Nahostkonflikt aus Sicht eines Palästinensers

"Die Zivilisten sind immer schutzlos"

08:58 Minuten
Ein Trauerzug mit dem Körper von Majd Abu Saadahthe, getragen auf den Armen von vielen Männern. Der Palästinenser kam durch einen israelischen Angriff ums Leben. Im Gazastreifen, 12. Mai 2021.
Männer tragen einen Toten: Ein Trauermarsch am Mittwoch, 12. Mai, nach den israelischen Bombardierungen im Gazastreifen. © AFP / Said Khatib
Usama Antar im Gespräch mit Axel Rahmlow · 12.05.2021
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Auch am Mittwoch haben sich die israelische Armee und die Hamas gegenseitig mit Bomben beschossen. Der Politologe Usama Antar lebt mit seiner Familie in Gaza und verurteilt die Bombardierungen. Die Zivilbevölkerung sei diesen schutzlos ausgeliefert.
Israels Militär flog am Mittwoch Luftangriffe auf Ziele im Gazastreifen, die islamistische Hamas feuerte erneut Raketen auf israelische Städte. Es sind die schwersten Kämpfe seit Jahren. Seit Montag starben nach palästinensischen Angaben in dem Küstengebiet mindestens 43 Menschen, Israel meldete bislang mindestens sechs Tote.
Wir wollen wissen, wie die Menschen die Ereignisse auf beiden Seiten erleben. Dazu haben wir in unserem Programm bereits mit Eliyah Havemann gesprochen. Er ist Jude, der in Israel lebt. Er hat uns berichtet, wie seine Familie und Kinder die Nacht von Dienstag auf Mittwoch erlebt haben. So mussten sie immer wieder in das Bunkerzimmer ihrer Wohnung. [AUDIO]

Der Politikwissenschaftler Usama Antar lebt mit seiner Familie in Gaza. Auch mit ihm haben wir über die vergangenen Tage gesprochen.
Sie hätten eine schreckliche Nacht hinter sich, sagt er: Sie müssten in Angst leben und sich dem Schicksal überlassen. Bis zum Morgen um 6.00 Uhr habe es in der Umgebung Bombardierungen gegeben. Insgesamt gehe es ihm und seiner Familie aber gut.

"Was wir erlebt haben, war unbeschreibbar"

Im Unterschied zu den Häusern in Israel hätten die Häuser in Gaza keine Bunker. Es gebe nur einige große Gebäude mit einem Keller, so Antar. Das sei mit ein Grund, warum die zivilen Opfer auf der palästinischen Seite so hoch seien.
"Die Zivilisten sind immer schutzlos", sagt er. "Was wir erlebt haben, war unbeschreibbar." So hätte es um 6.00 Uhr morgens 80 Bombardierungen im Umkreis von zwei Kilometern in fünf Minuten gegeben. "Ich habe eine kleine Tochter, die schrie vor Angst", erzählt er.
"Wir wissen, dass wir nicht gezielt bombardiert werden, weil wir unschuldige Menschen sind. Wir sind Zivilisten. Wir sind keine Kämpfer", sagt Usama Antar. Sie könnten allerdings nur hoffen, dass die Bomben nicht allzu nahe einschlagen: Denn splitternde Fenster und einstürzende Mauern würden sehr schnell zu Verletzungen führen.

"Die Palästinenser leben unter einer Besatzung"

Israel macht die Hamas und andere radikale Gruppen für die aktuellen Kampfhandlungen verantwortlich und beruft sich auf sein Recht auf Selbstverteidigung. Für Usama Antar sei der entscheidende Grund für den Gesamtkonflikt die Besatzung.
"Die Palästinenser leben seit mehr als 50 Jahren unter einer Besatzung. Kein Volk und kein Mensch kann so etwas aushalten", sagt der Politikwissenschaftler. So werde auch in vielen deutschen Medien nicht viel über die Gewalt der israelischen Armee gegenüber der palästinensischen Gesellschaft und die Gewalt der israelischen Siedler berichtet.
Antar betont, er lehne die aktuelle Bombardierung ab und er glaube an die friedliche Koexistenz zwischen palästinensischen Arabern und israelischen Juden. "Es geht nicht anders. Wir müssen miteinander leben." Seit mehr als 70 Jahren lebe man in Feindseligkeit. "Was hat sie gebracht? Nichts!"
(jde)
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