteratmosphäre entstehen. Besonders faszinierend ist der Große Rote Fleck, ein Wirbelsturm, der doppelt so groß wie die Erde ist. Wie verstehen nicht, wie dieser Fleck entstehen und seit Jahrhunderten überdauern konnte. Juno wird messen, ob dort vielleicht viel mehr Hitze aus dem Innern nach außen gelangt als an anderen Stellen."
37 Mal wird die Raumsonde ihre lang gestreckte Bahn um Jupiter ziehen. Dann geht ihr Tanz um den Riesenplaneten zu Ende. Um zu verhindern, dass Juno irgendwann unkontrolliert auf einen der Eismonde Jupiters stürzt, lenken die NASA-Ingenieure die Sonde gezielt in den Planeten. Am 20. Februar 2018 wird Juno in Jupiters Gasmassen verglühen.
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