Nahrungsergänzungsmittel können die Leber schädigen

10.10.2010
Die jüngste Pressemeldung der Gesellschaft für Viszeralmedizin klingt wenig beruhigend. Da wird dringend vor Nahrungsergänzungsmitteln gewarnt. Immer häufiger käme es zu Leberschäden.
Professor Burkhard Göke, Ärztlicher Direktor am Klinikum München ist ein mutiger Mann. Öffentlich warnt er vor Nahrungsergänzungsmitteln. Sie können zu schwersten Leberschäden führen. Er belegt es mit zahlreichen Vergiftungsfällen. Leider sei es oft nicht möglich, die Ursache herauszufinden, da die Hersteller die Zusammensetzung verschweigen und die Rezeptur nach Belieben verändern. Zitat: "Die Hersteller verbuchen mitunter Milliarden-Umsätze, ohne dass sie nachweisen müssen, dass ihre Präparate überhaupt von Nutzen sind." Nach Burkhard Göke ist es in Deutschland nahezu ausgeschlossen in eine ernährungsbedingte Mangelsituation zu geraten. Ja, da hat er recht, der Professor.

Die Mittelchen werden übers Internet oder durch Strukturvertriebe, nach dem Vorbild der Tupperparties, unter die Leute gebracht – dadurch lassen sich Kontrollen elegant umgehen. Die Palette der potentiell riskanten Schlankheitsmittel und Nahrungsergänzungen ist breit – auch deshalb, weil die Zusammensetzung nicht selten eine andere ist, als das Etikett ausweist. Gerade in importierten Pillen und Pülverchen, deren Natürlichkeit beworben wird, finden Chemiker regelmäßig Schmerzmittel, Tetracycline oder Cortison. Vor allem bei Kräuterpillen aus Asien darf man auf einiges gefasst sein. Aber auch aus Amerika sind phantasievolle Mischungen im Umlauf. Derzeit warnen die Gesundheitsbehörden in aller Welt vor dem populären Schlankheitsmittel "Hydroxycut".

Das populärste Opfer mit kaputter Leber durch Nahrungsergänzungsmittel war die Fußball-National-mannschaft von 1954. Wenige Monate nach dem Endspiel in Bern erkrankten einige Spieler an Gelbsucht. Wenige Jahre später verstarb der Erste an Leberzirrhose – bei striktem Alkoholverzicht. Der Hintergrund: Helmut Rahn hatte bei einer Südamerikareise gesehen, dass die Brasilianer vor jedem Spiel Medikamente bekommen haben. So kam man auf die glorreiche Idee Vitamin C zu spritzen. Da nicht genug Spritzen für alle da waren, haben sie die Nadel gemeinsam genutzt.

Es mag unglaublich klingen, aber in der Dritten Welt haben Vitaminspritzen, die mehrfach verwendet wurden, Millionen von Menschen mit Hepatitis infiziert. Es wäre jedoch ungerecht bei Hepatitis nur Spritzen oder Schlankheitspillen zu erwähnen. Auch allerlei frische Lebensmittel wie Muscheln oder unhygienisch zubereitete Salate können Heptatitis A oder E übertragen. Kommt nicht allzu oft vor, gibt’s aber hin und wieder. Auch bei Leckereien gilt: No risk – no fun.

Unsere Leber verträgt vieles, aber leider nicht alles. Als besonders riskant gelten Schimmelgifte; vor allem aus Getreide – namentlich Mais – und aus Nüssen. Auch verschimmeltes Lesegut bei Trauben, oder Gerste, die schon am Halm schimmelte, reichen ihre Gifte bis in Wein und Bier durch. Wer lieber Kräutertee trinkt, hat deshalb aber nicht zwangsläufig ein gesünderes Getränk. Solange es sich um vertraute Küchenkräuter handelt, wie Pfefferminze oder Zitronenmelisse ist alles im grünen Bereich. Wenn aber über längere Zeiträume spezielle Gesundheitstees getrunken werden, vielleicht noch über das Internet bezogen, dann darf die Leber Sonderschichten einlegen. Manche Heilkräuter enthalten erbärmliche Lebergifte, namentlich die so genannten Pyrrolizidine.

Die Dealer von Nahrungsergänzungsmitteln reagieren schnell und flexibel auf Meldungen zu Gesundheitsgefahren. Prompt offerieren sie als neueste Creation zweifelhafte "Leberschutzfaktoren". Nach Burkhard Göke ist eine solche Wirkung bisher ebenfalls nicht belegt.

Aber es gibt Licht am Horizont. Denn ein äußerst beliebtes Getränk erwies sich als wirksamer Leberschutz – allerdings gibt’s das nicht in der Apotheke sondern im Discounter. Es ist der altbewährte Kaffee, sofern er denn regelmäßig getrunken wird. Und den meisten Menschen schmeckt er auch noch besser als exotischer Lebertee. Mir auf jeden Fall. Mahlzeit!


Literatur:
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